Friederike Sinclair


Friederike SINCLAIR, geb. Sedlaček
Geboren am 19. Juni 1920
Verfolgungsgrund: Kommunistischer Widerstand
Biografische Daten
Foto von Friederike Sinclair im KZ Ravensbrück


Schutzhaftbefehl gegen Friederike Sinclair (geb. Sedlacek) (Quelle: Niederösterreichisches Landesarchiv, Opferfürsorgeakt)


Schreiben der Gestapo (München 1942) (Quelle: Niederösterreichisches Landesarchiv, Opferfürsorgeakt)

Frühe Politisierung
Friederike „Friedl“ Sinclair wuchs in einer sechsköpfigen Wiener Arbeiterfamilie auf. Beide Eltern waren kommunistisch eingestellt und aktiv. Auch Friedl und ihre Brüder vertraten früh ihre eigene politische Meinung. Nach den Februarkämpfen 1934, die für Friedl prägende Ereignisse waren, suchte sie Kontakt mit politisch ähnlich denkenden jungen Menschen. Sie trat dem kommunistischen Jugendverband bei und wurde Mitglied einer neu gegründeten illegalen Jugendgruppe, den Junguraniern. Deren politische Arbeit bestand in Überzeugungsarbeit durch Gespräche mit anderen Jugendlichen. Zudem verteilten sie Flugzettel und besuchten gemeinsam politische Vorträge und Demonstrationen.

Verhaftung
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten forderte die verbotene kommunistische Partei die Jugendlichen auf, sich in NS-Organisationen einzuschleusen. Friedl ging daher zum Bund Deutscher Mädel (BDM), ihr jüngster Bruder zur SA (Sturmabteilung; Kampforganisation der NSDAP). Sie war als Lehrling in einem Kaufhaus tätig, als sie im Juli 1939 verhaftet wurde. Allerdings beruhte ihre Verhaftung auf einem Irrtum. Ein Nachbarjunge beschuldigte sie der Mitgliedschaft in einer Widerstandsgruppe, mit der sie nichts zu tun hatte. Trotzdem wurde sie zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. Ebenso aberkannte ihr das Gericht die „bürgerlichen Ehrenrechte“. Zwei Jahre war Friedl im Zuchthaus Aichach in Einzelhaft, wo sie für die Wehrmacht Socken stricken musste.

Im KZ Ravensbrück
Am 11. April 1942 wurde sie nach Ravensbrück gebracht. Sie erhielt die Häftlingsnummer 10410. Friedl arbeitete in der Schneiderei und war auf jenem Block untergebracht, in dem Rosa Jochmann Blockälteste war. Im Juli desselben Jahres ging sie auf Transport zurück nach Österreich, denn in Krems wurde Angehörigen derjenigen Gruppe, in der sie tatsächlich aktiv gewesen war, der Prozess gemacht. Friedl trat die Reise nach Krems mit vielen Kassibern an, d.h. mit in ihren Kleidern versteckten Nachrichten von Kameradinnen in Ravensbrück an deren Angehörige und FreundInnen. In Krems musste sie zwar wieder in Einzelhaft, wurde selbst aber nicht verhört. Danach überstellte man sie wieder nach Wien, wo sie an Scharlach erkrankte. Nach zwei Jahren in Österreich kam sie im Juli 1944 abermals auf Transport nach Ravensbrück. In den verbleibenden Monaten bis zur Befreiung war sie unter anderem in der Lagerpolizei tätig und hatte die Funktion einer Stubenältesten Funktionshäftlinge inne. In die illegale Widerstandsorganisation im Lager war sie nach Scherzen über Stalin nicht eingebunden worden. Am Evakuierungsmarsch gelang es Friedl trotz schwerer Gelbsucht, mit zwei ebenfalls schwer kranken Frauen zu fliehen. Nach Ende der Kämpfe wurden sie von sowjetischen Soldaten ins Lager zurückgeschickt, um die dort zurückgebliebenen Kranken zu betreuen.

Rückkehr
Von Österreich kam – im Gegensatz zu anderen Ländern – niemand, um die Häftlinge heimzuholen. Daher mussten die Frauen ihren Heimtransport selbst organisieren. Friedl Sinclair und Rosa Jochmann fuhren nach Wien, um mit dem sowjetischen Stadtkommandanten Blagodatow einen solchen Transport zu ermöglichen. Friedl Sinclair setzte nach der Rückkehr nach Wien zunächst ihr Engagement für die KPÖ fort. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 trat sie aber aus der Partei aus. Ihr Ehemann, der vor dem Krieg ebenfalls Mitglied ihrer Jugendgruppe war, aber rechtzeitig fliehen konnte, kam als britischer Soldat nach Österreich zurück. Mit ihm hatte Friedl zwei Söhne. In den 1970er Jahren führte sie eine Trafik. Nach dem Tod von Rosa Jochmann wurde Friedl Sinclair zur Vorsitzenden der österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück gewählt. Unter ihrem Vorsitz und mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Freundin Hilde Zimmermann öffnete sich die Lagergemeinschaft für die Mitarbeit der nächsten Generation. Sie ging als Zeitzeugin in Schulen und unterstützte Wissenschafterinnen und Ausstellungsmacherinnen bei Projekten zum Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Friedl Sinclair ist am 23. Mai 2000, kurz vor ihrem 80. Geburtstag, in Wien gestorben.