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Meine Mutter musste Deutsch lernen, weil sie hier leben musste. Aber mein Vater hat nie Tschechisch gelernt. Er konnte nur einen Satz und den werde ich nie vergessen. Wenn wir Kinder zu der Mutter tschechisch gesagt haben:– das heißt “ich kann nicht mehr”, dann hat mein Vater gesagt: Ja ti pomusu – “Ich werde dir helfen”. Das war alles, was mein Vater auf Tschechisch sagen konnte. Aber wenn wir Kinder mit der Mutter allein waren, haben wir tschechisch gesprochen. Und wenn der Vater zu Hause war, mussten wir deutsch sprechen. Und es ist eigentlich ganz gut gegangen, die Ehe war gut. Sie waren 50 Jahre verheiratet, obwohl es am Anfang keine andere Verständigungsmöglichkeit gab außer der Liebe. Und wir sind selbstverständlich dann auch in die Tschechische Schule gegangen, im 3. Bezirk, und ich habe von allem Anfang an nur einen Wunsch gehabt, dass ich einmal studieren kann. Das war mein großer Wunsch. Aber meine Mutter hat gesagt: das kommt nicht in Frage, eine Frau gehört in einen Haushalt, soll wenigstens nähen und gut kochen können und dann wird sie sowieso heiraten und das waren die einzigen Diskussionen zwischen meinen Eltern, weil sie sich geweigert haben, mich studieren zu lassen. Sie wollte, dass ich die Schneiderei erlerne. Mein Vater war ein Marktfahrer und wir waren heute da und morgen dort und sonst sind wir herumgezogen im ganzen Österreich, als Marktfahrer. Und wir waren 12 Geschwister. Ich bin eigentlich bei meiner Großmutter aufgewachsen. Und die hätte mich am liebsten in einer Vitrine eingesperrt. – Ausgestellt, oder? – Da hat sie für mich gebacken, da hat sie für mich heute das gemacht und morgen jenes. Ich bin rundherum verwöhnt worden, ein glücklicher Mensch, Schläge oder Schimpfwörter habe ich überhaupt nicht gekannt. Eine schöne Kindheit habe ich gehabt. Wo die schönsten Plätze waren, z.B. in Kärnten, wo die Seen überall sind, da sind wir überall gestanden. Na, wir Kinder hinein ins Wasser, ein Haufen Kinder, nur wir haben halt andere Sitten gehabt, wenn wir mit den Buben schwimmen gegangen sind, so sind wir nicht im Badekostüm ins Wasser gegangen, sondern mit dem ganzen Gewand, weil das bei uns so Sitte war. Da hat sich keiner ausgezogen. Es war wunderschön halt… Ich wurde als lediges Kind einer Mutter geboren, die als Ziehtochter bei einem Bergbauern aufwuchs. Und ich wuchs in dieser Familie mit auf, und die Mutter war wie eine Magd auf diesem Bauernhof. Sie hat keinen Reichtum gehabt, nur zwei Schafe. Wenn diese Schafe Junge hatten, hat sie sie verkauft. Sonst hat sie nichts gehabt. Der Vater hat mich nicht annehmen wollen. Die Vaterschaft hat er unterschreiben müssen, aber die Alimente für das Kind hat er der Mutter nie bezahlt. Und da musste sie mich alleine aufziehen und versorgen. Das war noch gut, dass sie als Ziehtochter auf dem Bauernhof aufgewachsen ist und dort gelebt hat, und dass sie dort ein bisschen leichter mit den Kindern durchgekommen ist. Die Mutter hat dann geheiratet im 33er Jahr. Und dann waren wir in der ganzen Familie sieben Kinder. Der Stiefvater, der hat mich dann angenommen. Ich kann nicht sagen, dass ich irgendwie benachteiligt worden bin. So bin ich mit der Familie dann aufgewachsen. Ich bin das fünfte Kind eines Ehepaares mit Namen Thaller. Wir haben keine schöne Kindheit gehabt, die Wohnung war zu klein, aber die Eltern haben uns liebevoll betreut, sodass uns trotz allem eigentlich nichts abgegangen ist. Wir haben gehabt, was wir brauchten. Im 2. Lebensjahr bin ich an spinaler Kinderlähmung erkrankt, habe seither eine kraftlose linke Hand. Ich bin dann in Volksschule und Hauptschule gegangen, habe das Zeugnis mit Vorzug abgeschlossen, habe dann ein Jahr Nähen gelernt. Wie der Vater die Bibel ins Haus bekommen hat, war ich noch in den Windeln. Die Bibel ist dort auf dem Tisch gewesen und jeder konnte hineinschauen. Solange ich nicht lesen konnte, war es für mich auch nicht interessant. Erst nachher, als ich lesen konnte. Der Vater hatte auch die Hefte “Wachturm” und “Erwachet” abonniert gehabt. Das was heute “Erwachet” heißt, hat damals “Das goldene Zeitalter” geheißen und dort sind so schöne Gedichte drinnen gewesen. Und da ich beim Lesen sehr faul war- ich habe in der Schule kein einziges Lesebuch durchgelesen, während des gesamten Schuljahres – ich habe immer nur die kleinen Strophen herausgesucht. Die habe ich gerne gelesen, sogar fünfmal. Aber ich habe nicht alles durchgelesen wie wir es hätten tun sollen. Es hat mich auch niemand dazu angehalten. Der Vater hat nur geschaut, dass die Zeugnisse in Ordnung sind das war´s. Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie, ich und vier Geschwister, es war nicht immer rosig, es war recht zum Sparen. Der Vater war recht streng, wir sind sehr streng erzogen worden. Und dann aus der Schule gekommen, naja, das war eine Belastung fürs Haus, haben wir halt fortmüssen. Bin ich zu meinem Nachbarn, zum Bauern, und dort war eine Tochter meine Firmpatin, aber ich war nicht für die Landwirtschaft gemeldet, ich war nur so dort, damit eine weniger zum Essen zu Hause war. Ich bin in Wien geboren als Mischling, der Vater Jude, die Mutter Christin. Die Mama ist bei ihrer Heirat übergetreten in die mosaische Religion und so waren wir dann nach 1935, wie das Gesetz draußen war, das ja nur für die Mischlinge gegolten hat: Wer an diesem Stichtag die mosaische Religion gehabt hat, war Jude. Da gab es “Mischlinge ersten Grades” und “Mischlinge zweiten Grades”, die nicht der mosaischen Religion angehörten, also entweder getauft oder ohne Bekenntnis waren, das waren die sogenannten “arischen Mischlinge”, die den jüdischen Elternteil schützen konnten. Ich habe ganz normal die Volksschule und Hauptschule besucht und ich habe eine sehr, sehr glückliche Kindheit gehabt. Ich habe noch einen jüngeren Bruder, wir sind aber nicht religiös erzogen worden. Wo ich als Friseurin gearbeitet habe, die haben auch weniger zu tun gehabt, in der Zeit, da hab ich nur Samstag, Sonntag gearbeitet. Und da habe ich begonnen, zuerst noch unter meinem ledigen Namen, für die Tschechische Arbeiterzeitung zu schreiben. Und ich hab geschrieben, so wie der Staberl, Artikel, Gedichte, zum Wochenende eine kleine Liebesgeschichte. Die Tschechische Arbeiterzeitung war eine Zeitung, die täglich erschienen ist und meine Schwiegermutter hat sie ausgetragen. Die wurde ausgetragen, in jedem Bezirk von jemand anderen, in allen Bezirken Wiens. Wir sind mit Fahrrädern bis Preßburg gefahren in der Nacht -dort hat man illegal die Arbeiterzeitung gedruckt -Der (Otto) Bauer und die ganzen Größen waren in Brünn- und dort hat man illegal, aber auf Deutsch, die Arbeiterzeitung gedruckt. Das waren so kleine Hefterln, die hat man leicht zusammenrollen können. Und da sind wir immer rüber gefahren und da haben wir einen Treffpunkt im Wald bei Preßburg gehabt, da waren die Grenzen nicht so dicht besetzt wie jetzt. Und da haben die Kommunisten auch eine illegale Zeitung gehabt, die hat Stern oder Rote Fahne oder irgendwas geheißen, das weiß ich gar nicht mehr genau. Und da ist dann einer gekommen und hat gefragt, ob wir das nicht auch mitnehmen wollen. Und mein Mann hat so große dicke Griffe auf die Fahrräder gemacht und auf der einen Seite haben wir eingerollt gehabt die Kommunistische Zeitung und auf der anderen Seite die Sozialistische. Und das haben wir dann übergeben -ich vergess‘ jetzt alle Namen- im dritten Bezirk hat es eine Gemeinderätin gegeben. Es war Friede durch die Bank, aber der Hitler, der hat alles umgeschmissen. Der Nachbar ist in der Früh gekommen, da hat er schon ein Hakenkreuz an der Wand gehabt, aus Holz und dann hat er Fichtengrün drüber gehabt. Wir haben nur gestaunt und uns gewundert: Waren früher so Sozialisten und auf einmal ist das Hakenkreuz an der Wand! Das haben wir nicht verstanden, und bis heute bin ich nicht so weit, dass ich sag: Ja, wieso haben die das getan? Weil der Sohn vom Nachbar wäre ums Haar ein sozialistischer Bürgermeister geworden! Und dann haben sie das Hakenkreuz an der Wand. Das kannst du dir einfach nicht vorstellen, dass es so geht. Und 38 ging ich noch in die Schule, als dieser 12. März gekommen ist. Damals gab es kein Radio, Zeitungen auch nicht, waren wir so ohne Nachrichten überall. Ein Armer hat sich das auch nicht anschaffen können, ein Radio oder was. Kommt man in die Schule in der Früh. Ja um Gottes Willen, alles war anders! Der Lehrer erzählt uns, was über die Nacht geschehen ist, dass Österreich von den Deutschen Truppen befreit ist und dass es uns besser gehen wird und so, und dass es vereinigt wird mit dem Großen Reich und so. Das erste, was dann auch war, hat er uns gelernt wie wir singen sollen, ich weiß noch das Lied: Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt, diese Hymne. Und etwas weiß ich auch noch: Wir werden weiter marschieren, bis alles in Scherben fällt, denn heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt. Und dieses Lied wurde auch dann in Ravensbrück gesungen. Wo wir dann zur Arbeit marschiert sind. Ja, also ich bin ja noch in die Schule gegangen, als der Einmarsch war im 38er Jahr bin ich ja noch in die Schule gegangen, die sind im März gekommen. Ich hab ja einen jüngeren Bruder auch und am nächsten Tag hat uns der Schulwart gar nicht mehr in die Schule hineingelassen. Und das ist das Phänomen- wenn wir zusammengekommen sind mit den Leuten aus den Konzentrationslager hat mich die Französin gefragt: Wieso hat man gewusst, dass ihr Juden seid? Da habe ich gesagt: Ja, das steht bei uns im Geburtsschein. Und das gibt es in Frankreich nicht. Da steht keine Religion drauf. Und darum – nehme ich an – konnte die Resistance so groß werden weil niemand das Bekenntnis wusste – außer ein Nachbar wusste es und hat dich angezeigt. Aber sonst wussten die Deutschen nicht, wer Jude war und wer nicht. Und ich hab müssen zu ihnen von meiner Wohnung, das war bei der Schlachthausgasse über den Kardinal Nagl-Platz, das ist ein Park, ich weiß nicht, ob ihr euch im dritten Bezirk auskennt, hab ich müssen rübergehn zu meinen Eltern. Und war am Weg zu meinen Eltern und knien dort auf der Straße Juden. Und ringsherum SA-Leute, lauter junge Burschen, lauter Österreicher, ja, spucken, schimpfen, treten, -Kinder waren dabei, alte Menschen- und dort kniet ein jüdischer Arzt. und ich kann mich an den Arzt nicht erinnern, sondern von der Nachbarin meiner Eltern. Ihr Mann war arbeitslos und dieser Arzt hat alle Arbeitslosen umsonst behandelt, und diese Frau Tacho, die ich sehr gut gekannt hab, ist immer gekommen und hat gesagt: Nicht nur, dass er uns umsonst behandelt, er schenkt mir für die Kinder auch Medikamente. Und der Arzt kniet dort und ich hab mich dann nicht beherrschen können, so wie zu Hause nicht und so wie meine Mutter nicht, und habe zu ihm gesagt: Schämen Sie sich nicht? wissen Sie, wen Sie da treten und schlagen? Das ist ein Arzt, ein guter Arzt, der die Arbeitslosen -vielleicht waren Sie auch arbeitslos- umsonst behandelt hat! Und den treten Sie jetzt? Und er sagt zu mir: Naja, sind Sie auch Jüdin, dann knien Sie sich dazu. So ein richtiger Erdberger Dialekt: Knien Sie sich dazu. Und ich hab gesagt: Ich bin keine Jüdin, aber das ist eine Gemeinheit, was Sie machen! Daraufhin sagt er: Dann knien Sie sich dazu, sonst hole ich die Gestapo. Da bin ich weggegangen. Mein Vater war nicht zu Haus, der Mutter hab ich das nicht erzählt. Und am Abend hab ich zu meinem Mann gesagt: Du stell dir das vor! Da kann man nicht ruhig sein, wenn wir da nichts unternehmen, dann sind wir ja mitschuldig an allem, was passiert! Naja, 1938, 1939 sind wir in Salzburg gestanden, dann ist halt über die Nacht die Polizei gekommen mit Lastautos, da haben wir müssen alles stehen lassen und wir haben auch Hunde gehabt und Pferde, das haben sie uns alles weggenommen, und wir sind dann da in eine Art Sammellager. Und da waren wir vier Woche in dem Sammellager und da hat es geheißen, wir kommen nach Polen. Und Polen hat uns aber nicht angenommen. Da haben sie draußen in Salzburg so richtige Baracken gemacht für so eine Art Sammellager. Und da sind sie halt von kreuz und quer, die Zigeuner, von Tirol, von kreuz und quer zusammengesammelt worden und in Maxglan in das Lager. Und da haben wir müssen arbeiten, Kind und Kegel hat müssen arbeiten und da waren so kleine Boxen da und da war überall so eine Familie drinnen, nicht. Die Wohnung von uns hat die Nachbarin bekommen, weil sie hat sie gewollt. Die hat ja bei der Partei angesucht um die Wohnung und die hat sie gekriegt mit Inventar. Und wir mussten in den zweiten Bezirk suchen gehen, wer uns auch immer genommen hat. Denn wenn die sagte: Wir haben zu wenig Platz – wir waren zu dritt- dann mussten wir weitersuchen. Dann bekamen wir die erste Wohnung in der Praterstraße. Das war eine 2 1/ 2-Zimmer –Wohnung. Und weil die Mama keine Jüdin war – alles unter der Kontrolle der Gestapo, alles was ich hier erzähle war unter der Kontrolle der Gestapo – eben weil die Mama keine Jüdin war, bekamen wir drei das Kabinett. Wir waren dann in der Wohnung so acht Tage später 34 Personen. Und also, zimmermäßig schläfst du halt auf der Erde oder sonst was aber es war halt die Toilette, das Bad und die Küche, das war mit dem Einteilen ein Jammer. Aber du kommst auch aus die Mama hat einen Sparherd gekauft und da hat sie auch gekocht im Kabinett drinnen. Also ich täte sagen: Die Altwarenhändler haben zu dieser Zeit das beste Geschäft gemacht, was du dir vorstellen kannst. Weil man hatte keine Möbel, man brauchte ein Bett und dies und das, und einem Jahr hatten die Altwarenhändler auch nichts mehr zu verkaufen und etwas Neues konntest du dir nicht kaufen. Das war die erste Wohnung. Und wenn die Gestapo gekommen ist und einem hat die Wohnung gefallen, dann waren wir alle 34 draußen. Binnen zwei Stunden, ohne Inventar, nur mit einem Koffer und aus. Auf jeden Fall ist da die Leni Riefenstahl nach Salzburg gekommen in das Sammellager und da hat sie mich halt ausgesucht und mehrere so Leute. Und dann bin ich nach Mittenwald gekommen. Bei der war ich vielleicht ein halbes Jahr, oder länger, genau weiß ich nicht. Da hat sie halt einen Film gedreht. Von den Zigeunern. Da waren ein paar Zigeuner dort, eine lebt noch und da, das Bild das ich Ihnen gezeigt habe, die war dabei, sonst ist eh keiner da. Die Leute sind alle ausgestorben. Da hat sie einen Film gedreht und da hat mir meine Mutter geschrieben sie kommen weg, so war das, aber wohin weiß sie nicht und da bin ich dann davongerannt. Bei meiner Mutter und da haben sie mich schon vorher erwischt, und dann haben sie mich nach Rosenheim gebracht. und da haben sie mich dann in Salzburg zur Kriminalpolizei hingebracht ins Gefangenenhaus. Und da hat mich die Helene Riefenstahl noch besucht, sie hat gedacht ich tu da knierutschen, jung, dumm war ich auch, ich soll sie bitten um Verzeihung, dies und das, das habe ich aber nicht gemacht, hat sie gesagt: rein ins KZ, und dann bin ich halt gegangen ins KZ . Wofür hätten sie um Verzeihung bitten sollen? Na ja weil ich davongerannt bin von dem Film, da hat es geheißen, das ist Arbeitssabotage. Was habe ich denn schon gewusst von politischen Sachen oder irgendwas. Und dann bin ich ins Konzentrationslager gekommen nach Ravensbrück. Und mit 16 Jahren bin ich dann zum Arbeitsdienst gekommen. Das hat ein halbes Jahr gedauert. Da ist es mir sehr gut gegangen. Das war im Jahr 1939/ 1940. Dann wollte ich eine Lehre anfangen, das ist mir aber dann nicht gelungen, weil mich der Vater wieder ein bisschen weggeschickt hat, wieder zu einem Bauern – ich sag es nicht so genau – . Dort hat es mir eigentlich gefallen und dort habe ich dann meinen Polen kennengelernt. Er hat Josef geheißen und ich habe ihn gesehen und ich habe mir gedacht : “Es ist vorbei mit mir.” Obwohl es der erste Mann war für mich, aber für mich war es so. Und dann ist es ein Partisanengebiet geworden, da sind viele, die früher schon beim Militär waren, desertiert, haben sie kein Ziel beim Militär gehabt, um zu kämpfen, sind sie lieber in den Wald. Und so sind die Partisanen immer stärker geworden. Und viele waren auch solche, deren Familien ausgesiedelt worden sind, und so sind nachher viele deswegen vom Heimaturlaub gleich in den Wald und irgendwie eine Verbindung bekommen. Und die unten im Tal waren, da haben viele gemeint: Ja, die da oben helfen den Partisanen und wir waren alle so junge Mädchen, wir haben überhaupt nicht so einen engen Kontakt mit den Partisanen gehabt. Nur so: Sie sind nur hie und da gekommen und haben um irgendeine Kleinigkeit gebettelt, was wir ihnen reichen sollten, da haben wir nie etwas anderes geben können wie höchstens ein paar Kartoffeln oder eine Kleinigkeit vom Brot. Weil wir haben ja für uns selber auch nichts anderes gehabt. Und die Deportationen haben angefangen und was machst du…Auch heute, wenn du redest von den Deportationen, nehmen die meisten an, das sind Erwachsene, und da waren ja auch Kinder dabei. Weiß ich nicht, warum man da nicht da dran denkt. Und das sag ich ja auch immer wieder: Vergesst nicht, da waren Kinder dabei! Und jetzt haben wir begonnen — es gab schon Lebensmittelmarken – und auf den jüdischen Lebensmittelmarken, die mein Bruder und ich hatten, war nichts drauf außer Brot und Kartoffeln. Die Mamma hatte arische Lebensmittelmarken und damit schlugen wir uns so durch. Und jetzt begannen wir vom Widerstand – zu Leuten, die ebenfalls im Widerstand und keine Juden waren, also normale Lebensmittelmarken hatten, oder zu Leuten die uns kannten –so richtig betteln sind wir gegangen um ein Stück Brot und um Zucker. Also für uns war der Zucker wichtig. Da haben wir so kleine Packerln gemacht und haben sie in die Sperlgasse in die Schule geschickt, wo die zur Deportation bestimmten drinnen waren. Wenn die Schule voll war, dann haben sie sie entweder an den Nordbahnhof oder an den Aspangbahnhof gebracht und dort sind sie dann in den Viehwaggon weggekommen. Und der Zucker war uns wichtig für die Kinder. Das ist aber zwei, drei Monate gut gegangen, bis…Hinein haben wir ja nicht gekonnt, in die Schule, wir mussten immer warten, bis jemand herauskommt, haben wir die Packerl hineingeschickt in die Schule, bis dann eines Tages die Gestapo hinter uns gestanden ist und uns verhaftet hat. Na, und dann, ich hab gerade meines Vaters Jacke ausgebürstet und der Gestapo fragt: “Gehörst du auch zum Bibelforscherquatsch?” Und ich sag:“ Ja, ich glaub an Jehova Gott.” Und dann sagt er zu mir: “Zieh dich um und gehst mit!” Na gut, nicht einmal überrascht war ich davon. Die Feiglinge, die Starken haben vor mir mit 21 Jahren Angst gehabt! Stellen Sie sich das vor! Deswegen haben sie mich eingesperrt! Keinem einzigen Menschen im Dorf habe ich ein böses Wort gesagt. Die Kinder sowieso nicht und die Eltern hat man respektiert. Also gut, an dieser Tür zu diesem teilweise offenen Balkon, da haben nur zwei Parteien den Schlüssel gehabt, hat‘s geläutet und ich mach auf und stehen zwei große Männer – nicht in Uniform, normal angezogen, auch in keiner SS und SA-Uniform – und ich sag: “Da läuten sie falsch, wir kaufen nichts. ” und mach wieder zu. Die läuten wieder und ich sag: “Ich hab Ihnen schon gesagt, wir kaufen nichts und wir haben auch nichts zu verkaufen!” Der hat die Tür aufgehalten und hat gesagt: “Gestapo.” Ich hab gesagt: “Bitte, darf ich das Kind zu meiner Nachbarin geben, die war Tür an Tür, die soll‘s zu meiner Mutter bringen?” Hat er gesagt: “Na kommt nicht in Frage, Sie gehen ja nicht jetzt nach Hause, außerdem müssen Sie ja das Kind stillen, das Kind nehmen wir mit!” Und jetzt bin ich mit dem Kind, sie mit den Koffern und mit dem Wäschekorb, runter ins Auto und bin auf die Gestapo gekommen. Ich versuchte ein Jahr lang nichts mit dem Polen anzufangen. Hier hab ich es aufgeschrieben. Und dann passierte es und ich wurde schwanger – 1942 – Schwangerschaft, Josef wurde verhaftet und wurde zur Gestapo nach Linz gebracht. Und ich wurde vom Bruder meiner Firmpatin in Schutz genommen und er nahm mein Kind an. Das habe ich noch gar nicht gesagt. Dadurch haben sie mich aus der Haft entlassen und ich konnte zu Hause entbinden. “Also er übernahm die Vaterschaft für das Kind, oder?” Ohne…nur aus Nächstenliebe. Und dann hat er immer gesagt: “Lassen Sie der Frau das Kind halten, das ist eine Fürsorgerin! Ist es Ihnen zu schwer?” Du, das Kind war so brav, das hat oft am Vormittag geschrien, das hat keinen Muckser gemacht! Im Juli wurde es geboren und das war im Oktober! Am 14. Hab ich gesagt: “Nein, nein, das ist mir nicht im Weg!” Dann hat er gesagt: “Aber wissen Sie, ich hab Hunger, ich will jetzt essen gehen, es ist Mittag geworden und ich hab noch so viel, was ich noch von Ihnen wissen muss, Sie müssen warten, bis ich vom Essen zurück komm.” -Und ich hab geglaubt, ich bleib dort, nicht! – “Und man wird Sie von dem Zimmer wegführen, aber Sie müssen unterschreiben, was Sie ausgesagt haben.” Naja, ich halt das Kind, geh zu dem Tisch – er ist bei dem Tisch gesessen, hinter einem Schreibtisch – und ich bin auf einem Sessel gesessen. Ich geh hin und nehm‘ die Feder, halt das Kind, die Frau reißt mir das Kind aus der Hand, und ich will ihr nach, in dem Augenblick, wo ich ihr nachwill, stehen zwei SS-Leute mit Revolver dort und schlagen mit den Revolvern zurück. Das Kind hat zum Brüllen angefangen, hat gebrüllt, und wie die Frau über die Stiegen gegangen ist, hat es ständig “chchch”, also wie wenn das Kind nur mehr röcheln tät – also ich war verzweifelt! In der Haft, bei den Verhören, so gedemütigt, mein Gott! Was einem die ins Gesicht gesagt haben! Der war schon tot als ich ins Lager kam – da hat er nicht mehr gelebt. Da hab ich zum Doktor gehen müssen, da hab ich so ein Nagelgeschwür gekriegt, ganz ein furchtbares, ich hab so viel Schmerzen gehabt in der Nacht! Mein Gott, und ich wollte nicht zum Doktor, ich hab so viel Angst gehabt vor dem Doktor, bei der Gestapo da, aber es bleibt mir nichts anderes über, ich kann nicht, mir tut der Daumen so weh, ich muss zum Doktor gehn. Im Keller unten, da hat der Doktor unten gearbeitet, da sind ein paar Männer gestanden, und da bin ich gestanden, die Gesichter zur Wand, die Mauer finster, kein Licht, und ich steh halt so und da hab ich ein bisschen auf die Seite geblinzelt, und auf einmal steht der Josef neben mir und macht es so: Mein Gott! -Das hat eh der Bub hineingeschrieben – Ich hätte so viel schreien können, wie ich das gesehen habe. Naja, ich habe aber nicht dürfen. Am Nachmittag haben sie mich wieder raufgeholt und dann haben die Verhöre anders ausgesehen, ja! Ich hab gesagt: “Wo ist mein Kind? ” “Ist weg.” Hat er gesagt: “Wenn sie nichts aussagen, werden wir das Kind umbringen. Sie sind eh eine Verbrecherin.” Also, diese Verhöre, die ersten zwei Tage, die zwei Nächte war ich da unten im Keller, dann haben sie mich rübergefahren auf die Rossauer Lände, in das Polizeigefangenenhaus. Die haben mich schlagen können, wie sie wollten, ich hab behauptet: Er (mein Mann) hat nichts gewusst, dann war er sowieso in Berlin, in den Nakowitz war ich verliebt, in den war ich verliebt, die haben mir alle besser gefallen. Ich hab gelogen – und das Beste war, sie wollten Namen von mir. Mich hatte auch eine Frau verraten, die immer den Nakowitz und mich verständigte, wenn man Sabotageakte durchführte, die Holy – deren Mann wurde geköpft, die hat meinen Mann…Die wurde so geschlagen, dass sie Namen nannte. Und dann erhängte sie sich in der Zelle, weil sie so verzweifelt war, dass sie jemanden genannt hatte. Die hat mich reingebracht. Namen – und die sind schon gelaufen. Also kurz und gut, — das furchtbare war, ich bin immer dann bewusstlos geworden, wenn sie mich dann so geschlagen haben, hat mir die Brust so wehgetan, Fieber habe ich gehabt, ich bin bewusstlos geworden. Dann haben sie mich mit kaltem Wasser angeschüttet. Und da war ich immer ganz da. Da habe ich immer sofort gewusst: Was ist jetzt los! Also diese Verhöre haben sich gezogen fast drei Monate Und kommt der 18. August, haben wir angefangen den Weizen zu schneiden auf einem steilen Hang, nur so mit den Händen, so haben wir damals gearbeitet. Ach, wir haben so weit runter gesehen, waren so Wiesen, steile, dass unten im Schatten sich etwas bewegt, dass jemand unten ist. Na und wir haben fleißig weiter gearbeitet. Und nach einer guten Stunde oder eineinhalb Stunden, stehen diese Gestalten auf und haben sich uns herauf zu genähert. Haben wir irgendwie Angst gehabt, weil du hast ja nicht gewusst, was passiert und was wird und wer es ist und gar nichts. Und wir arbeiten weiter und schauen immer, was wird. Und immer näher kamen sie zu uns rauf, kommen sie rauf, haben sie uns gegrüßt dort und gleich nach den Namen gefragt: “Wie heißen Sie, wie heißen Sie?” Ja, hab ich den Namen gesagt und auch die Schwester. Und ich war das ledige Kind, hab einen anderen Familiennamen gehabt wie die andere Schwester. “Sofort aufhören zu arbeiten und wir müssen Sie mitnehmen nach Haus und mit nach Klagenfurt.” Ach, das war schrecklich, das war so schrecklich. So haben wir alle geweint, die Mutter hat so geschrien, dieses Geschrei höre ich noch heute, die kleinen Schwestern! Kommen wir dann nach Hause hinunter, da wurde uns gesagt: “Ja, braucht ihr gar nichts mitnehmen, morgen kommt ihr eh schon zurück. Wir brauchen sie nur für eine kleine Besprechung. Na und am 15. Mai ist dann alles zusammengenommen worden, die Gestapo hat ihr Gefängnis angestopft, noch und noch, verschiedene Frauen, da ist dann der Gestapo gekommen und hat dann eingeteilt, wohin wir geschickt werden, gell. Und eine Grafensteinerin, die ist schon gestorben, die hat gelesen: Ravensbrück. Und wir haben ja nicht gewusst, wo Ravensbrück ist, weil es ja nicht in Österreich war. Acht Tage später sind wir dann auf Fahrt gegangen, von Klagenfurt nach Marburg, von Marburg nach Wien, und dann sind wir nach Berlin gekommen und in Berlin war jeden Tag Bombenangriff. Und ich hab zu Jehova Gott gebetet: “Ich bin schon bereit zu sterben, zur Verherrlichung Deines Namens, aber nicht durch Bomben. ” Durch Bomben wollt ich nicht. Und wirklich wahr, ich hab ganz vergessen: die drei Tage war kein Bombenangriff. Als wir am dritten Tag herausgekommen sind, da hat der Mann, der diesen Transport geleitet gesagt: “Ein Wunder, drei Tage kein Angriff auf Berlin!” Und da hat mein Herz erst gejubelt, ich hatte ja gar nicht daran gedacht, dass Jehova meine Bitte erfüllt hat. Na, und da waren wir ein paar Tage und dann sind wir schon auf den Transport nach Wien, von Wien nach Linz, von Linz nach Prag, von Prag nach Leipzig, Chemnitz waren wir, Dresden waren wir, überall nur zwei, drei Tage und immer mehr sind wir geworden, bis wir dann in Ravensbrück gelandet sind. Diese schwere Zeit…Wie wir bei Nacht dort in Fürstenfeld, oder wie er schon heißt dort dieser Bahnhof, gelandet sind, sind wir noch eine Zeit zu Fuß hingestapft, und da von weitem sehen wir schon dieses neue Zuhause dort, weil alles so beleuchtet war. Und sind wir dort vor diesem großen Tor gestanden, oberhalb stehen die Worte: “Arbeit macht frei.” Dieses große Tor war aus Eisen. Diesen Augenblick kann ich auch nicht vergessen, dieses schwere Tor, hat es sich geöffnet dort und wir waren auf einmal hinter diesen großen Riegeln drinnen. Alles war finster, war ja alles verdunkelt dort, und ja kein Licht gebrannt nirgends. Mein Gott, und da hinauf auf die Lastautos! Raus, schnell, schnell, schnell, und im Laufschritt rennen und auf das Lastauto rauf, na, ich war jung, aber ich habe mir gedacht, da waren aber ältere Frauen dabei, aber da ist niemandem geholfen worden, die Aufseherin hat mit dem Hund nachgehetzt, das war einfach furchtbar, der Anfang, das war furchtbar! Man hat gar nicht denken können, ich hab einfach nicht denken können! Dann sind wir gefahren, alles war verschlossen, und dann sind wir halt in Ravensbrück angekommen. Bin da in den Waschraum gekommen, sagt sie: “Schau dich in den Spiegel”, hab ich mich in den Spiegel geschaut, hat sie meine Haare abgeschnitten… Kurz, oder?? Ganz, eine Glatze halt, so wie die Hand. Sie hat vielleicht geglaubt, ich tu vielleicht weinen, – ich hab gelacht, wie ich‘s gesehen hab im Spiegel, ich hab gelacht! Da hat sie sich geärgert, da hab ich‘s gleich gekriegt, mit der Hundepeitsche, dann hat sie mir solche großen Pantoffel gegeben, 40, und ich hab nur 37er, und dann ein ganz kurzes Kleid, was bis hierher gegangen ist. Und dann musste ich mit ihr Schritt mit ihr halten, bis ich auf den Zugangsblock kam, ein Pantoffel ist dahin geflogen, ein anderer dahin, weil ich mit ihnen nicht gehen hab können, weil man ja das nicht gewohnt ist, dann hab ich halt wieder Schläge gekriegt, bis in den Block hinein, bis in den Block hinein. Wir wurden in den Waschraum getrieben und wurden umgekleidet, in diese Kleider. Einige haben diese Koffer mitgehabt, ihre Sachen, und ich war ohne alles, kein Ding zum Waschen und gar nichts. Ach, wie das arg war! Ich weiß noch, ich war in dieser Zeit von Klagenfurt bis Ravensbrück unwohl, und da hab ich nur diese Hosen angehabt, und diese Hosen waren so vom Blut ganz trocken, ganz hart, dass ich ganz offen war zwischen den Beinen. Und seitdem habe ich keine Monatsblutungen mehr gehabt. Wir sind Auschwitz-Bahnhof angekommen. Sind dann vom Bahnhof zurück ins Stammlager, ist ca. ein Kilometer. Die vier Burschen sind dann von uns getrennt worden, wir haben dann erfahren, dass die vier im Stammlager erschossen worden sind, und wir sind dann zu Fuß nach Birkenau rüber: Und das war in der Nacht! Und dann um 8 Uhr in der Früh haben sie aufgesperrt und die SS ist hereingekommen und das waren nicht wenige. Männer und Frauen. Das erste war, wir haben uns an dem Tisch aufstellen müssen, einzeln, und ausziehen. –Aber soweit bin ich jetzt noch nicht— ja, und ich war die Zweite. Und ich sehe, die vor mir fängt sich komplett zum ausziehen an, dreh mich um, und die ziehen sich auch aus. Und ich sag zu ihr: “Erna, was macht ihr da?” Und die sagen: “Wir müssen uns ausziehen, hast du das nicht gehört?” Sag ich: “Nein, und ich ziehe mich auch nicht aus.” Und zwar, wenn ich bei der Gestapo raufgekommen bin zu den Verhören, sagt der dann eines Tages zu mir, ich soll vor seinem Schreibtisch auf und ab gehen und meinen Rock heben. Und ich hab mir nur gedacht: “Was will der Idiot von mir und hab es nicht getan.” Und er hat mir auch keine gezischt, weil ich es nicht getan habe und jetzt sind wir in Auschwitz draußen und ich muss mich ausziehen. Hab ich gesagt: “Nein, ich hab bei der Gestapo meinen Rock nicht gehoben und ich ziehe mich nicht aus. Und in dem Moment krieg ich schon eine geschmiert und die war nicht ohne, der hat mich nämlich am Ohr getroffen und mir ist das Trommelfell geplatzt. Und das tut sehr weh. Das vergeht dann nach ein paar Wochen, aber das tut sehr weh. Da müssen Sie wissen, es gab in Ravensbrück einen eigenen Strafblock. Vielleicht haben Sie das schon einmal gehört – die waren abgesondert, extra mit einem Stacheldraht. Die mussten Tag und Nacht arbeiten. Und da drinnen war meine Schwester – ein Jahr… das war so eine Frau, die konnte sich nicht beherrschen. Und wenn sie wieder einmal gemeckert hat, dann war sie schon wieder drinnen. Wir waren halt selten zusammen, sie war meistens im Strafblock. Und wenn sie ausrückte durfte sie nicht in meine Richtung schauen und ich nicht in ihre. Das war der Strafblock. Da mussten wir Sport machen, am Sonntag. Jesus, Maria und Josef, die alten Frauen und die Aufseherin dann noch mit dem Hund und mit der Peitsche, mit so Kisten, Nägeln und dies und das. Hinlegen, so halt wie die Soldaten. Marschieren, hinlegen, aufstehen und wieder weiter gehen. “Am Sonntag Nachmittag dann?” Ja halt am Sonntag. Der der liegen geblieben ist, der nicht mehr aufstehen konnte, der hat die Peitsche bekommen oder der Hund hat die dann sowieso verbissen. Und so haben sie mir die Arbeit zugeteilt, Büroreinigung habe ich ja wohl machen können, und das habe ich eineinhalb Jahre gehabt und zwar habe ich das Büro gehabt vom Schutzhaftlagerführer. Und das war derjenige Mann, der die Lager aufgestellt hat. Der hat eine große Landkarte gehabt, die habe ich ja wohl immer gesehen. Aber auf einmal war eine viel größere da. Und rundherum waren, auf zwei Zentimeter war schon wieder eine Stecknadel mit einem Fähnchen. Er ist sonst nie gekommen, das ganze Jahr habe ich ihn nicht gesehen, auf einmal macht er die Tür auf, ich war so überrascht, ich hab nicht einmal guten Morgen gesagt, denn das war ja dort nicht Brauch, und dann habe ich ihm gesagt: “Sagen Sie, was sind denn die Fähnchen da!” Also der hat so große Augen gemacht, dass ich so dumm bin und nicht weiß, dass das die neuen KZ sind! Na und dann hat er mir das gesagt. und ich sag: “Ja, dann habt ihr ja mehr Leute eingesperrt als daheim zur Arbeit!” Auf dem Absatz hat er sich umgedreht und war bei der Tür draußen, und in acht Tagen war ich nicht mehr dort, da hat man mir eine Arbeit zugeteilt, und das war dann bei der Entwesung, wo die Läuse waren. Ja und dann ist die Rosl (Rosa Jochmann)gekommen und die hat gesagt: Du paß auf, ich sag dir was. Du bist ja schon politisch versiert, aber ich war nicht politisch versiert, außer dass ich illegale Zeitungen geholt hab und das von Anfang an. Sie hat gesagt: Schau, wir bemühen uns die ganze Zeit, es sitzen auf führenden Posten und es gibt solche Posten im KZ, Asoziale, Grüne. Und wir bemühen uns da, Menschen – Politische unterzubringen. Nur, ausländische Politische müssen Deutsch können. Wir haben so eine Art Organisation gemacht, bemühen uns. Und wir haben noch niemanden, wir haben wohl Tschechinnen, tschechische Ärztinnen dort, wir haben tschechische Krankenschwestern dort, aber wir haben in der Schreibstube noch keine Deutsche, keine Österreicherin, eine Deutsche, aber keine Österreicherin. Und das ist so wichtig, da kann man jemandem helfen. Der Rosental sucht eine, die Maschinenschreiben kann, eine Kartei führen kann, Bestellungen ausführen kann und unter Umständen auch Anamnese machen kann und vor allem, der slawische Sprachen versteht, der überhaupt Sprachen versteht. Dass er dolmetschen kann für ihn. Du gehst hin und meldest dich und alles was er fragt, kannst du. Und eben 1944, wie sie angefangen haben zu evakuieren, da waren irrsinnige Selektionen. Ohne Selektion bist du gar nicht zum Transport gekommen. Entweder warst du in einem Nebenlager, wo es vielleicht möglich gewesen wäre, aber in Birkenau drüben war eine Riesenselektion und dann mussten wir noch 2 Tage warten, also die Blocks sind inzwischen zugesperrt worden, damit niemand hineingehen und sich verstecken konnte. Wir mussten zwei Tage warten, wir saßen im Schnee. –kalt war uns, zu essen haben wir nichts mehr gekriegt, auf die Waggons, bis die gekommen sind. Und dann ist neben mir- weißt du, irgendwann schläfst du ein – auch wenn du im Schnee sitzt. Als ich wieder munter werde, bestimmt nach einer halben Stunde, zehn Minuten, das weiß ich nicht, wie lange du da einschläfst, sitzt ein Kind neben mir, dieses Kind war zirka elf, zwölf Jahre, spricht nicht Deutsch und weint. Und ich rede mit ihr und sie versteht mich nicht. Sie spricht italienisch und ich habe sie auch nicht verstanden und erzählt mir noch etwas von Venedig. Und ich sage zu ihr: Schau wir gehen jetzt auf Transport und wenn wir gesund nach Hause kommen, nehme ich dich mit und dann werden wir deine Eltern schon finden. Sie hat mich eh nicht verstanden. Und wir sind schon drinnen in den Viehwaggons, und sie wird hinausgerufen und fährt ins Gas. Die hatten ja im Lager die berühmten Rotkreuzautos, wo den Leuten gesagt wurde, man würde sie ins Revier bringen. Man sagte, auch wer nicht gehen kann – per Lautsprecher, während der Riesenselektion – wer sich schwach fühlt, wer nicht gehen kann, soll sich melden. Der wird mit dem Auto gefahren. Die wurden genau bis zur Gaskammer gefahren. Und so sind sie entlang des Zuges gefahren und haben das Kind herausgenommen, das Kind wird vergast. Das war für mich so ein Schock, ich hatte schon eine Verantwortung übernommen, als ich sagte, dass ich sie mit nach Hause nehme. Und da hatte ich ja noch Typhus. Wir haben in dem Waggon, wir waren vielleicht 100, 150 Leute, der war bummvoll, nur einen Kübel gehabt, kein Wasser und nichts zum Essen. Und natürlich, ich habe noch Typhus gehabt, ich hätte fünf Kübel gebraucht und andere natürlich auch. In dem Waggon ist dir nur mehr schlecht geworden, denn da waren nur diese Dinger frei, wo die Kühe Luft bekommen, wenn sie im Waggon sind. Da sind wir durch Frankfurt an der Oder durchgefahren und da blieb der Zug stehen. Es müssen noch andere Waggons angekoppelt gewesen sein – mit verwundeten Soldaten. Da ging das Deutsche Rote Kreuz und teilte Wasser aus. Die wussten nicht, wer in den anderen Waggons war und da bekamen wir zwei Becher Wasser herein. Ich weiß nicht ob irgend jemand von diesen Bechern Wasser einen Schluck nehmen konnte. Die stürzten sich alle auf die Becher. Na, die wurden daneben ausgeschüttet. Und wir sind dann weiter gefahren und sind dann nach Ravensbrück gekommen. Ich weiß nicht, was es für ein Jahrgang war, wissen Sie, das war ein ganz strenges Lager – es war eh überall streng – und weil ich meine Schürze gewaschen habe und am Fenster in der Nacht aufgehängt, haben sie mir den Hund raufgehetzt, dass er mich umbringt. Da waren ja Hunde drinnen, dressierte Hunde, die die Menschheit fressen. Da haben sie mich da gebissen, da, da hinten kannst eine ganze Kinderfaust hineingeben und am Brust, am Kopf und überall. Und da waren halt zwei Frauen bei mir, intelligente Frauen, und die waren Kapo, aber die waren brave Frauen, brave Frauen, die haben keinem Häftling etwas angetan, die zwei Frauen, die sind dann aufgestanden und haben für mich um mein Leben gebettelt. Im Unterleib und überall und da hab ich mir gedacht das wird ein trauriger Tod sein, bis dass ich tot bin, bis sie mich da einmal am Hals erwischen wird. Und dann sind die Schmerzen schon so groß geworden und da habe ich die Faust in seinen Mund hineingegeben, dadurch konnte er mich nicht beißen und dann hat sie mich wieder geschlagen mit der Rute, mit der Hundepeitsche da, bis die zwei Frauen… Das war so um acht oder neun Uhr abends. Das war grauslich, der ganze Körper ist zerbissen von dem Hund. Aufs Krankenrevier habe ich mich nicht getraut, da hast du Spritzen bekommen und bist nicht mehr hinausgekommen und meine Tante hat gesagt: der eigene Urin ist das Beste und das habe ich dann halt immer gemacht, das habe ich immer darauf geschüttet, das hat halt fürchterlich gebrannt, aber das hat geheilt. Na und jetzt möchte ich noch zuerst über die Bibelforscher etwas sagen. Die Bibelforscher haben einen eigenen Block gehabt. Und die waren ja frei, die waren da nur integriert oder inerniert, oder wie sagt man denn, inter- griert Interniert. Aber sie haben freien Ausgang gehabt. Und die haben immer außerhalb vom Lager und haben für die Aufseherinnen die Zimmer sauber machen müssen. Und auf einmal hat es geheißen, sie müssen auch Appell stehen. Na, das ist eh klar, das war wieder etwas gewesen vom Hitler und sie haben gesagt, das befolgen sie nicht. Mein Gott, wie die Bibelforscher draufgezahlt haben. Die meisten sind gegangen, weil sie sich ja gar nicht helfen konnten. Und es waren halt etliche so verbissene Frauen, die halt wirklich an ihren Glauben gehalten haben, die haben sich hinaustragen lassen, die haben sie getreten, und in die Wasserlache, da hat es gerade recht geregnet, und in die Wasserlache haben sie sie reingestoßen. Eine von unserem Block, die haben sie sie verteilt in die Blöcke, überall haben sie ungefähr zehn hinein getan. Mein Gott, alle haben wir schon gesagt sie soll doch aufsteh‘n und mitgehen, aber die haben sie wirklich getreten und erschlagen. Sie ist nicht mitgegangen, sie hat gesagt, sie hat geschworen, so ist es aber mehreren ergangen, nicht nur der einen. Und von da an haben sie dann auch Appell stehen müssen und vorher haben sie das nicht gebraucht und das war halt für sie ganz furchtbar. Und ich hab bei mir eine Polin und sie haben ein illegales Geburtenbuch geschrieben und da hab ich die Kopie und da sind dann hauptsächlich polnische Kinder auf die Welt gekommen. Da haben wir auch die zwei gerettet, die Doujak Bernanda und den Rainer. Weil die sind im April gekommen, ich habe sogar den Taufschein aus Ravensbrück -“den habe ich gesehen, ja” – denen konnten wir helfen, weil es so spät war. Und da waren noch Kinder- ein Pole ist während der Zeit noch gerettet worden – ein Foto habe ich, aber mehr weiß ich nicht von ihm. Und dann sind etliche polnische Kinder gerettet worden, die schon auf die Welt gekommen sind, knapp bevor der Russe das Lager befreit hat und alle anderen, fast 500 sind verhungert, in diesem Geburtenblock. Und da hat der Treite gesagt wozu erschlagt man die Kinder, tötet man die Kinder, die verhungern ja eh. Und er hat recht gehabt. Ja und das Ärgste war das mit den polnischen Frauen, wie sie sie da massakriert haben. wie sie sie da operiert haben. Da haben sie ihnen in die Wunden etwas hinein gespritzt. Die haben sie dann ohne Betäubung operiert, weil sie sich geweigert haben. Dann haben sie sie in den Bunker hinein. Polinnen waren das Polinnen ja, mein Gott so schöne Frauen, das waren so schöne Frauen, bildhübsche Frauen waren das. Und da habe ich, irgendwo steht es da drinnen, dass sie sie sogar beobachtet haben, welche schöne Beine gehabt habe, haben sie ihnen das angetan. Und da bin ich dann hinaufgekommen zu Siemens. Und dort, ja nachdem ich kleine Hände gehabt habe, da sind Flugzeugbestandteile hergestellt worden. Eben weil ich die kleinen Hände gehabt habe für die kleinen Sachen, bin ich zum Spritzen gekommen, sagen wir halb eins, eins in der Früh, bin ich ihnen immer zusammengefallen, ich war ganz allein in einem Riesenraum. Da war so ein Waschtrog, so ein Riesenwaschtrog war da, mit Aceton, zum Reinigen für alles, und jetzt hast du nichts im Magen, Fenster, ich weiß gar nicht, ob es überhaupt eines gegeben hat. Wenn, dann hättest du es nicht aufmachen dürfen wegen der Verdunkelung. Ich bin ihnen jede Nacht zusammen gefallen. In der Türe ist so ein Glasfenster gewesen und wenn die SS durchgegangen ist und Kontrolle gemacht hat und wenn sie mich nicht hat stehen gesehen, dann hat sie gewusst, dass ich wieder zusammen gefallen bin. Also alle die dort Dienst gemacht haben sind herein gekommen und haben mich angeschüttet mit einem Kübel Wasser und dann habe ich wieder weiter gespritzt. Bis sechs Uhr in der Früh war meine Schicht und ich, waschelnass und so musste ich, gleich von der Fabrik um sechs Uhr in der Früh zum Zählappell. Und so sind wir einmal dann dort getrieben worden, ja da hat es geheißen: Alles zum Zahnarzt. Ja, da haben wir gedacht, ja zum Zahnarzt, da werden sie uns noch Zähne richten oder was, ja da sind wir hingekommen, wurden hingetrieben in eine Baracke in Ravensbrück, da wurden wir aufgestellt, alles ausziehen, nackt, antreten, da war ein Tisch dort, und Stühle dazu und da kommen auf einmal ein paar SS herein und wir mussten dort nackt vor die SS, jede einzeln hingehen und vortreten. Jede haben sie angeschaut, um die Zähne hat sich keiner gekümmert, umdrehen, wieder angeschaut und noch ein bisschen spöttisch dort uns sekkiert und da hat einer so einen Stock gehabt und jede hat mit diesem Stock einen Schlag auf den Hintern bekommen. Und von Zahnarzt war keine Rede. Was die da geplant hatten, weiß ich heute noch nicht. Es wurde uns dann so erzählt, dass die SS früher viele junge Mädchen ausgesucht hat, und sie dann für ihre Not ausgenutzt, so lange, bis sie nachher der Tod dann auch erwischt hat. Da hat man die Jüngsten und die Schönsten in die SS- Bordelle geschickt, die Zweitschönsten hat man geschickt in die Militärbordelle und die Schlechtesten nach Mauthausen und auch in ein anderes Lager. Und keine ist nach Hause gekommen. Die meisten sind total erledigt zurück gekommen. Angesteckt oft, erledigt. Keine ist nach Hause gegangen. Na und dann, wie ich die letzte Zeit dort war, da ist schon jede Nacht ein Transport gekommen. Und dann haben sie sie durchgemustert und alles und in der Früh sind sie mit ihnen wieder weiter gefahren. Da haben sie sie ausgemustert und haben sie nach Ausschwitz geschickt. Die sind alle vernichtet worden, alle vernichtet worden. Massenhaft Leute, wochenlang, sind die vernichtet worden. Na wenn ich daran denke. Da haben sie einmal Judenkinder gebracht, so liebe Kinder, bis sieben, acht Jahre. So scheinheilig haben sie getan, haben sie getragen, und herumgetan mit ihnen. Die haben sie alle gespritzt, alle haben sie umgebracht, alle haben sie umgebracht. Und dann, nach diesen Tagen, so drei Wochen ca., kommt ein Befehl, dass von den Neuzugängen fünfzig ausgesucht werden und auf den Transport geschickt. Und da war ich auch dabei und meine Schwester. Und dort wurden wir auch nicht direkt ins Lager Neuengamme verschleppt, sondern in ein Nebenlager, das war Wandsbek. Dort war eine Fabrik, in der Gasmasken erzeugt wurden und was weiß Gott noch alles. Und dort war schon die Hälfte der Fabrik zu Schutt und Asche zerbombt, Sie sagten, wir gehen auf Transport, nach Hamburg und das zu Fuß. Und wer nicht nachkommt, wird erschossen. Und ich habe das wehe Knie gehabt, was mache ich, das schaffe ich nicht. Jetzt waren bei dem Transport zwei Wienerinnen und davon diese Anni Srb und noch eine, die den Rotlauf hatte und die habe ich gefragt, ob sie mit mir flüchten. Ja und die haben sofort beide ja gesagt. Und so sind wir die erste Nacht – normal weglaufen hätte ich nicht können, ich hätte nur darauf gewartet dass jemand auf uns schießt und uns auch trifft. Und dann war es so: Die SS hat z.B. bei uns in Österreich alle Brücken gesprengt, alle Donau- und Donaukanalbrücken. Das ist auch in Deutschland passiert. Aber das war keine Brücke, das war ein Steg über einen kleinen Fluss, der auch zum Sprengen da war, dort ist schon ein Volkssturmmann gestanden und wir sind zu dem hingekommen. Wir hätten in der Nacht gar nicht gewusst, wie groß das Dorf ist, was da ist und haben den ganz einfach gefragt, ob er uns helfen kann, wir sind von dem Transport. Der hat kein Wort geredet, hat uns mitgenommen, er hat hinter dem Steg sein Bauernhaus gehabt, hat uns in den Stall mitgenommen, hat noch immer nichts geredet, hat zugesperrt und ist wieder gegangen. Jetzt haben wir wieder nicht gewusst: Was passiert jetzt mit uns? kommt nach einer langen Weile und stellt uns so einen Topf mit heißen Kartoffeln hin, sonst nichts. Und er sagt zu uns, er verschafft uns ein Zivilgewand und mir und der Anni ein Kopftuch, weil wir ja die Glatze hatten. Uns ist ja in Ravensbrück auch immer eine Glatze geschnitten worden, und geht wieder. Und ich sag zu ihnen: Also verhungert sind wir, aber den Topf voll mit Kartoffeln bringen wir auch nicht hinunter, auch wenn wir die ganze Nacht essen. Und dann hören wir aus dem Stroh herauskommen. Russinnen, Polinnen, Holländerinnen, die vorher mit dem Transport von Ravensbrück weg sind, die auch geflüchtet sind, die hat er schon aufgenommen gehabt. : In der Nacht war noch so ein Fliegeralarm, Geschoße haben wir gehört von weitem und in der Früh hat sich gar nichts gerührt, keine SS ist uns wecken gekommen und gar nichts und wir haben bei so einem kleinen Löchlein hinausgeschaut, um zu sehen, was los ist. Gar nichts. Und es dauert nicht lange und es kommen schon die Autos und die Engländer, die Befreier. Ja, wie es da zugegangen ist, kann ich nicht mit Worten aussprechen. Es war so ein Erlebnis, so ein Jubel. Alle, die noch ein bisschen gehen konnten, sind zu den Befreiern hin, haben sie umarmt, und alles Mögliche, was noch einen Ausdruck der Freude gehabt hat. Und so war diese Befreiung. Und da haben wir uns allen dort versprochen und irgendwie ein Gelöbnis abgelegt, solange wir reden können, werden wir reden oder schreien und der Jugend oder den Überlebenden sagen: Sie sollen alle miteinander in Frieden und in Liebe leben und nicht im Hass gegeneinander. Das war unser Ziel, alle die wir noch lebendig aus dieser Erdenhölle herausgekommen sind und überlebt haben. Ihr könnt euch nicht vorstellen, das war ein Flüchtlingsstrom von Osten nach Westen. Zivilbevölkerung, die alle alles liegen und stehen lassen haben, die jahrelang gehört haben, jetzt kommen die Russen und was die euch jetzt nicht alles antun werden. Da hast du auch die von der Wehrmacht gesehen, die schon das Gewehr weggeschmissen haben, die die halbe Uniform weggeworfen haben. Dann sagten wir, jetzt gehen wir einmal ein Stück weiter – alles war leer, ob es eine Villa, ein Bauernhof oder ein kleines Dorf war mit Wohnungen, alles war leer, alle sind weg und wir konnten natürlich jede Nacht in einem anderen Haus übernachten. Und für uns war das Wichtigste, in dem Haus – nicht einmal etwas zu essen, denn man fand schnell auf einem Feld eine Karotte oder so etwas – Unterwäsche! Damit wir die Läuse loswerden, denn die bringst du nicht von heute auf morgen weg: Nur Wasser, um sich zu waschen und Unterwäsche. Ein Schlaraffenland war es halt dann, ein Schlaraffenland. Es war so viel Essen und so viel Kleidung und so viel Geld und Schmuck auf der Straße. Ein richtiges Schlaraffenland. Du hast gesehen: wieder ein besseres Essen und wieder ein schöneres Kleid, dann hast du es wieder weggeschmissen, weil du ja nichts hattest. Dann hast du wieder ein anderes Bündel gemacht. Und das ist so dahingegangen bis in die Tschechei. Und in der Tschechei wurde uns dann alles weggenommen. “ Das lag von denen, die vor den Russen geflüchtet waren, auf der Straße?” Ja, Schlösser, Vieh, alles war herrenlos. Alles herrenlos auf der Straße. Soviel Essen wie im Schlaraffenland, das können Sie sich gar nicht vorstellen. Alles war frei und du hättest dich in das beste Schloss hineinsetzen können. Und da sind wir bis vor Prag. Und nimmt uns und bringt uns bis zur österreichischen Botschaft in Prag, stellt uns dem österreichischen Botschafter vor und geht wieder, fährt wieder. Und der Botschafter sagt zu uns dreien folgendes: Im Haus ist für Sie kein Platz, aber im Hof steht eine Kohlenkiste. Und ich habe mir gedacht: Na, dann können wir eh schon in zwei Stunden nach Hause fahren. Und ich sage zu ihm: “Und wann können wir nach Hause fahren?” Und er sagt : Sie sind als letzte gekommen und sie kommen als letzte dran. Ich sage: Ja und wie lange dauert das. Und er sagt: Bis zu sechs Monaten. Und ich sage: Und was sollen wir sechs Monate machen, auf der Kohlenkiste, in der Kohlenkiste? Da hat er uns keine Antwort gegeben. Er hat nur gesagt: Ins Haus dürfen sie nicht hinauf. Warum? Das haben wir dann gesehen, an den Fenstern. In der Botschaft waren die Österreicher der Waffen SS mit ihren Familien. Also wir hätten nicht auf die Toilette gekonnt, ich weiß nicht, wie sich der das vorgestellt hat, dass wir in die Kohlenkiste machen und dann auch drin schlafen, wenn es regnet? Ich weiß nicht, was sich der vorgestellt hat. Was machen wir, wir haben doch schon, alles was wir können machen wir weiter. Da bleiben wir nicht. Der hat uns noch nachgerufen: “Was Ihnen passieren wird wenn Sie jetzt fortgehen! Sie wissen, dass man in Prag nicht deutsch sprechen darf! Wir haben gesagt: ”Überlassen Sie das uns!” Ich bin am ersten Juni draußen fortgekommen und bin erst am fünften Juli in Klagenfurt angekommen. Und jetzt stehe ich in Klagenfurt, wo ich nur zwei Jahre weg war und habe die Orte nicht mehr gekannt. Nicht mehr gewusst, da ist das Hotel Sandwirt gewesen, mir gut bekannt gewesen, ich habe es nicht gewusst, was das für ein Ding gewesen ist. Jetzt sitze ich dort im Park, die Sträflingskleider noch an, die hatte ich nicht ausgezogen und denke: Wie haben die da geheißen. Fällt mir nicht ein. Dann dachte ich: Jetzt gehe ich zu denen, bei denen wir 20 Jahre eingekauft haben, irgendwer wird mir schon sagen, wie ich jetzt nach Hause komme. Genau das Geschäft war ausgebombt. Dann denke ich: Jetzt gehst du halt einmal die Pischeldorferstraße entlang, irgendwohin wirst du schon kommen und irgendjemanden wirst du auch finden, der dich kennt und der mit dir reden wird. Nun wirklich, die Familie, nach der ich gefragt habe, war noch dort, wo ich sie verlassen hatte. Und wie ich bei ihnen anklopfe und die Türe aufmache, schreien sie: Ja, die Kathi, ja die Kathi! Bin umarmt worden von beiden, vom Bruder und der Schwester und dann haben sie gesagt: Setz dich nieder. Und dann habe ich einen Kaffee und ein Butterbrot bekommen. Und dann sagt die Schwester – auch schon eine Betagte- “Weißt du was, geh für mich einkaufen”. Mit der Geschäftsfrau hatte ich die Hauptschule besucht und kannte sie persönlich. “Ja”, sagte ich, “natürlich”. Die hatte aber gewusst – sie war die Nichte des Bürgermeisters – dass sie mich eingesperrt hatten. Und sie sagt: “Weißt du, das war schon eine Frechheit, dich einzusperren, weil du ja niemandem etwas getan hast.” Sag ich: “Bei Hitler wurden nur jene eingesperrt, die niemandem etwas getan haben. Die Verbrecher sind ja draußen geblieben!” Sie hat das natürlich nicht gut aufgefasst, da ihr Mann war ja bei der SA gewesen. Und das waren ja die Herren. Ja und dann, nachdem wir Mittagessen bekommen haben, ist das Ehepaar mit mir nach Hause gegangen. Mein Gott, habe ich mir gedacht, jetzt um zwei würde der Zug nach Ottensheim, nach Walding jetzt habe ich nicht gewusst, soll ich nach Ottensheim? Da bin ich zu einem Bauern gegangen und nach Walding hätte ich zu meinen Eltern gehen können. Da habe ich spekuliert. Durch Ottensheim bin ich gefahren, nein, ich habe mir gedacht, die haben mir immer geholfen und ich habe mit meinen Eltern nie ein Wort reden können darüber. Auch wie ich das Kind bekommen habe. Es hat mich weder die Mutter noch der Vater gefragt, ob ich eine Windel oder irgendetwas brauche, gar nichts. Es ist auch nichts Schlechtes mit mir geredet worden, aber sie haben sich überhaupt nicht, entweder sie haben sich nicht getraut, ich glaube sie haben sich nicht getraut, dass sie nicht wollen haben, das glaube ich nicht. Aber sie haben die Umgebung gefürchtet. Die Leute waren im Stall. Ich bin nämlich über den Berg heraufgekommen und am Stall vorbei. “Soll ich jetzt klopfen?”. Ich hörte die Leute drinnen reden. Ich klopfe an. Ja wer ist denn da? Sage ich: Die Loisi! Die haben ja keine Ahnung gehabt, dass ich komme. Keine Ahnung. Reißen sie die Türe auf. Na das war ein Freudengeschrei. Die haben sich so gefreut, wie sie mich gesehen haben, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Loisi komm! Ja und dann der heutige Bauer, das war der Franzi: Das muss ich der Mutter sagen. Das muss ich gleich der Mutter sagen. Er ist halt rüber gerannt in die Stube und hat es halt der Mutter gesagt. Die ist dann gekommen und dann haben sie mich alle umarmt. Und dann: Magst du eh eine Jause? Und die hat mir einen Speck hingestellt. Und ich habe nie Speck gehabt und jetzt dieses schwere Essen. Mir wäre irgendeine Suppe viel lieber gewesen. Aber ich habe gar nichts gesagt. Ich habe mir da halt immer wieder heruntergeschnitten, der Hunger ist immer mehr geworden. Bis dass dann die Bäuerin gesagt hat: Du Loisi, meinst du nicht, dass dir das zu schwer ist, der Speck. Ja sage ich: Ich höre eh schon auf. Nachher hat sie gesagt: Weißt du, mir tut es so weh, dass ich dir das Mädchen nicht in die Hände geben kann. Und ich sage: Weißt du, ich habe überhaupt nicht daran gedacht, dass ich einmal ein Kind gehabt habe. Die haben geweint. Ich habe nicht weinen können. Nachher erst dann. Ich hab dann schon Weinkrämpfe gehabt nachher. Aber ich war so versteinert und so verletzt. Aber ich freute mich so, dass sie mich mit Freuden aufgenommen hatten. Dann gingen wir auf den Friedhof. Ich stand beim Grab wie ein Klotz, wie ein Stein. Was sollst du machen? Ich stand lange dort bis mir eine Träne kam. Weil ich mir immer wieder sagte: “Warum, wieso, wieso, warum?” In diesem letzten Moment, in diesen paar Metern noch vor dieser Keusche dort hat mich so eine schreckliche Verzweiflung gepackt, ich habe nicht gewusst, soll ich weitergehen oder zurück, oder irgendwo hin, nur um nicht zu erfahren, was daheim los ist. Werden wir alleine dastehen, ohne Zuhause? Das Herz hat gleich so geklopft, ein Fieber, alles war, hat uns gepackt auf diesem Weg hinauf. Wie wir näher zum Haus hinauf kommen, sehe ich schon diese Tante vor dem Haus, auf dem kleinen Sesselein sitzen. Sie hat uns nicht erkannt, bevor wir dort vor ihr gestanden sind und sie gegrüßt haben. Weil wir waren noch beide in diesen Lagerkleidern dort. Und wie uns die Tante erkannt hat, hat sie so laut geschrien: Um Gottes Willen, ihr zwei, Helene und Maria seid heimgekommen! Daheim warten sie schon so schwer auf euch zwei. Und in diesem Moment, ich kann das keinem Menschen mit den Worten ausdrücken oder beschreiben, was wir zwei damals empfunden haben. Innerlich, irgendwie ist der größte und schwerste Stein von uns abgefallen. Diese Ungewissheit, was mit den Verwandten noch geschehen ist, das letzte schwere Mitschleppen von diesen Kriegserlebnissen. Dort bei dieser Tante waren wir davon befreit. Habe ich die Frau Neichl geseh‘n, habe ich meine Mutter geseh‘n. Meine Mutter war immer so ordentlich, so pico bello. Sie musste nicht modern sein, aber sauber und ordentlich. Der ist das Gewand heruntergehangen, da hat sie das Kleid aufgetrennt gehabt, so bucklig ist sie gegangen und zwischen ihnen geht mein Kind. Ich habe mein Kind immer als Baby gesehen. So eine Rolle hat sie gehabt mit ihren weißblonden Haaren, so eine Rolle wie man das damals getragen hat und so dünne Beinchen. Und ich geh zwischen diesen zwei Frauen und ich habe mir gedacht: Meine Mutter ist so schwer herzkrank gewesen, es wird ihr etwas geschehen, wenn ich rufe. Und da habe ich ganz leise gesagt: Frau Neichl. Und das Kind sagt: Tante, es ruft dich wer. Die Frauen drehen sich um. Meine Mutter fängt zu weinen an. Die Pflegemutter meiner Tochter fängt zu weinen an. Das Kind versteckt sich hinter der Pflegemutter. Ich halte meine Mutter und sage: Mutter weine nicht, ich lebe. Und sie sagt: Ich habe geglaubt, du bist umgebracht worden, sie haben dich umgebracht, und hat geweint und gezittert. Ich habe geweint. Die Pflegemutter hat geweint. Das Kind hat sich hinter der Pflegemutter versteckt. Also das war so entsetzlich. Das Kind hat sich dann bei meiner Mutter und meiner Pflegemutter angehalten. Und wir sind dann zur Wohnung gegangen. Sie hatte die Schlüssel zu unserer Wohnung und sperrte sie auf. Das Kind ist aber gleich zu ihr hin, Und die Frau sagt unglücklicherweise: “Schau, deine Mutti ist gekommen”. Und das Kind sagt: Meine Mutti, die hängt dort an der Wand. Mein Mann hat ein Foto gemacht. Das Kind vor meiner Fotografie, auf der ich neunzehn Jahre war – ich glaube, ich habe das Foto sogar da. Das hängt da oben. Das musst du dir dann ansehen. Ich glaube zumindest dass ich es aufgehängt habe. Ich wollte es meiner Tochter geben, aber die wollte es nicht nehmen, die sagte: “Häng es dir zur Erinnerung auf!” – -sagt: “Schau, das ist meine Mutti. Meine Mutti ist jung und schön und diese hässliche Frau ist nicht meine Mutti!” Und geht ins Zimmer und schlägt die Tür zu. Wir waren in der Küche. Du ich habe noch Schocks erlebt mit diesem Kind, das kann ich gar nicht erzählen alles. Also so war mein Heimkommen. Alle Donaubrücken gesprengt. Also: Wir machen alles. Wir wollen nur nach Hause kommen. Über die Floridsdorfer Brücke, die gesprengt war, sind wir in der Nacht auf allen vieren über die Geleise gekrochen. Zum Glück haben wir nicht hinunter gesehen, wie es da unten ausgesehen hat. Also vorm Wasser hätten wir uns beide nicht gefürchtet. Schwimmen konnten wir beide. Aber die Trümmern, die da unten gelegen sind. Also sind wir rüber gekrochen. Ich habe sie dann noch bis zu ihrem Haus gebracht. Ich sagte ihr nur noch Auf Wiedersehen und dachte:” Oh, was ist, wenn ich nach Hause komme, was ist passiert?” Und ich bin dann nach Hause gegangen. Wir haben im dritten Stock gewohnt. Da war kein zweiter Stock da, kein dritter Stock da. Da habe ich mir gedacht: Alles ausgebombt. Ich muss warten, bis es hell wird, damit ich dann suchen gehen kann: Ich bin auf dem Schutthaufen eing‘schlafen und so zirka um halb sechs, sechs wird es gewesen sein, werde ich munter. Also muss ich über die Salztorbrücke. Die ist auch gesprengt. Na, macht nichts. Die Floridsdorfer Brücke war ein bisschen länger, also komme ich da auch rüber. Jetzt habe ich aber Zuschauer gehabt. Auf der einen Seite und auf der anderen Seite. Und du hast genau gesehen, was sich die Leute denken. Die einen haben geglaubt, ich bin eine Verrückte, ich bin aus Steinhof entkommen. Die anderen, ich weiß nicht, was die sich gedacht haben. Die anderen haben vielleicht geglaubt, ich mache Turnübungen auf der Brücke. Und wie ich so auf der Hälfte der Brücke bin und runter schaue, wegen dem verletzten Knie musste ich rasten, sehe ich, sie haben damals auf dem Donaukanal Fähren eingesetzt, wo sie die Leute hin und hergeführt haben, aber ich habe keine gesehen, Tafel ist auch keine dort gestanden, und jetzt war ich auf der Hälfte der Brücke und da denke ich: Jetzt ist es schon egal, ob du zurückkriechst oder weiter nach vor kriechst, da bin ich weitergekrochen. Aber es haben sich auch etliche gut unterhalten, wie sie mich gesehen haben da rüber kriechen. Die Tante hatte Dienst und sagte mir, dass die Brüder und die Mamma bei ihr draußen sind. Und als ich ins Haus gehe, kommt mir der große Bruder entgegen und sagt zu mir: “Bleib stehen. Du wartest hier, ich muss die Mamma vorbereiten. Die trifft der Schlag, wenn sie dich sieht. Ja- und so war ich dann zu Hause und dann lag ich einmal 6 Wochen flach, konnte nicht mehr gehen, Naja, wie wir österreichischen Boden gesehen haben, haben wir ihn abgeküsst und wir haben geweint. Ein jeder hat geweint. Wir sind in unserem Land. Wir waren ein paar Wochen in Wien. Die Zigeuner haben doch da unten schon Häuser gehabt, haben sich da einquartiert und alles. Und dann haben wir gewartet bis sie kommen und dann sind sie eh alle gekommen. Wir sind dann nach Linz gezogen. Das war noch im Jahre 1945, wie sie hierher gezogen sind. Das war der erste Mai 1945, da sind wir befreit worden, am ersten Mai. Da hast du den wieder getroffen. Wieder den getroffen. Aber da habe ich noch nicht damit gerechnet, dass von meinen Leuten alle tot sind. Da habe ich auch die ganzen Verwandten und wo die alle umgekommen sind. Das ist Dachau. Nach Minsk. Nach Icbica. Das sind die Großeltern, Icbica, die sind dort alle umgekommen. (Das ist auch der Bruder vom Papa, der nach Nisko gekommen ist.) Also die ganze Familie ist umgekommen. Da ist keiner, da ist überhaupt niemand zurückgekommen. Wir hätten alle eine Arbeit gebraucht. Wenn die gehört haben, dass du im KZ gewesen bist, oder du wart eingesperrt, oder du bist ein Jude, war es schon aus. Damals im 45er Jahr hätten sie aufgenommen, überall haben sie Leute aufgenommen für Arbeit . Ja und der Vater hat wohl um eine andere Wohnung angesucht, aber es hat sich niemand wer weiß wie den Fuß für jemanden, der aus dem Lager gekommen ist, ausgerissen. Weil die ja alle dafür waren, dass man ins Lager kommt, nicht dagegen. Das war jetzt 1945, 46—1952 bekamen wir dann endlich eine andere Wohnung. Wir haben in die Wohnung nicht wollen. Also ich war ja das sowieso gewohnt. Eine Wohnung hätten wir gekriegt. Ich habe gesagt: Ich ziehe hier nicht ein. Mein Mann hat gesagt: Ich ziehe hier auch nicht ein. Sagte er: Da bin ich ja eingesperrt. Weil wir das als Kinder gewohnt waren, in den Wohnwägen herumreisen. Die Wohnwägen vom Zirndorfer Feld haben sie schon gesehen. “Ja”. Mein Onkel, der war über 90 Jahre und seine Frau über 80 Jahre. Der hat immer noch in den Wohnwagen wollen. Hätten auch eine Wohnung bekommen. Sagte er: Nein. Sobald ich in der Wohnung bin, muss ich sterben. Im Winter ist er zu hinauf seinen Kindern gezogen, weil es kalt war und wie es warm wurde, war er schon unten in seinem Wohnwagen. Nach dem Krieg war das sehr schwer. Wir konnten nur im Familienkreis und bei den gewissen Leuten darüber reden. Aber sehr viele waren noch gleichgesinnt wie früher und von denen wurden wir alle noch als Untermenschen bezeichnet und als Titopartisanen und Banditen beschimpft, obwohl wir mit dem Tito auch nicht viel zu tun gehabt haben, der war uns ja auch nicht bekannt. Aber in den Ämtern drinnen, ich weiß noch genau, wie ich in das Gemeindeamt hingekommen bin, da ist noch genau derselbe Sekretär drinnen gesessen, wie früher in der Nazizeit, weil er auch ein Nazi war. Da hat er mich zuerst zusammengeschimpft: Solche Selbstversorger und sie wollen da die Lebensmittelkarten. Und ich habe zu ihm gesagt: Was Selbstversorger, ich bin kein Selbstversorger nicht. Ich war ein ganzes Jahr im KZ, und jetzt beschimpfen sie mich noch mit dem. Wo soll ich etwas hernehmen, weil ich habe ja nichts. Bekommen habe ich ja auch gar nichts. Und so herrschte für mehrere Jahre hin irgendwie noch ein diktatorisches Leben. Dann ist die “ÖVP- Kameradschaft” entstanden, die sind aus dem KZ- Verband ausgetreten. Dann sind 1947 die “Sozialistischen Freiheitskämpfer” entstanden. Na ja und wir Frauen haben damals gesagt wir haben deshalb überlebt, weil wir nicht gefragt haben: Was hast du für eine Partei? Wie bist du, bist du katholisch, oder nicht? Bist du Kommunistin, bist du Sozialistin? Wir haben gesagt: Du warst aus politischen Gründen für die Freiheit Österreichs eingesperrt, wir haben nur überlebt, weil wir zusammengehalten haben, dann gehören wir jetzt auch zusammen. Und deshalb haben wir diese Gruppe gegründet. Und nach uns haben es die Männer gemacht. Die haben dann die “Mauthausener” gegründet, die “Dachauer” gegründet und die “Auschwitzer” haben sich dann gegründet. Also wir waren die ersten, die das gemacht haben. Habt Ihr eine Vorbildfunktion gehabt. Die Frauen. Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Die daheim haben auch ihr Problem gehabt und wir haben unseres gehabt. Und so ist keine Harmonie mehr entstanden. Und die Eltern waren ja auch auseinander. Die Mutter ist nachher fortgegangen. Da war der Vater mit uns Kindern, drei Buben und ich, allein. Aber auch wir Kinder haben uns untereinander nicht mehr verstanden. Die einen waren älter als ich und nahmen sich Mädchen und heirateten, die Jüngeren hatten auch einen Beruf und gingen der Arbeit nach. Und so war ich dann mit dem Vater allein im Haus. Und der Vater bekam dann doch, da ja die Wohnung zerbombt war, als KZ-ler eine andere. Bekommen hat er sie nur, weil ein anderer nicht zahlen konnte, sonst hätte er noch länger warten müssen. Dann zogen wir von dort weg und seit dieser Zeit war ich nicht mehr im Dorf. “So, sind sie nicht mehr zurück?” – Nein. Und dann hat mich dann, ich war schon eine Zeit daheim, mein Mann einmal dort besucht. Der war 18 Jahre älter als ich, über 17 Jahre. Aber es waren ja keine Männer mehr da. Du hast eh keine Auswahl gehabt. Und ich habe gesagt: Wenn du mir versprichst, dass du mir nie einen Vorwurf machst über das was war und er hat es mir wirklich versprochen und er hat auch wirklich, wir waren 25,26 Jahre verheiratet und es ist nie ein Wort gefallen über das KZ, dass er mir da etwas vorgeworfen hätte, nie. Und er kommt uns dann wirklich am Ostermontag hinauf besuchen. Er hat auch so den Weg gesucht, wo hinauf. Aber er hat ihn gefunden. Ja, und dann wollte er schnell heiraten, hat er gebraucht, weil die Alten waren beide alt und dann haben wir 1949 schon geheiratet im August. So bin ich dann hierhergekommen, und es war alles fast ausgeraubt, da sie ausgesiedelt waren. Es war nichts da, alles war armselig und vernachlässigt. Das war auch ein karges Leben. Wir zwei übernahmen dann vom Vater den Hof, nur zwei Kühe, ein Ochse und ein Kalb waren im Stall. Und so haben wir uns durch das Leben gekämpft. Und dann sind dann die Kinder gekommen einer nach dem anderen. Und dann haben wir neun Kinder aufgezogen Neun Kinder! Alle sind am Leben noch heute. Mit der linken Hand kann ich nichts machen, tuberkulosekrank. Was soll ich machen? Nachdem sie mir die Rente gegeben haben, war für mich das Finanzielle gelöst. Es waren schon Brüder, etliche sind sogar zu meinem Vater gegangen, um um meine Hand anzuhalten. Der Vater dann gesagt: Zuerst musst du mit dem Mädchen reden. Ich kann ja nicht dem Mädchen nicht befehlen, dass sie dich heiratet. Aber mir hat keiner etwas gesagt. Sie hat niemand gefragt? Nein! Ja und dann habe ich keine Kinder gewollt. Kommt nicht in Frage. Keine Kinder. Du wolltest keine Kinder? Nein. Ich habe die Kinder noch gesehen, in Ausschwitz und bis mein Mann gesagt hat, meine Brüder haben keine Kinder, bis mein Mann dann gesagt hat: Nein, eins. Na dann ist es eins geworden. Der ist von der Familie so verwöhnt worden. Da habe ich gesagt: Jetzt ist es schon egal, jetzt kann ein zweites auch kommen. Und dann waren sie da. Und dann war die Ruth vier Monate und mein Mann ist gestorben. Als dann die Kinder schon groß waren und schon aus dem Haus waren, habe ich gesagt: So und jetzt macht die Mama auch etwas. Ich habe dann begonnen in die Schulen zu gehen, dann habe ich auch Zeit gehabt in den KZ- Verband zu gehen, aber das ist sich früher nicht ausgegangen. Ja, und so wird es allen anderen wahrscheinlich auch ergangen sein, nicht nur mir alleine. Und haben sie nachher mit jemanden reden können, über ihre Erfahrungen im KZ, was sie da mitgemacht haben? Nur mit den Kindern. Und denen wollte ich es nicht sagen. Überhaupt die ältere Tochter. Die hat ja so viel gefragt und gefragt. “Greti”, habe ich g‘sagt: Du weinst dann immer so viel, ich will das nicht. Die hat ja die ganze Nacht geweint. Die hat mir so leid getan, weil sie es ja gar nicht glauben hat können, dass man so etwas durchsteht. Ich habe es ihr schon erzählt, weil ich auch froh war, wenn ich mich aussprechen konnte. Die jüngere Tochter, die auch, die hat das ein bisschen… , die hat auch oft geweint, wenn ich erzählt habe. Aber sie haben es aufgenommen und da hat es überhaupt nie etwas gegeben, dass da eine Missachtung gewesen wäre, oder dass sie gesagt hätten: Was bist du nur so dumm gewesen, warum hast du das getan, oder was, nie. Und ab 1960 habe ich wieder gearbeitet. Da war der Stadtschulratspräsident Neugebauer und wir haben damals eine Ausstellung aufgebaut als Ravensbrückerinnen und haben gefragt, ob wir sie im gedeckten Hof im Stadtschulratsgebäude aufstellen dürfen. Wir haben sie aufgestellt und der Stadtschulratspräsident war so beeindruckt, dass er uns ersucht hat, ob wir mit den Ausstellungen in die Schulen gehen wollen und mit der Jugend diskutieren wollen. Also, wir haben ihm erklärt, dass wir das machen. Das war damals sehr schwierig. Auf vielen Schulen gab es noch Nazis. Ja, da ist es mir besser gegangen. Da ist es ihnen besser gegangen? Ja, erstens war ich da jung und bin in der Weltgeschichte herumgefahren. Ohne Pass, ohne alles. Und jetzt habe ich da den Reisepass und komme nirgends hin, nur da in diesem Loch da drinnen, wo ich bin. In der Weltgeschichte war ich da. Da habe ich gute Menschen gehabt, die noch jung waren und gute Beziehungen habe ich gehabt. Meine Leute sind alle alt und krank, oder sind schon gestorben. In der Weltgeschichte bin ich herumgesaust. Gut ist es mir gegangen. Jetzt hab ich den Reisepass wo ich nirgends hinkomme. Den können sie sich auch wieder mitnehmen, den Reisepass. Der eine, war es heuer noch, oder voriges Jahr im Herbst, sieht meine Nummer in der Straßenbahn und nach einer Weile höre ich, – ich habe noch nicht gewusst, dass er die Nummer gesehen hat, – sagt er zu mir: Warum fahren sie nicht nach Hause. Na ich habe mir gedacht: Der kennt mich vom Einkaufen, oder er wohnt vielleicht da im Haus, sage ich: Nein ich fahre nicht nach Hause, ich fahre in die Stadt. Und er sagt noch einmal zu mir: Warum fahren sie nicht nach Hause. Da funkt es bei mir. Wo schickt der mich hin? Weißt du, wo er mich hinschickt? – “ Na ja, nach Israel wollte er dich wahrscheinlich schicken.” Das ist in Deutschland und in Österreich ein Phänomen, dass Juden, Sinti und Roma keine Nationalität bei ihnen haben. Das sind Juden. Das sind Sinti und Roma und basta, mehr bist du nicht. Dass das nicht in ihr Hirn hinein geht, dass du eine Nationalität hast. Das passiert dir heute. Ich glaube, dass der starke Willen schon etwas ausmacht. Ich weiß nicht. Und gar so eine Trübsalbläserin bin ich ja nicht, dass ich so, wie nennt man denn das, deprimiert oder was. Bin ich schon öfter. Aber damals, muss ich sagen, obwohl wenn ich daran denke, dass der hat sterben müssen, das hat mir schon oft recht weh getan. Da habe ich schon viel daran gedacht. Auch wie ich schon verheiratet war. Wenn irgendwas gewesen ist, habe ich schon an ihn gedacht. Und ich meine, wenn es so weit gekommen wäre, dass er mich geholt hätte, ich wäre mit ihm gegangen. So weit war ich schon. Das hat mir schon recht weh getan. Und dieses sich geistig nicht gehen lassen, geistig nicht gehen lassen, das hat mir sehr geholfen. Und die Rosl (Rosa Jochmann) hat recht gehabt. Weil jeder der sich geistig hat gehen lassen, ist körperlich eingesunken. Aber ich glaube das meiste, was mir geholfen hat, war die Solidarität untereinander. Und das, wie wir immer gesagt haben: Was auch immer geschieht, wir wissen, die Nazi verlieren. Das haben wir hundertprozentig gewusst. Da hat uns niemand darüber etwas sagen brauchen. Weil er kann nicht mit einer Peitsche so viel Völker unter der Knute halten. Unmöglich. So viele Leute hat er ja gar nicht. Also das haben wir gewusst und so weit waren wir politisch. Wir haben nur nicht gewusst wie lange und ob wir dann noch leben. Und das zweite was die Rosl (Rosa Jochmann) gesagt hat war: Ihr müsst versuchen zu überleben, mit aller Kraft, weil man muss der Welt sagen, was da passiert ist. Man muss es der Jugend sagen, damit man die nächsten Kriege verhindert. Schmarren haben wir verhindert.
“Vom Leben und Überleben”
A 2003, 110 min, Originalfassung mit englischen Untertiteln
Mit: Antonia Bruha, Regine Chum, Helene Igerc, Rosa Winter, Katharina Thaller, Aloisia Hofinger
Konzept und Realisation: Bernadette Dewald, Gerda Klingenböck / VideoArchiv Ravensbrück
Kamera: Bernadette Dewald, Gerda Klingenböck, Tina Leisch
Schnitt: Gundula Daxecker
Interviews: Helga Amesberger, Brigitte Halbmayr
© IKF und VideoArchiv Ravensbrück
Filmverleih: Sixpackfilm
Nähere Informationen: VideoArchiv Ravensbrück
Transkript zum Download




„Wer wird mir helfen?“ Kärntner Sloweninnen erzählen
A 2000, 30 min
Mit: Maria Hribar, Helene Igerc, Anna Jug
Konzept und Realisation: Bernadette Dewald, Gerda Klingenböck / VideoArchiv Ravensbrück
Kamera: Gerda Klingenböck, Tina Leisch
Editing: Bernadette Dewald
Interviews: Lela Gahleitner, Brigitte Halbmayr, Tina Leisch, Christa Putz
© IKF und VideoArchiv Ravensbrück




„Dagegen muss ich etwas tun.“ Portrait der Widerstandskämpferin Hilde Zimmermann
A 2009, Trailer, 6 min
Ein Film von Tina Leisch
Filmverleih: Sixpackfilm
© Kinoki 2009

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