OberösterreicherInnen im KZ Ravensbrück
Aus Oberösterreich kamen – zieht man den Geburtsort als Kriterium heran – knappe 12% der österreichischen Häftlinge in Ravensbrück.
Von den 141 in der Datenbank erfassten Personen, die zum Zeitpunkt der Verfolgung in Oberösterreich lebten, wurden 61% als „Politische“ von den Nationalsozialisten kategorisiert. Davon verstießen fast zwei Drittel gegen das sogenannte „gesunde Volksempfinden“, weil sie „verbotenen Umgang“ pflegten. Weitere fast 30% wurden wegen (vermeintlicher) krimineller Handlungen – überwiegend handelte es sich um Diebstahl, aber auch um (unterstellte) Abtreibungen
[1]
– nach Ravensbrück deportiert. Bei etwas mehr als einem Fünftel war politischer Widerstand als Grund für die Inhaftierung in Ravensbrück angegeben.
Verbotener Umgang Das NS-Regime regulierte den Kontakt mit „Fremden“ in § 4 der Wehrkraftschutzverordnung. [2] Als „verbotenen Umgang“ bezeichneten die Nationalsozialisten jeden Kontakt mit Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeitern, der dem so genannten „gesunden Volksempfinden“ widersprach. Das Volksempfinden wurde nicht nur durch Liebesbeziehungen gestört. Gespräche, kleine Handreichungen wie Unterstützung beim Wäschewaschen oder die Gabe von Zigaretten oder Brot reichten, um inhaftiert, verurteilt und deportiert zu werden. [3] Zur Verfolgung kam es fast ausschließlich aufgrund von Denunziationen, also aufgrund von Meldungen durch NachbarInnen und ArbeitskollegInnen. So war es auch im Fall von Aloisia Hofinger, die von einem polnischen Zwangsarbeiter ein Kind erwartete; sie wurde von einer Magd, die am selben Bauernhof wie Aloisia arbeitete, verraten. Aloisia Hofinger wurde zunächst im Gestapo-Gefängnis in Linz inhaftiert, dann aber für die Entbindung entlassen. Vier Monate später wurde sie abermals inhaftiert und nach Ravensbrück deportiert, von wo sie nach einem Jahr entlassen wurde. Im Durchschnitt verbrachten die wegen „verbotenem Umgang“ inhaftierten Frauen 19 Monate in Gefängnis und Konzentrationslager. [4] Die polnischen Zwangsarbeiter und russischen Kriegsgefangenen mussten für dieses Delikt meist mit dem Leben bezahlen. [5] So auch der polnische Zwangsarbeiter Jozef, der Vater von Aloisia Hofingers Tochter. Sie begegneten sich ein letztes Mal im Gestapo-Gefängnis:
[1] Vgl. Sylvia Köchl, Christa Putz, Kriminell – ein Leben lang. Bestrafung und Verfolgung zweier Welserinnen vor, während und nach dem Nationalsozialismus. In: Stadt Wels (Hg.): Nationalsozialismus in Wels, Band 2 (Wels 2012) S. 203-221. [2] Die „Verordnung zur Ergänzung der Strafvorschriften zum Schutz der Wehrkraft des Deutschen Volkes“ trat am 25. November 1939 (RGBl. I, 2319) in Kraft. Es besagt: „(1) Wer vorsätzlich gegen eine zur Regelung des Umgangs mit Kriegsgefangenen erlassene Vorschrift verstößt oder sonst mit einem Gefangenen in einer Weise Umgang pflegt, die das gesunde Volksempfinden gröblich verletzt, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft. (2) Bei fahrlässigem Verstoß gegen die zur Regelung des Umgangs mit Kriegsgefangenen erlassenen Vorschriften ist die Strafe Haft oder Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Reichsmark.“ [3] Vgl. Helga Amesberger, Brigitte Halbmayr, Nazi Differentiations Mattered: Ideological Intersections of Sexualized Violence during National Socialist Persecution. In: Esther Hertzog (Hg.), Life, Death and Sacrifice. Women and Family in the Holocaust (Jerusalem/New York 2008) S. 181-196, hier S. 184. [4] Amesberger, Halbmayr, Nazi Differentiations Mattered, S. 185. [5] Gabriella Hauch, “… das gesunde Volksempfinden gröblich verletzt“. Verbotener Geschlechtsverkehr mit „Anderen“ während des Nationalsozialismus’. In: Hauch Gabriella (Hg.): Frauen in Oberdonau (Linz, 2006) S. 245-270. [6] Aloisia Hofinger, IKF-Interview von Helga Amesberger (1998).
Verbotener Umgang Das NS-Regime regulierte den Kontakt mit „Fremden“ in § 4 der Wehrkraftschutzverordnung. [2] Als „verbotenen Umgang“ bezeichneten die Nationalsozialisten jeden Kontakt mit Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeitern, der dem so genannten „gesunden Volksempfinden“ widersprach. Das Volksempfinden wurde nicht nur durch Liebesbeziehungen gestört. Gespräche, kleine Handreichungen wie Unterstützung beim Wäschewaschen oder die Gabe von Zigaretten oder Brot reichten, um inhaftiert, verurteilt und deportiert zu werden. [3] Zur Verfolgung kam es fast ausschließlich aufgrund von Denunziationen, also aufgrund von Meldungen durch NachbarInnen und ArbeitskollegInnen. So war es auch im Fall von Aloisia Hofinger, die von einem polnischen Zwangsarbeiter ein Kind erwartete; sie wurde von einer Magd, die am selben Bauernhof wie Aloisia arbeitete, verraten. Aloisia Hofinger wurde zunächst im Gestapo-Gefängnis in Linz inhaftiert, dann aber für die Entbindung entlassen. Vier Monate später wurde sie abermals inhaftiert und nach Ravensbrück deportiert, von wo sie nach einem Jahr entlassen wurde. Im Durchschnitt verbrachten die wegen „verbotenem Umgang“ inhaftierten Frauen 19 Monate in Gefängnis und Konzentrationslager. [4] Die polnischen Zwangsarbeiter und russischen Kriegsgefangenen mussten für dieses Delikt meist mit dem Leben bezahlen. [5] So auch der polnische Zwangsarbeiter Jozef, der Vater von Aloisia Hofingers Tochter. Sie begegneten sich ein letztes Mal im Gestapo-Gefängnis:
„Und da sind ein paar Männer da gestanden und da bin ich gestanden, ein jeder mit dem Gesicht zur Mauer und finster, kein Licht hat gebrannt. Ich steh da so und hab doch alleweil [immer] ein bisschen auf die Seite geblinzelt. Auf einmal steht da der Jozef neben mir und macht so [Aloisia Hofinger macht eine Handbewegung]. Mein Gott, ich hätte so viel schreien können, wie ich das gesehen hab. Aber ich hab ja nicht dürfen. Hat er mir gedeutet, dass er aufgehängt wird.“ [6]Von 85 von insgesamt 142 oberösterreichischen in Ravensbrück inhaftierten Frauen und Männern kennen wir das weitere Schicksal. 26 (18% von 142) sind sicher während der Verfolgung umgekommen, 59 (42%) haben sicher überlebt.
[1] Vgl. Sylvia Köchl, Christa Putz, Kriminell – ein Leben lang. Bestrafung und Verfolgung zweier Welserinnen vor, während und nach dem Nationalsozialismus. In: Stadt Wels (Hg.): Nationalsozialismus in Wels, Band 2 (Wels 2012) S. 203-221. [2] Die „Verordnung zur Ergänzung der Strafvorschriften zum Schutz der Wehrkraft des Deutschen Volkes“ trat am 25. November 1939 (RGBl. I, 2319) in Kraft. Es besagt: „(1) Wer vorsätzlich gegen eine zur Regelung des Umgangs mit Kriegsgefangenen erlassene Vorschrift verstößt oder sonst mit einem Gefangenen in einer Weise Umgang pflegt, die das gesunde Volksempfinden gröblich verletzt, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft. (2) Bei fahrlässigem Verstoß gegen die zur Regelung des Umgangs mit Kriegsgefangenen erlassenen Vorschriften ist die Strafe Haft oder Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Reichsmark.“ [3] Vgl. Helga Amesberger, Brigitte Halbmayr, Nazi Differentiations Mattered: Ideological Intersections of Sexualized Violence during National Socialist Persecution. In: Esther Hertzog (Hg.), Life, Death and Sacrifice. Women and Family in the Holocaust (Jerusalem/New York 2008) S. 181-196, hier S. 184. [4] Amesberger, Halbmayr, Nazi Differentiations Mattered, S. 185. [5] Gabriella Hauch, “… das gesunde Volksempfinden gröblich verletzt“. Verbotener Geschlechtsverkehr mit „Anderen“ während des Nationalsozialismus’. In: Hauch Gabriella (Hg.): Frauen in Oberdonau (Linz, 2006) S. 245-270. [6] Aloisia Hofinger, IKF-Interview von Helga Amesberger (1998).