Barbara Eibensteiner

Barbara Eibensteiner,
verheiratete MUCHA

Geboren am 1. Oktober 1917
in Rudmanns, Niederösterreich
Verfolgungsgrund: politischer Widerstand
Biografische Daten
Barbara Eibensteiner, 1941 [1]


Kindheit und Jugend
Barbara Eibensteiner, auch Betty oder Hansi genannt, wurde am 1. Oktober 1917 in Rudmanns, im Bezirk Zwettl (Niederösterreich), geboren. Ihre Mutter Walpurga Eibensteiner war ledig, der Vater, Michael Gerus, wurde seit dem Ersten Weltkrieg vermisst. Barbara Eibensteiner wuchs bei den mütterlichen Großeltern auf, die in Rudmanns ein kleines landwirtschaftliches Anwesen bewirtschafteten. Sie absolvierte in Zwettl vier Jahre Volksschule und zwei Jahre Hauptschule und übersiedelte dann zu ihrer Mutter nach Wien, wo sie die Hauptschule abschloss. Danach besuchte sie zwei Jahre lang eine Fortbildungsschule für Stickerinnen und lernte im Betrieb von Josefine Spielmann im 3. Bezirk. Nach dem Anschluss wechselte sie zur Wirkwarenfirma Emmerich Strasser.[2]

Barbara Eibensteiner mit Freundinnen,
vor 1940 [6]
In Wien lebte sie mit ihrer Mutter im 3. Bezirk in der Salmgasse 21.[3] Mutter und Tochter lebten in Armut, da die Mutter arbeitslos und ausgesteuert war, so die offizielle Erzählung.[4] Die Mutter arbeitete allerdings jahrelang als Köchin, ohne von ihrem Arbeitgeber angemeldet worden zu sein. Erst eine spätere Anstellung bei der Bahn half ihr, ihre Lebensumstände zu verbessern.[5]
Ihre Freundinnen beschrieben Barbara Eibensteiner als sportlich, außerdem sang sie gerne. Oft waren sie und ihre Freundinnen zu zweit oder als Gruppe in der Natur unterwegs. Obwohl sie kaum Geld hatten, um die Bahnfahrt zu bezahlen, hielt sie dies nicht davon ab, die Freizeit in der Natur zu genießen. Mit einem freundlichen Wort, Erfindungsgabe oder einem Lied auf den Lippen gelang es ihnen immer wieder gut nach Hause zu kommen.[7] So hatte sie auch Hermine Jursa, Widerstandskämpferin und ebenfalls in Ravensbrück inhaftiert, in Erinnerung:
„»Hansi« war ein herrlicher Mensch und großer Kampfgeist. Sie konnte mir nicht genug von den Naturschönheiten erzählen. (…) Sie dachte immer an die Menschen um sie herum, wie man diesem und jenem helfen könnte, und hatte für jeden ein tröstendes Wort. Sie war imstande, ihren Enthusiasmus und ihren Optimismus auf uns alle zu übertragen, und mit ihrem warmen Herzen und ihrer Anteilnahme richtete sie so manche Verzweifelte auf; ihr Erfindungsgeist war unerschöpflich.“ [8]

Politisches Engagement
Barbara Eibensteiner war früh politisch interessiert. Während der Kämpfe im Februar 1934 schrieb die damals 17-Jährige in ihr Tagebuch, man solle ja nicht glauben, den Sozialismus so ausrotten zu können:
„Oh nein! Dann erst recht. Trotzig werden wir, und heimlich unsere Zusammenkunftsstätten aufsuchen, uns vereinigen, und kämpfen für unser Recht, für die Freiheit.“ [9]
Tags darauf, am 13. Februar überwog die Verzweiflung:
„Weinen könnte man, und dann wieder spüre ich einen unwiderstehlichen Drang zu kämpfen, den armen Brüdern zu helfen, vergelten, ebenso rücksichtslos zu sein wie die anderen, aber dann kommt wieder dieser lähmende Gedanke der Unfähigkeit, daß die anderen siegen werden.“ [10]
Laut Gerichtsakten kam Barbara Eibensteiner im Jahr 1937 mit kommunistischen ParteigängerInnen in Kontakt. Ein jüdischer Genosse, von dem Eibensteiner vor Gericht nur den Decknamen „Motti“ preisgab, habe sie kurz vor dem Anschluss veranlasst, der „Jungen Front“ beizutreten. Diese Organisation war offiziell ein Jugendverein der Vaterländischen Front [11], wurde jedoch von kommunistischen/marxistischen Jugendlichen zur Tarnung genutzt und diente der Rekrutierung für den Kommunistischen Jugendverband (KJV). Bereits in der „Jungen Front“ hat Barbara Eibensteiner laut Gerichtsakten eine tragende Rolle als Führerin einer Mädelgruppe innegehabt. Anfang 1938 wurde Eibensteiner dann zur KJV-Bezirksleiterin für den 3. Bezirk ernannt. Als solche sollte sie Personen aus dem Kreis der „Jungen Front“ für den KJV gewinnen. Nach dem Anschluss stieg Eibensteiner dann von der Bezirksleiterin zur Kreisleiterin für das Gebiet Landstraße, Schwechat und Simmering auf. In dieser Funktion hielt sie alle zwei bis drei Wochen politische Treffen ab und organisierte das Gebiet, indem sie sich mit den ihr unterstellten Kreis- und ZellenleiterInnen besprach. Die in diesem Kontext stattgefundene Reorganisation der KJV-Gruppe Schwechat war in den Gerichtsverhandlungen der Hauptgegenstand. Zudem, so wurde ihr vorgeworfen, habe Eibensteiner kommunistische Zeitschriften verbreitet.[12]
Zur Tarnung trat Barbara Eibensteiner im November 1938 der Deutsche Arbeitsfront (DAF) bei, ab Juni 1939 betätigte sie sich im Bund deutscher Mädel (BdM) und anschließend beim BdM-Werk „Glaube und Schönheit“. So wurde dann auch im Oktober 1940 angeforderten Gauakt Auskunft über Barbara Eibensteiners politisches Engagement aus der Perspektive der nationalsozialistischen Verwaltung gegeben: Politisch sei sie bisher „nicht hervorgetreten“, als „ungünstig“ wurden jedoch ihre sozialen Verhältnisse beschrieben, die „Gebefreudigkeit“ bei Sammlungen für Kriegszwecke habe allerdings dem Einkommen entsprochen.[13]
Trotz dem Versuch, so unauffällig wie möglich zu agieren, wurde Barbara Eibensteiner am 8. März 1940 festgenommen.[14]

Widerstandsnetzwerk
Das Widerstandsnetzwerk um Barbara Eibensteiner erschließt sich aus den Gerichtsakten. Barbara Eibensteiner wurde darin als Hauptdrahtzieherin dargestellt, Johanna Vogl, Barbara Wentz, Johann Huber, Johann Hausl und Lorenz Fürst als das engere Umfeld. Wesentlicher Gegenstand war die Reorganisation des Schwechater KJV, der zum „Kreis“ von Barbara Eibensteiner gehörte. Als dieser 1940 aufflog erfolgte eine Reihe von Verhaftungen.[15]
Alle Angeklagten kamen aus ArbeiterInnenfamilien und wurden früh politisiert. Der Weg verlief (großteils) von den Kinderfreunden über die „Junge Front“ zum KJV. Mehr als die Hälfte der Angeklagten war zum „Tatbegehungszeitpunkt“ noch unter 18 Jahre.[16]
Nachdem Barbara Eibensteiner nach dem Anschluss von der KJV-Bezirksleiterin zur Kreisleiterin aufstieg, übertrug sie ihre Funktion im Bezirk Landstraße ihrer Freundin Johanna Vogl, die diese Funktion bis zu ihrer Festnahme im Februar 1940 ausübte.[17] Vogl wurde am 7. August 1919 in Wien geboren und arbeitete in einer Strumpffabrik, ehe sie Ende 1939 arbeitslos wurde. Sie war bereits in ihrer Jugend bei den Roten Falken aktiv, ab 1937 bei den „Bergfreunden“ und später beim KJV.[18]
Der am 29. September 1921 in Schwechat geborene Korbflechtgehilfe Johann Huber war der Bezirksleiter für Schwechat, dem Barbara Eibensteiner als Kreisleiterin vorstand. Als ArbeiterInnenkind war Huber von seinem sechsten Lebensjahr bis zum Jahr 1934 Mitglied des sozialdemokratischen Vereins „Freie Schule – Kinderfreunde“. 1937 trat er dem KJV bei, wo er auch Barbara Eibensteiner kennenlernte.[19]
Die Mitangeklagten Benedikt Bayer (geboren am 11. März 1921), Lorenz Fürst (geboren am 13. April 1923), August Mayer (geboren am 17. September 1921), Walter Annerl (geboren am 25. November 1922), Josef Götzinger (geboren am 20. August 1921), Heinrich Rösler (geboren am 28. Mai 1922) und Anton Schedl (geboren am 16. Jänner 1923) gehörten ebenfalls dem KJV Schwechat an.[20]
Johann Hausl war Blockleiter im Bezirk Landstraße. Ihm übertrug Hansi Eibensteiner im Frühjahr 1939 ihre Funktion als Kreisleiterin des KJV, da sie sich polizeilich beobachtet fühlte. Der Eisendrehergehilfe Johann Hausl wurde am 5. Jänner 1921 in Wien geboren und lebte im 3. Bezirk. Er war Mitglied der Kinderfreunde, später der Roten Falken, des Gewerkschaftsbunds und dann des KJV.[21]
Lorenz Fürst hatte die Aufgabe, die Verbindung zwischen Hausl und dem Bezirksleiter von Schwechat, Johann Huber, aufrechtzuerhalten.
Barbara Wentz (Deckname „Lisl“) war Barbara Eibensteiner von der Gebietsleitung zur Unterstützung zugeteilt worden. Die am 6. Oktober 1919 in Gramatneusiedl geborene Schneidergehilfin Barbara Wentz war bereits 1931 Mitglied des Arbeiterturnvereins, 1936 trat sie den „Bergfreunden“ bei, 1937 kam sie zum KJV. 1938 verlor sie vorübergehend die Verbindung zum KJV, stieß aber im Frühjahr 1939 durch die Funktionärin „Susi“ wieder zum KJV. Der kommunistische Funktionär Erich Schindl stellte sie daraufhin Barbara Eibensteiner vor, der sie einen Teil ihrer politischen Arbeit abnahm. Später machte sie dies auch für Hausl.[22]
Die miteinander politisch aktiven Frauen kannten sich teils schon lange: Barbara Wentz und Johanna Vogl waren bereits seit ihrer Volksschulzeit miteinander befreundet. Vogl und Eibensteiner kannten sich seit der gemeinsam besuchten Gewerbeschule. Über Hansi Eibensteiner kam Johanna Vogl auch zum KJV.[23]

Prozess
Am 4. Juni 1941 wurde Anklage gegen Barbara Eibensteiner und neun weitere Wiener Jugendliche wegen Aufbau eines kommunistischen Jugendverbandes erhoben. Ihnen wurde vorgeworfen
„vom Frühjahr 1938 bis Sommer 1939 in Wien fortgesetzt und gemeinschaftlich miteinander und zum Teil mit anderen Personen das hochverräterische Unternehmen, mit Gewalt ein zum Reiche gehöriges Gebiet vom Reiche loszureissen und mit Gewalt die Verfassung des Reichs zu ändern, vorbereitet zu haben […].“ [24]
Alle Beschuldigten wurden bezichtigt, Mitglieder des illegalen kommunistischen Jugendverband Österreichs (KJVÖ), teils in leitenden Funktionen, gewesen zu sein. Barbara Eibensteiner wurde zusätzlich wegen der Verbreitung einer „kommunistischen Hetzschrift“ angeklagt.
Im Prozess zeigten sich alle Angeklagten geständig, Barbara Eibensteiner bestritt jedoch, eine kommunistische Zeitschrift an Johanna Vogl übergeben zu haben. Eibensteiner, Wentz, Huber und Fürst gaben zu, „Kenntnis von den hochverräterischen Zielen des Kommunismus“ gehabt zu haben, die übrigen Beschuldigten bestritten diese Kenntnis, es wurde ihnen aber kein Glaube geschenkt.[25]
Am 14. Oktober 1941 wurden die Angeklagten Wentz, Huber, Fürst, Bayer, Schedl, Götzinger, Rösler und Annerl verurteilt. Das Strafmaß betrug zwischen drei Jahren Gefängnis (Johann Huber) und einem Jahr und fünf Monate Gefängnis (Götzinger, Rösler, Annerl). Einzig Barbara Wentz wurde neben einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten auch zu drei Jahren Ehrverlust verurteilt.[26]
Barbara Eibensteiner wurde aufgrund ihres Teilgeständnisses in Verbindung mit der Aussage von Johann Hausl und des Urteils gegen Barbara Wentz und andere am 16. Oktober 1941 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu vier Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. In der Strafbemessung wurde Eibensteiners führende Stellung erschwerend gewertet, als mildernd wurden die misslichen familiären Verhältnisse und die wirtschaftliche Not berücksichtigt. Das „junge, unerfahrene Mädchen“ sei so leicht für die Beeinflussungen ihrer jüdischen Dienstgeberin zugänglich gewesen. In antisemitischer Diktion hieß es weiter: „So ist es erklärlich, dass die Angeklagte in falsche Bahnen gelenkt wurde und dem unheilvollen Einfluss geschickter jüdischer Verführer unterlag.“ [27] Im Urteil gegen Barbara Eibensteiner wurde behauptet, ihre jüdische Lehrherrin Spielmann habe Eibensteiner mit der marxistischen Lehre vertraut gemacht. „Motti“ sei ein Freund von Spielmann gewesen.[28]


Haft
Nach ihrer Festnahme am 8. März 1940 kam Barbara Eibensteiner auf die Roßauer Lände. Am 7. Juli 1941 wurde sie in das Wiener Landesgericht eingeliefert, wo sie bis 31. Oktober 1941 inhaftiert blieb.[29]
Eine Haftgenossin im zum LG Wien gehörigen Gefängnis Schiffamtsgasse, Anni Haider [30], erinnerte sich an einen 1. Mai in Haft:
„Eine jugendliche Stimme rezitierte voll Leidenschaft und Begeisterung ein Kampfgedicht. Knochige Hände umfaßten die Eisenstangen; verhärmte Frauen- und Männergesichter drückten sich an die Zellengitter. Die soeben noch traurigen Augen leuchteten voll neuem Mut und neuer Kraft. Dann stimmte das junge Mädchen die Internationale an und alle fielen ein. Machtvoll brauste das Lied durch den Gefängnishof. Die Aufseherinnen wurden nervös. ‚Wieder die Eibensteiner.‘ Schnelles Laufen, das Aufschließen einer Zelle wurde hörbar. ‚Eibensteiner, heraus mit Ihnen, marsch in die Korrektion!‘ Diesen 1. Mai werde ich nicht vergessen, denn er gab mir den Mut, alles Spätere durchzuhalten.“ [31]
Als Haider wenige Wochen später Hansi Eibensteiner persönlich kennenlernte und sie sich dieser gegenüber als Kommunistin offenbarte, gab ihr Hansi einen Kuss und sagte „Bleib stark, wir gehören zusammen!“.[32] Fortan bewunderte sie „den Mut und den starken Willen, der in diesem zarten Mädchenkörper lebte“ [33]
Ende Oktober 1941 wurde Barbara Eibensteiner in das Zuchthaus Aichach verlegt. Dort begegnete sie wieder ihrer vormaligen Haftgenossin Anni Haider, wie auch Haftgenossin Trude Hausner (Springer) [34] und Margarete Schütte-Lihotzky [35]. Anni Haider erinnerte sich:
„Als sich ein Teil unserer Leidensgefährtinnen wieder in Aichach eingefunden hatte, begann unsere illegale Arbeit: politische Schulung, Vertreiben von Zeitungen, die wir von Außenarbeiterinnen bekamen. Auf Grund dieser Zeitungen und der Wehrmachtsberichte hielten wir uns auf dem Laufenden über die Vorgänge an der Front. Da gab es große Diskussionen durch die Wand mit Klopfzeichen oder beim Spazierengehen mit Taubstummenzeichen. Die Initiative hatte immer Hansi.“ [36]
Die Weitergabe von Informationen, ob in der Freiheit, in Gefängnissen oder im Konzentrationslager, war eine wichtige Widerstandsleistung. Der Widerstand der Häftlinge beschränkte sich jedoch nicht darauf. Viele übten Sabotage während der Zwangsarbeit, so auch Hansi Eibensteiner:
„Ich muss wieder auf die Hansi zurückkommen, weil die Hansi war ein Beispiel für viele, viele andere Genossinnen und Mithäftlinge. Sie hat z.B. bei der Arbeit sehr viel sabotiert. Wir haben, wie schon gesagt, Beamtenwäsche genäht, weil wir Näherinnen waren. Die meisten anderen haben Militärsocken angestrickt. Und die Hansi hat niemals ihr Soll erfüllt und ist dadurch des öfteren in die Korrektionszelle gekommen, drei Tage bei Wasser und Brot. Wir haben natürlich organisiert, dass sie wenigstens danach zu mehr Brot gekommen ist. Aber sie hat immer wieder solchen Mut bewiesen.“ [37]
Alle diese Widerstandsleistungen blieben nicht ohne Folgen. Eibensteiner hatte dadurch auch am meisten zu leiden: Zellendurchsuchungen, schweren Arrest, auch Bunker genannt. Ihre Mitgefangenen sorgten sich um ihren gesundheitlichen Zustand und hielten sie, um ihr Leben bangend, davon ab, für eine Genossin, die mit einer Zeitung erwischt worden war, in den Bunker zu gehen. Barbara Eibensteiner hatte zuvor alle Schuld auf sich genommen.[38] Auch Hermine Jursa berichtete von verschiedenen Aktionen, die Barbara Eibensteiner in ihrer Haftzeit in der Schiffamtsgasse organisierte:
„Sie organisierte in dem Gefängnis Hungerstreiks, hinter den Verdunkelungen am Fenster gab sie über die derzeitige Lage Berichte mit politischem Kommentar. Von ihr vorbereitete Demonstrationen zum Jahreswechsel, getragen von so viel Zuversicht und Hoffnung, wenn uns diese auch Korrektion bei je 3 Tage Essen und Brotentzug eintrug.“ [39]


Gedicht von Barbara Eibensteiner, 1941 [41]
Bei Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion protestierten Hansi Eibensteiner und Hermine Jursa. Diese erinnerte sich:
„Es war ein Sonntag, der 22. Juni 1941, Hansis mächtige Stimme verkündete den Überfall Hitlers auf die Sowjetunion. Sie hielt eine flammende Rede gegen den Faschismus und endete mit dem Gedicht: ‚Soldaten, wenn ihr einst gegen Osten marschiert …‘ Und wir alle sangen die Internationale.“ [40]
Nach dem Verbüßen ihrer Haftstrafe wurde Barbara Eibensteiner am 26.10.1944 der GESTAPO übergeben (26.10.bis 30.11. LG Wien 9, Elisabethpromenade) und am 14. November 1944 in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, wo sie die Häftlingsnummer Nr. 85520 [42] bekam und bis zur Auflösung des Lagers 1945 festgehalten wurde.[43] Im Lager hatte sie die Funktion einer Capa [44] und musste in den Siemens-Werken Zwangsarbeit leisten.[45]
Wie andere Frauen auch, setzte sie sich besonders für die Kinder im Lager ein.[46] Rosa Jochmann schrieb im Mitteilungsblatt der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück aus dem Jahr 1986 über die besondere Härte, Weihnachten in Ravensbrück verbringen zu müssen. Besonders bewegte sie und alle anderen, das Schicksal der Kinder:
„Zur Strafe mußten wir am 24., 25. Und 26. Dezember von 6 Uhr früh bis 18 Uhr abends Strafe stehen ohne Essen, und das Schwerste war, daß die Kinder in der 1. Reihe standen, die Kälte und den Hunger mit uns mitmachen mußten, also standen wir, und wenn die Sirene ging – endlich – und wir abtreten durften, dann nahmen wir die Kinder an uns, versuchten sie zu erwärmen, und natürlich bekamen die Kinder auch was zu essen und zu trinken.“
Die Häftlinge versuchten Weihnachten 1944 den Kindern eine besondere Freude zu bereiten. Sie organisierten für sie eine Weihnachtsfeier und alle Kinder sollten ein kleines Geschenk erhalten:
„Aus Lumpen wurden kleine Bälle und Stoffpüppchen angefertigt. Von der kurzen Nachtruhe haben sich diese Frauen noch Stunden abgeknappst, um Überraschungen für die Kleinen vorzubereiten. Vom Munde sparten sie sich ein Stückchen Brot ab, sollten doch die Kinder einmal satt werden und einmal fröhlich sein.“ [47]
Gegen Ende des Krieges, als das Lager bereits hoffnungslos überfüllt war, teilte sich Hansi Eibensteiner das Bett mit ihrer Freundin und Genossin Johanna Vogl, für die sie auch im KZ die wichtigste Bezugsperson blieb.[48] Für ihr Verhalten im KZ bürgten nach 1945 unter anderem auch ihre Genossinnen Barbara Wentz und Johanna Vogl.[49]



Roter Winkel von Barbara Eibensteiner [50]


Rückkehr
Am Evakuierungsmarsch knapp vor Auflösung des Lagers Ravensbrück wollte ein SSler Hansi Eibensteiner noch erschießen.[51] Johanna Vogl rette durch beherztes Eingreifen in dem sie die Wache anbrüllte und zur Vernunft brachte das Leben ihrer besten Freundin. Sie türmte aber gemeinsam mit Friederike Sinclair und Johanna Vogl sowie Barabara Wentz. Drei Tage hielten sie sich zwischen den Fronten im Wald versteckt, ehe sowjetische Soldaten sie fanden und zurück ins aufgelöste Lager schickten. Vogl, Wentz und Sinclair erhielten Tags darauf von einem russischen Offizier einen Karrenwagen und schlugen sich über Brünn nach Wien durch. Eibensteiner Hansi blieb geschwächt von der Haft im Lager, bis sie im Sommer 1945 mit einem von Rosa Jochmann organsierten Transport zurück nach Wien fuhr.[52]
Nach ihrer Rückkehr aus der Haft arbeitete Barbara Eibensteiner als Dolmetscherin, Stenotypistin und Kindergärtnerin und versuchte sich ein neues Leben aufzubauen.[53] „Mit ihrer ganzen Begeisterung, ihrem Elan hat sie sich in die neue Arbeit gestürzt, ohne auf ihre geschwächte Kraft zu achten“, so erinnerte sich eine Genossin.[54] Gesundheitlich war Barbara Eibensteiner stark gezeichnet. Sie kämpfte mit einem in der Haftzeit zugezogenen Herzklappenfehler und mit einer latenten Lungenstauung. Sie befand sich deshalb auch in ärztlicher Behandlung. Im März 1947 heiratete Barbara Eibensteiner ihren alten Freund, den Werkzeugschlossergesellen Franz Mucha.[55] Dieser beschrieb in einem Antrag auf Haftentschädigung für die gemeinsame Tochter Johanna Mucha den gesundheitlichen Zustand seiner Frau nach 1945:
Der 3 jährige Kampf um eine Wohnung, die vielen Laufereien und Urgenzen waren eine ständige Aufregung und verschlechterten zusehends das Leiden.“ [56]
Entgegen der Warnung des Arztes entschied sich Barbara Eibensteiner für eine Schwangerschaft. Ihre Tochter Johanna wurde am 17. November 1947 in Wien geboren.[57] Circa zehn Wochen nach der Geburt, am 23. Jänner 1948, verstarb Hansi Eibensteiner nur 31-jährig an den Haftfolgen. Am 30. Jänner 1948 wurde sie in Anwesenheit ihrer Genossinnen der Lagergemeinschaft Ravensbrück in Wien begraben.[58]
In einem Nachruf wurde Hansi Eibensteiner als „stille Heldin“, die ihren Mitgefangenen viel Mut machte, und als besonders wissensdurstige junge Frau beschrieben:
„Sie konnte ohne gedankliche Arbeit nicht sein. Ständig hatte sie Probleme, die sie durchdachte, von allen Seiten beleuchtete und uns dann zur Diskussion stellte, bis sie nach unserem damaligen Ermessen gelöst waren. Immer betrafen diese Probleme unser Volk und seine Zukunft: wie werden wir unseren Kindern eine schönere Zukunft schaffen? Oder: wie werden wir unseren Arbeitern einen besseren Lebensstandard sichern?“ [59]
Barbara Eibensteiners Mutter blieb zeitlebens eng mit der Genossin und Haftkollegin ihrer Tochter, Johanna Vogl, befreundet. Diese erinnerte sich:
„Sie ist immer wieder zu mir gekommen, wenn ich sie gerufen habe, wenn meine Tochter krank war. Und sie hat die Wohnung in Ordnung gehalten, die hat sie unterhalten, es war eine ganz herrliche Frau, die Mutter von der Eibensteiner. Und sie, die Eibensteiner Hansi, war auch eine ganz Großartige. Das waren meine zwei besten Freundinnen.“ [60]

© Elke Rajal

[1] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha. Nach Auskunft von Johanna Wischin-Mucha (10.4.2017) hatte sich Barbara Eibensteiner die Bluse für ihre Hauptverhandlung selbst genäht.
[2] DÖW, Akt 7779, Urteil des OLG Wien vom 16.10.1941 gegen Barbara Eibensteiner.
[3] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha, Melderegisterauszug vom 23.3.1955.
[4] DÖW, Akt 7779, Urteil des OLG Wien vom 16.10.1941 gegen Barbara Eibensteiner.
[5] Auskunft von Johanna Wischin-Mucha, 19.3.2017 sowie Meldezettel und Bahnausweis.
[6] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha.
[7] IKF, Interview mit Johanna Vogl vom 1.4.1999.
[8] Zitiert in: Spiegel, Tilly (1967). Frauen und Mädchen im österreichischen Widerstand, Wien: Europa Verlag, S. 59-60)
[9] IKF, Tagebuch von Barbara Eibensteiner, Eintrag vom 12.2.1934.
[10] IKF, Tagebuch von Barbara Eibensteiner, Eintrag vom 13.2.1934.
[11] 1933 von Engelbert Dollfuß gegründete Partei, die nach der Ausschaltung der Demokratie im Austrofaschismus als Einheitspartei fungierte.
[12] DÖW, Akt 3692, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes gegen Barbara Eibensteiner, Barbara Wentz, Johann Huber, Lorenz Fürst, Benedikt Bayer, Anton Schedl, Josef Götzinger, August Mayer, Heinrich Rösler und Walter Annerl.
[13] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha, MA12-Opferfürsorgeakt zu Johanna Mucha, Abschrift aus dem Gauakt Nr. 183.676 vom 11. Oktober 1940.
[14] DÖW, Akt 3692, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes gegen Barbara Eibensteiner, Barbara Wentz, Johann Huber, Lorenz Fürst, Benedikt Bayer, Anton Schedl, Josef Götzinger, August Mayer, Heinrich Rösler und Walter Annerl.
[15] DÖW, Akt 20900/2008, Urteil des OLG Wien vom 18.3.1942 gegen August Mayer.
[16] DÖW, Akt 3692, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes gegen Barbara Eibensteiner, Barbara Wentz, Johann Huber, Lorenz Fürst, Benedikt Bayer, Anton Schedl, Josef Götzinger, August Mayer, Heinrich Rösler und Walter Annerl.
[17] DÖW, Akt 3692, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes gegen Barbara Eibensteiner, Barbara Wentz, Johann Huber, Lorenz Fürst, Benedikt Bayer, Anton Schedl, Josef Götzinger, August Mayer, Heinrich Rösler und Walter Annerl.
[18] DÖW, Akt 7780, Urteil des OLG Wien vom 8.7.1941 gegen Neugebauer Josef, Vogl Johanna, Blazek Josef, Hausl Johann, Hausl Franz, Schramm Alfred, Striz Ferdinand und Schöbl Othmar.
[19] DÖW, Akt 7778, Urteil vom 14.10.1941 des OLG Wien gegen Wentz Barbara, Huber Johann, Fürst Lorenz, Bayer Benedikt, Schedl Anton, Götzinger Josef, Rösler Heinrich und Annerl Walter.
[20] DÖW, Akt 3692, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes gegen Barbara Eibensteiner, Barbara Wentz, Johann Huber, Lorenz Fürst, Benedikt Bayer, Anton Schedl, Josef Götzinger, August Mayer, Heinrich Rösler und Walter Annerl.
[21] DÖW, Akt 7780, Urteil des OLG Wien vom 8.7.1941 gegen Neugebauer Josef, Vogl Johanna, Blazek Josef, Hausl Johann, Hausl Franz, Schramm Alfred, Striz Ferdinand und Schöbl Othmar.
[22] DÖW, Akt 3692, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes gegen Barbara Eibensteiner, Barbara Wentz, Johann Huber, Lorenz Fürst, Benedikt Bayer, Anton Schedl, Josef Götzinger, August Mayer, Heinrich rösler und Walter Annerl.
[23] IKF, Interview mit Johanna Vogl vom 1.4.1999.
[24] DÖW, Akt 3692, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes gegen Barbara Eibensteiner, Barbara Wentz, Johann Huber, Lorenz Fürst, Benedikt Bayer, Anton Schedl, Josef Götzinger, August Mayer, Heinrich rösler und Walter Annerl.
[25] DÖW, Akt 3692, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes gegen Barbara Eibensteiner, Barbara Wentz, Johann Huber, Lorenz Fürst, Benedikt Bayer, Anton Schedl, Josef Götzinger, August Mayer, Heinrich rösler und Walter Annerl.
[26] DÖW, Akt 7778, Urteil des OLG Wien vom 14.10.1941 gegen Wentz Barbara, Huber Johann, Fürst Lorenz, Bayer Benedikt, Schedl Anton, Götzinger Josef, Rösler Heinrich und Annerl Walter.
[27] DÖW, Akt 7779, Urteil des OLG Wien vom 16.10.1941 gegen Barbara Eibensteiner.
[28] DÖW, Akt 7779, Urteil des OLG Wien vom 16.10.1941 gegen Barbara Eibensteiner.
[29] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha, Haftbestätigung der Gefangenendirektion I des LG für Strafsachen 2406/46.
[30] Laut Schütte-Lihotzky (1994) kam Anni Haider aus Linz und wurde im gleichen Prozess wie Schütte-Lihotzky am 22. September 1942 zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Diese Strafe verbüßte sie bis zu ihrer Befreiung am 29. April 1945 im Zuchthaus Aichach in Bayern. (Schütte-Lihotzky, Margarete (1994). Erinnerungen aus dem Widerstand. Das kämpferische Leben einer Architektin von 1938 – 1945, Wien: Promedia, S. 194).
[31] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha, A. Haider, „Hansi Eibensteiner“, erschienen in: Stimme der Frau, Nr. 12 vom 20.3.1984.
[32] Ebd.
[33] Ebd.
[34] Erinnerungen von Trude Springer an Hansi Eibensteiner finden sich in der Zeitschrift „Kultur Splitter“ von April 1985, S. 4-6.
[35] Erinnerungen von Margarete Schütte Lihotzky an Hansi Eibensteiner sind nachzulesen in: Schütte-Lihotzky, Margarete (1994): Erinnerungen aus dem Widerstand. Das kämpferische Leben einer Architektin von 1938 – 1945, Wien: Promedia, S. 148.
[36] Ebd.
[37] Erinnerungen von Trude Springer an Hansi Eibensteiner finden sich in der Zeitschrift „Kultur Splitter“ von April 1985, S. 5.
[38] Erinnerungen von Margarete Schütte Lihotzky an Hansi Eibensteiner sind nachzulesen in: Schütte-Lihotzky, Margarete (1994): Erinnerungen aus dem Widerstand. Das kämpferische Leben einer Architektin von 1938 – 1945, Wien: Promedia, S. 148.
[39] DÖW, Akt 50104/319, Nachruf auf Barbara Eibensteiner von Hermine Jursa.
[40] Brief von Hermine Jursa an die Redaktion der „Stimme der Frau“ vom 3.3.1984, S. 14.
[41] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha. Das Gedicht wurde 1941 verfasst, Barbara Eibensteiner behielt es im Gedächtnis und schrieb es nach 1945 nieder (Auskunft Johanna Wischin-Mucha, 18.3.2017).
[42] Auskunft Johanna Wischin-Mucha, 18.3.2017.
[43] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha, MA12-Opferfürsorgeakt zu Johanna Mucha, Melderegisterauszug vom 23.3.1955.
[44] DÖW, Akt 5014/319, Eidesstattliche Erklärung von Barbara Eibensteiner an den KZ-Verband.
[45] IKF, Interview mit Johanna Vogl vom 1.4.1999.
[46] Siehe etwa: Autorenkollektiv unter der Leitung von G. Zörner (1973): Frauen-KZ Ravensbrück, Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, S. 54f. Rosa Jochmann erinnerte sich auch an Hansi Eibensteiners Einsatz für die Kinder in Ravensbrück und erzählte Johanna Wischin-Mucha bei einem gemeinsamen Besuch in der Gedenkstätte Ravensbrück davon (Auskunft Johanna Wischin-Mucha, 10.4.2017).
[47] Autorenkollektiv unter Leitung von G. Zörner (1973): Frauen-KZ Ravensbrück, Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, S. 54.
[48] IKF, Interview mit Johanna Vogl vom 1.4.1999.
[49] DÖW, Akt 5014/319, Eidesstattliche Erklärung von Barbara Eibensteiner an den KZ-Verband.
[50] DÖW, Akt 5014/183, Verschiedene Dokumente betreffend Barbara Eibensteiner-Mucha.
[51] IKF, Interview mit Johanna Vogl vom 1.4.1999.
[52] IKF, Interview mit Friederike Sinclair vom 18.11.1998.
[53] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha, MA12-Opferfürsorgeakt zu Johanna Mucha, Niederschrift von Franz Mucha.
[54] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha, A. Haider, „Hansi Eibensteiner“, erschienen in: Stimme der Frau, Nr. 12 vom 20.3.1984.
[55] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha, MA12-Opferfürsorgeakt zu Johanna Mucha, Heiratsurkunde.
[56] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha, MA12-Opferfürsorgeakt zu Johanna Mucha, Antrag auf Haftentschädigung für Johanna Mucha, Tochter des Opfers Barbara Mucha geb. Eibensteiner vom 11.5.1954.
[57] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha, MA12-Opferfürsorgeakt zu Johanna Mucha, Antrag auf Haftentschädigung für Johanna Mucha, Tochter des Opfers Barbara Mucha geb. Eibensteiner vom 11.5.1954.
[58] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha, MA12-Opferfürsorgeakt zu Johanna Mucha, Schreiben des Bunds der politisch Verfolgten Landesverband Wien, Lagergemeinschaft Ravensbrück vom 27.1.1948.
[59] Privatarchiv Johanna Wischin-Mucha, A. Haider, „Hansi Eibensteiner“, erschienen in: Stimme der Frau, Nr. 12 vom 20.3.1984.
[60] IKF, Interview mit Johanna Vogl vom 1.4.1999.