Adele Obermayr

Adele OBERMAYR, geb. Husch
Geboren am 10. März 1894
Verfolgungsgrund: Hochverrat
Biografische Daten



Adele Obermayr mit Theodor Körner Anfang der 1950er Jahre (Quelle: Nachlass Rosa Jochmann, Verein für die Geschichte der Arbeiterbewegung).

Kindheit und Jugend
Adele Obermayr kam als Adelheid Husch in Schärding in einer Arbeiterfamilie zur Welt. Ihre Eltern Josef und Anna Husch übersiedelten nach Innsbruck, als Adelheid und ihr jüngerer Bruder noch Kleinkinder waren. Im Alter von acht Jahren verlor sie ihren Vater. Bis zur erneuten Heirat der Mutter bedeutete dies für das Mädchen eine entbehrungsreiche Zeit. Nach Abschluss der Pflichtschule absolvierte Adelheid Husch eine Verkäuferinnenlehre und arbeitete danach als Apothekengehilfin in Kitzbühel. Dort kam sie mit Sozialdemokraten wie etwa dem Arbeiterdichter Alfons Petzold in Kontakt und trat 1916 der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei.

Sozialdemokratin
1919, nach Einführung des allgemeinen Frauenwahlrechts, wurde Adele Husch in den Kitzbühler Gemeinderat gewählt, musste jedoch aus beruflichen Gründen Kitzbühel bald verlassen. 1920 heiratete sie Alois Obermayr, Bäcker in der Ersten Tiroler Arbeiterbäckerei, und nahm dessen Nachnamen an. Das Ehepaar Obermayr wohnte im Innsbrucker Vorort Mühlau, wo Adele bald ein Mandat im Gemeinderat erhielt. Darüber hinaus war sie in der Frauenlandesorganisation der Sozialdemokratischen Partei und in der Parteileitung tätig. 1929 zog sie in den Tiroler Landtag ein. Ihre Hauptanliegen waren soziale Fürsorge, Bildungs- und Schulangelegenheiten sowie der Kampf gegen die Benachteiligung der Frau.

Verfolgung im Austrofaschismus
All ihre Ämter verlor Adele im Februar 1934, als Bundeskanzler Dollfuß die Sozialdemokratische Partei und alle mit der Partei verbundenen Organisationen verbot. Eine politische Betätigung war nun für SozialdemokratInnen nur noch in der Illegalität möglich. Über Adeles illegale Tätigkeit im Austrofaschismus ist kaum etwas bekannt. Einmal soll eine Hausdurchsuchung bei ihr stattgefunden haben, wobei sie aber die belastenden Flugschriften noch rechtzeitig verstecken konnte.

Politische Tätigkeit während des Nationalsozialismus
In der Zeit des Nationalsozialismus hielt sie ihre Kontakte zu SozialistInnen und KommunistInnen aufrecht. Sie stellte ihre Wohnung für geheime Treffen von Aktivisten zur Verfügung, die unter Leitung des deutschen Robert Uhrig die Kommunistische Partei im Untergrund neu aufbauen wollten. Die Gestapo war über diese Vorgänge schon unterrichtet und beobachtete alle Tätigkeiten des Robert Uhrig. Schließlich wurde Adele Obermayr am 30. Mai 1942 verhaftet und ins Innsbrucker Landesgefangenhaus eingeliefert. Bei den Verhören redete sie sich darauf hinaus, dass sie nur zufällig von zwei Männern gleichzeitig Besuch erhalten habe und diese dann über etwas tuschelten, was sie nicht verstanden habe.

KZ-Haft
Nach vielen nervenaufreibenden Verhören wurde sie über die Gefängnisse Hof, Vogtland und Berlin-Stettin ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück transportiert. Dort kam sie am 21. Jänner 1943 an und erhielt die Häftlingsnummer 16329. Wie andere Neuankömmlinge musste sie die Schikanen am sogenannten „Zugangsblock“ ertragen, bevor sie auf dem Block 4, später auf dem „politischen“ Block 3a untergebracht wurde. Sie arbeitete in der Verwaltung des Materialdepots für den Straßenbau. An Adele wurden medizinische Experimente durchgeführt: Im Krankenrevier entnahm man ihr Knochenmark aus der Fußwurzel. In der Folge litt sie an der eiternden Wunde. Außerdem wurden ihr versuchsweise neue Medikamente injiziert, die zu einem Verwirrtheitszustand führten. Als ihre Kameradin Toni Bruha von den Experimenten an Adele erfuhr, ließ sie deren Karteikarte im Krankenrevier verschwinden, worauf Adele nicht mehr zu Versuchen herangezogen wurde. Diese Aktion rettete ihr vermutlich das Leben. Die Fußwurzel war aber zerstört, sodass sie bis zu ihrem Lebensende orthopädische Schuhe tragen und mit Stock gehen musste.

Entlassung und erneute Haft
Am 28. August 1943 wurde Adele aus dem KZ Ravensbrück entlassen und zu weiteren gerichtlichen Erhebungen ins Landesgericht Innsbruck überstellt. Die Gerichtsverhandlung selbst fand in München statt. Aufgrund ihrer Tätigkeit in der Gruppe um Robert Uhrig wurde sie am 14. April 1944 in München wegen „Beihilfe zum Hochverrat“ zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Dies war im Vergleich zu den Mitangeklagten eine relativ geringe Strafe, denn sieben der 16 Angeklagten wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Haftstrafe verbüßte Adele unter anderem in den Gefängnissen München-Stadelheim, Weilheim und Waldheim-Sachs. Nach eigenen Angaben war sie in insgesamt 18 Gefängnissen und Haftanstalten eingesperrt. Im September 1944 wurde sie zu einer gerichtlichen Gegenüberstellung abermals ins Innsbrucker Landesgefangenhaus transportiert. Hier wurde sie in den Wirren der letzten Kriegstage gemeinsam mit allen anderen politischen Häftlingen auf freien Fuß gesetzt.

Als erste Frau im Tiroler Landtag
Als sich im Sommer 1945 die provisorische Tiroler Landesregierung bildete, gehörte ihr Adele Obermayr als einzige Frau an. Sie war Abgeordnete für die SPÖ im Tiroler Landtag von 1945 bis 1953, Vorsitzende der SPÖ-Frauenkonferenz Tirol 1946 bis 1947 und Mitglied des österreichischen Bundesrates von 1953 bis 1961. Auch in den Opferverbänden war Adele aktiv. Sie war Obmannstellvertreterin im Bund der Opfer nationalsozialistischer Unterdrückung in Tirol und nahm 1947 an der Gründung der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück in Wien teil. Adele starb am 19. Mai 1972 in Hall in Tirol.

© Friedrich Stepanek

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