Vorarlberg


Inhalt

Vorarlbergerinnen in Ravensbrück
Herkunft
Alter
Beruflicher Hintergrund
Verfolgungsgründe
Schicksal
Die Zeit nach 1945

Vorarlbergerinnen in Ravensbrück

Haftkarte von Hirlanda (Girlanta) Böhler (Quelle: Zeugen Jehovas Deutschland)


Anne-Marie Pollak – Gestapoaufnahme (Quelle: WStLA, GESTAPO)

Die Vorarlbergerinnen stellen zahlenmäßig die kleinste Gruppe dar. Unter den österreichischen Häftlingen des KZ Ravensbrück befanden sich 14 Vorarlbergerinnen, ausschließlich Frauen. [1]

Herkunft
Acht der 14 Vorarlberger Ravensbrückerinnen waren in diesem Bundesland geboren worden, sechs von ihnen wurden hier auch verhaftet. Zwei Frauen kamen außerhalb von Österreich zur Welt, eine in Bukarest (Rumänien), die zweite in Belgrad (heutiges Serbien). Von zwei Frauen wissen wir, dass sie erst nach ihrer Befreiung nach Vorarlberg übersiedelten.

Alter
Zum Zeitpunkt der Verhaftung waren die Vorarlbergerinnen zwischen 20 und 57 Jahre alt. Das Durchschnittsalter betrug 29 Jahre.

Beruflicher Hintergrund
Die Vorarlbergerinnen waren in verschiedensten Berufszweigen tätig: als Fabriksarbeiterin, Krankenpflegerin, Kellnerin, Landarbeiterin oder Juristin. Daneben gab es auch Hausfrauen und eine Dolmetschstudentin. Ihre Widerstandshandlungen waren eng verknüpft mit der Erwerbsarbeit. Jene Frauen, die in der Landwirtschaft oder in der Fabrik arbeiteten, kamen in Kontakt mit Zwangs- und Fremdarbeitern und konnten deren Not nicht mitansehen. Die Krankenpflegerin ertrug die schlechte medizinische Versorgung der Kriegsgefangenen nicht. Die Kellnerin schenkte den Zwangs- und „Fremdarbeitern“ Getränke aus – all diese mitmenschlichen Handlungen wurden als Verbrechen angesehen.

Verfolgungsgründe
Die meisten Vorarlbergerinnen waren als „Politische“ inhaftiert (insgesamt 10); sie wurden im KZ mit dem roten Winkel gekennzeichnet. Hinter dieser Einordnung verbergen sich sehr unterschiedliche Handlungen. Bei vier der zehn politischen Häftlinge ist im Zugangsbuch oder in den polizeilichen Haftkarteien zusätzlich „Umgang mit Ausländern“, „Verkehr mit Polen“ und ähnliches vermerkt. Bei einer weiteren Frau war „Unterstützung von ausländischen Arbeitern“ angegeben. Konkret bedeutete dies, dass die Fabriksarbeiterin Rosina Sani die ausländischen Arbeiter mit Wäsche und Lebensmittel versorgte. Die Kellnerin Margarethe Fehle wurde wegen der „Ausgabe von Getränken an Ausländer“ ins KZ Ravensbrück deportiert. Ebenso unterschiedlich war die Widerstandstätigkeit der restlichen vier „Politischen“: Von Ida Jäger wissen wir nichts Genaueres, nur so viel, dass sie im steirischen Eisenerzgebiet / Trofaich Widerstand leistete. Bei der gebürtigen Kärntnerin Hilda Matuschek findet sich der Zusatzvermerk „Partisanenunterstützung“. Die Krankenschwester Pauline Wittwer , die zunächst beim Roten Kreuz und nach dem „Anschluss“ beim „Deutschen Roten Kreuz“ tätig war, unterstützte italienische und französische Kriegsgefangene. Sie bemühte sich zuerst offiziell um Hilfe für die Notleidenden bei der Kreisleitung des Deutschen Roten Kreuzes in Dornbirn und Salzburg. Als dies nicht gelang, sammelte Pauline Wittwer bei der Bevölkerung für die Kriegsgefangenen. Die Dolmetschstudentin Anne-Marie Pollak – sie lebte erst nach der Befreiung in Vorarlberg – wurde wegen staatsfeindlicher Äußerungen inhaftiert. In einer Quelle ist erwähnt, dass sie Briefe mit antinationalsozialistischem Inhalt beförderte. [2] Als weiterer Inhaftierungsgrund ist im Ravensbrücker Zugangsbuch noch „Jüdin 1. Grades“ angeführt.
Unter den Ravensbrückerinnen befindet sich auch die Vorarlbergerin Hirlanda Böhler , die wegen ihres Glaubens – sie war Zeugin Jehovas – verfolgt wurde.
Von drei Vorarlbergerinnen kennen wir den Grund der Inhaftierung nicht. Aus der Gesamtbetrachtung der Verfolgungsgründe können wir schließen, dass es sich bei den Widerstandstätigkeiten vorwiegend um individuelle Verstöße gegen die Rechts- und Wertevorstellungen der Nationalsozialisten handelte. Dies waren demnach Handlungen, die ohne Rückhalt von und außerhalb von organisierten Widerstandsgruppen stattfanden.

Schicksal
Der Großteil der Vorarlbergerinnen war – soweit wir dies wissen – neben diversen Polizei- und Gestapo-Gefängnissen ausschließlich im KZ Ravensbrück inhaftiert. Hilda Matuschek kam im Jänner 1945 im Zuge der Auflösung des Lagers von Auschwitz-Birkenau nach Ravensbrück, Rosalia M. aus Bialystok im März 1944. Von drei Frauen wissen wir, dass sie vom Hauptlager Ravensbrück entweder in ein Außenlager oder in ein anderes Konzentrationslager überstellt wurden.

Von neun der 14 Vorarlbergerinnen kennen wir das Inhaftierungs- und Befreiungsdatum. Die Mehrzahl der Frauen wurde 1944 verhaftet und nach Ravensbrück deportiert. Vier Frauen deportierte man noch am 19. Jänner 1945 vom Innsbrucker Polizeigefängnis nach Ravensbrück. [3] Die neun Vorarlbergerinnen waren zwischen sieben und 74 Monaten (gut sechs Jahre) inhaftiert. Am längsten war die Zeugin Jehova Hirlanda Böhler inhaftiert und zwar vom 15. Juni 1939 bis Ende April 1945. Drei Frauen wurden vor der Auflösung des Lagers aus Ravensbrück entlassen, meist nach rund einem Jahr.

Ida Jäger ist im Alter von 48 Jahren in Ravensbrück bzw. in der Uckermark, dem zum Vernichtungslager umfunktionierten Mädchenkonzentrationslager in der Nähe des Hauptlagers, im April 1945 umgekommen. Möglicherweise fand auch Reinhilde Bauer in Ravensbrück den Tod. Die 22-Jährige wurde Mitte Jänner 1945 nach Ravensbrück deportiert; sie scheint in einer Totenliste auf, es fehlen aber alle weiteren Angaben.

Die Zeit nach 1945
Über das Leben der Vorarlbergerinnen nach ihrer Befreiung liegen nur spärliche Informationen vor. Die meisten Frauen waren wieder berufstätig und zwar vorwiegend in Anlernberufen wie Büglerin, Textilarbeiterin oder Haushälterin. Das bedeutete, dass trotz Berufstätigkeit einige Frauen in sehr bescheidenen Verhältnissen lebten.

Dass die österreichische Gesellschaft den Überlebenden nicht immer wohlwollend gegenüberstand und diese oft lebenslang stigmatisiert wurden, zeigt der von Irma Trksak in einem Gespräch berichtete Vorfall: Als Rosalia M., die wegen einer Liebesbeziehung zu einem Polen in Ravensbrück inhaftiert war, von der Vorarlberger Landesregierung geehrt wurde, habe eine Zeitung geschrieben, seit wann Huren ausgezeichnet würden. Einige der Vorarlbergerinnen waren Mitglieder der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück.


[1] Die im Folgenden angeführten Zahlen beziehen sich auf die quantitative Auswertung der vom IKF durchgeführten Namentlichen Erfassung von ÖsterreicherInnen im KZ Ravensbrück. Insgesamt konnten 2.713 Frauen und Männer recherchiert werden. Nicht zu allen Personen liegen sämtliche Daten vor; die statistischen Auswertungen betreffen daher oft eine kleinere Anzahl. Vgl. im Folgenden Helga Amesberger, Brigitte Halbmayr, ÖsterreicherInnen im KZ Ravensbrück. Quantitative Auswertung der Datenbank (unveröffentlichter Forschungsbericht, Wien 2012) sowie neue Berechnungen (Stand: 27.03.13). Viele der Informationen zu den Vorarlbergerinnen verdanken wir Susanne Emerich vom Frauenmuseum Hittisau, die die Vorarlberger Opferfürsorgeakten nach weiblichen NS-Opfern sichtete.
[2] Zusammenstellung von Susanne Emerich (Frauenmuseum Hittisau).
[3] Wir verdanken diese Information Elisabeth Grosinger-Spiss, die die Haftkartei der Landespolizeidirektion Innsbruck erforschte.

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