Cölestine Hübner

Cölestine HÜBNER,
geb. SLOWAK/SLOVAK

Geboren am 17. März 1905 in Wien
Verfolgungsgrund: politischer Widerstand
Biografische Daten
Cölestine Hübner, undatiert – nach 1945 [1]


Familie und beruflicher Werdegang
Cölestine Slovak, verehelichte Hübner, wurde am 17. März 1905 in Wien geboren. Der Vater Johann Slovak war Modelltischler, die Mutter Anne Slovak war Hausfrau. Das Ehepaar hatte gemeinsam vier Kinder (Johann, Cölestine, Margarethe und Anna), das fünfte Kind, Marie, stammte aus der ersten Ehe des Vaters. Die Familie war (zumindest formal) römisch-katholisch. Cölestine, auch Tini genannt, besuchte die Volks- und Bürgerschule und erlernte danach in einer „Fortbildungsschule“ die Damenschneiderei. Der Schneiderei ging sie danach nur mehr für private Zwecke nach. Nach der Geburt ihres Sohnes Fritz Slovak (ca. 1925) trat sie im Jahr 1926 als Hilfsarbeiterin in eine Kinderwagen-
fabrik ein. Von 1927 bis zu ihrer Verhaftung arbeitete sie für die Holzwarenfirma Lourié & Co.[2]

Stefan Hübner mit Sohn Fritz während eines Besuchs in einer Lungenheilanstalt[5]

In dieser Zeit musste sie auch den Vater ihres Sohnes, Stefan Hübner, geehelicht haben.[3] Doch das Familienleben währte nur kurz. Bereits am 3. Juni 1933 starb ihr Sohn Fritz im Alter von acht Jahren an Tuberkulose, ihr Ehemann starb fünf Jahre später, am 11.12.1938, im Alter von 37 Jahren, vermutlich ebenfalls an Tuberkulose.[4] Die Todesursache der beiden deutet darauf hin, dass die Familie in ärmlichen Verhältnissen gelebt hat.
Cölestine Hübner war eine passionierte Gitarristin und eine lustige Frau. Hübners Gitarrenspiel erwähnt etwa Rudolf Bartonek im Hauptverhandlungsprotokoll des Verfahrens gegen Hübner.[6]
Das Musizieren war ihr zeitlebens wichtig und half ihr über viele schwere Stunden hinweg, aber davon später noch mehr.

Politisches Engagement
Das politische Engagement von Cölestine Hübner lässt sich primär aus Gerichtsakten eruieren, Aussagen von ihr selbst sind nur sehr wenige überliefert.
In der Anklage wird ihr vorgeworfen,
„von Sommer bis Dezember 1939 in Wien fortgesetzt und gemeinschaftlich mit anderen das hochverräterische Unternehmen, mit Gewalt ein zum Reiche gehöriges Gebiet vom Reiche loszureissen und mit Gewalt die Verfassung des Reichs zu ändern, vorbereitet zu haben, wobei die Tat darauf gerichtet war, zur Vorbereitung des Hochverrats einen organisatorischen Zusammenhalt herzustellen und aufrechtzuerhalten“.[7]
Cölestine Hübner habe „mit führenden Funktionären der illegalen KPÖ. Verbindung aufrechterhalten und ihnen ihre Wohnung zu organisatorischen Besprechungen und als Anlaufstelle zur Verfügung gestellt“.[8]
In der Sachverhaltsdarstellung wird beschrieben, dass sie im Sommer 1939 bei einem Besuch in der Wohnung ihres Schwagers Franz Drobics [9] in Kottingbrunn/Leobersdorf den „kommunistischen Instruktor“ Rudolf Bartonek (Deckname „Willi Berger“), der dort einen kommunistischen Schulungsvortrag hielt, kennengelernt habe. In der Folge habe Bartonek Cölestine Hübner wiederholt in ihrer Wohnung in Wien Favoriten in der Puchsbaumgasse 50/20 besucht und es habe sich ein Liebesverhältnis entsponnen. Bartonek habe Cölestine Hübner dann kurz nach dem Kennenlernen die „Provinzbearbeiterin“ Anna Mayer vorgestellt. Cölestine Hübner sollte für diese Post und Verständi-
gungen in ihrer Wohnung entgegennehmen. Anna Mayer sei dann fortan wöchentlich dienstags zur Abholung dieser Verständigungen zu Cölestine Hübner gekommen. Im Sommer 1939 habe Anna Mayer Cölestine Hübner den KPÖ-Bezirksmann für Favoriten, Emmerich Ascher (Deckname „Wagner“), vorgestellt. Ascher habe sich dann ebenfalls die Wohnung von Cölestine Hübner angesehen und habe sie fortan regelmäßig mittwochs oder freitags aufgesucht und auch Anna Mayer dort mehrmals getroffen. Ende November 1939 habe Anna Mayer Cölestine Hübner mit dem kommunistischen Emissär Ludwig Schmidt bekannt gemacht. Dieser habe fortan mehrere Treffen mit anderen kommunistischen Funktionären in der Wohnung von Cölestine Hübner abgehalten. Im Dezember 1939 sei in Hübners Wohnung unter Schmidts Vorsitz eine mehrstündige Organisationstagung von kommunistischen FunktionärInnen, betreffend die Organisation des Kreises Wampersdorf, abgehalten worden. Hübner habe sich zwar nicht an den Gesprächen beteiligt, sei aber anwesend gewesen. Knapp vor Weihnachten 1939 habe eine weitere „Tagung“ in ihrer Wohnung stattgefunden. Ludwig Schmidt habe dabei über die Jugendfrage gesprochen. Weiters seien Anna Mayer und Cölestine Hübner wochenends nach Leobersdorf zu Hübners Schwager Franz Drobics gefahren, wo es ebenfalls KP-Besprechungen gegeben haben soll.[10]
Am 24. Dezember 1939 übernahm Cölestine Hübner in ihrer Wohnung von einem unbekannten Mann einen an Anna Mayer gerichteten Brief. Bei dem Mann handelte es sich um einen Beamten der GESTAPO.[11] Kurz darauf erfolgte die Festnahme von Cölestine Hübner und weiteren GenossInnen.[12]
Da die Gerichtsakten aus der NS-Zeit mit Vorsicht zu interpretieren sind, sind ihre eigenen Aussagen umso bedeutsamer. Cölestine Hübner beschrieb 1947 in einem Fragebogen ihr politisches Engagement während der NS-Zeit knapp folgendermaßen:
„Der Partei die Wohnung zur Verfügung gestellt und selbst Material nach Leobersdorf und Umgebung gebracht.“ [13]
Diese Aussage von Cölestine Hübner bestätigt – wenn auch weniger detailliert – die Vorwürfe in der Anklage gegen sie. Tini wird von ihrer Nichte nicht als ein ausgeprägt politischer Mensch gezeichnet. Vielmehr sei sie durch ihre Bekanntschaft mit Bartonek aufgrund ihrer steten Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit hineingerutscht.[14]

Widerstandsnetzwerk
Cölestine Hübner war Teil eines kommunistischen Widerstandsnetzwerkes in Wien, das in engem Kontakt mit kommunistischen Gruppen in der Umgebung Wiens stand.
Cölestine Hübner und der 1911 geborene Bergmann Rudolf Bartonek (Deckname „Willi“) lernten sich nach ihren Angaben im Prozess im September 1939 über ihren Schwager Franz Drobics kennen. Der KP-Verbindungsmann Bartonek habe bei dieser Zusammenkunft einen mehrstündigen Vortrag über die politische Lage gehalten und habe die Methoden der illegalen Arbeit erklärt. Man solle etwa in die Gliederun-
gen und Organisationen der NSDAP eindringen und dort Zersetzungsarbeit leisten. Die Bevölkerung solle ferner durch Flüsterpropaganda beeinflusst werden und die illegale KPÖ solle sich in kleinen Zellen zu je 3-4 Mitgliedern organisieren. Hübner und Bartonek standen laut Anklage und Urteil in einem Liebesverhältnis zueinander, Hübner bezeichnete ihn in Vernehmungen als ihren „Freund“. Bartonek wurde am 27. Dezember 1939 gemeinsam mit Cölestine Hübner festgenommen.[15] Er wurde zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Bis Kriegsende war er in verschiedenen Gefängnissen (Garst [= Garsten?], Zwickau) und, obwohl seine Haftstrafe noch nicht verbüßt war, auch in Konzentrations-
lagern (KZ Bürgermoor, KZ Esterwegen) auf reichsdeutschem Boden in Haft. Nach der Befreiung ließ er sich in der Sowjetischen Besatz-
ungszone und später in der DDR nieder.[16]
Cölestine Hübner und die „Provinzbearbeiterin“ Anna Mayer wurden einander laut Anklage kurze Zeit nach dem Kennenlernen zwischen Hübner und Bartonek von letzterem vorgestellt. Sie besuchte Hübner fortan teils mehrmals wöchentlich.[17] Anna Mayer, geborene Rohrbach, wurde am 2. Juli 1894 in Wien geboren und arbeitete nach Besuch der Volks- und Bürgerschule in Textilfabriken als Spulerin. Von 1917 bis 1927 war sie verheiratet. In dieser Ehe gebar Anna Mayer auch einen Sohn, der im Zweiten Weltkrieg während des Polen-Feldzugs schwer verwundet wurde und starb. Von 1917 bis 1934 war Mayer Mitglied der SPÖ und einer freien Gewerkschaft, wo sie als Betriebsratsmitglied tätig war. Zwischen 1934 und 1936 [18] trat sie der KPÖ bei. Im Winter 1938/39 übernahm sie von Wilhelm Wehhofer, den sie zuvor bereits vertreten hatte, die Funktion als „Provinzbearbeiterin“. Als solche unterhielt Mayer Kontakte mit verschiedenen KP-Gruppen bzw. Zellen im Umkreis von Wien (Wampersdorf, Pottendorf, Leobersdorf, Mödling, Vöslau,…). Im Rahmen ihrer Tätigkeit lernte sie unter anderem auch höhere Funktionäre wie Ludwig Schmidt oder Eduard Jaroslavsky kennen.[19] Anna Mayer wurde im Jänner oder Februar 1940 verhaftet und am 14. Juni 1941 vor dem Volksgerichtshof in Berlin wegen Hochverrats zu 12 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt. Danach wurde sie ins Zuchthaus Straubing überstellt, von wo sie am 16. Mai 1945 entlassen wurde.[20]
Durch Anna Mayer lernte Tini Hübner im September 1939 den KP-Funktionär Emmerich Ascher kennen, der von nun an ebenfalls regel-
mäßig in Tini Hübners Wohnung kam und sich dort mit Anna Mayer traf. Der Uhrmachergehilfe Ascher wurde am 13. Februar 1909 in Wien geboren und war früh in der Sozialdemokratischen Arbeiter-Jugend aktiv. Später trat er in den Republikanischen Schutzbund ein. 1937 wurde er bereits wegen kommunistischer Betätigung festgenommen und saß für mehrere Monate in Haft. Er blieb auch danach politisch aktiv und wurde im Spätsommer 1939 der KP-Bezirksleiter für Favoriten.[21] Im Dezember 1939 wurde er festgenommen. Ascher wurde im Juni 1941 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt und befand sich bis Juli 1943 in Haft, ehe er zur Strafeinheit 999 [22] überstellt wurde. Hier verliert sich seine Spur, er gilt als vermisst.[23]
Ebenfalls durch Anna Mayer lernte Hübner den kommunistischen Emissär Ludwig Schmidt kennen, der auch mehrmals in ihre Wohnung kam und dort beispielsweise über die „Jugendfrage“ referierte. Der am 27. November 1913 geborene Ludwig Schmidt wurde in den verschie-
denen Verfahren als „Hauptdrahtzieher“ dargestellt. Der Spitzenfunktionär Schmidt wurde kurz vor dem Krieg vom Zentralkomitee in Paris nach Wien entsandt, um dort die illegale Arbeit voranzutreiben.[24] Am 9. Dezember 1939 wurde er in Wien verhaftet, am 19. Februar 1942 wurde er in Berlin zu lebenslanger Haft, in einem weiteren Verfahren am 4. November 1942 schließlich zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde in Berlin-Plötzensee vollstreckt.[25]
Teil des Netzwerks war auch der Hilfsarbeiter Ludwig Alfons, ein am 22. Jänner 1892 geborener KP-Funktionär aus Wampersdorf. Besprechungen zur Organisation des Kreises Wampersdorf fanden laut der Urteile gegen Ludwig Alfons und Cölestine Hübner teils in Tini Hübners Wohnung statt. Alfons war von 1922 an SP-Mitglied, „Betriebsobmann“ einer Papierfabrik und später auch im Republikanischen Schutzbund aktiv. 1931 trat er zur KP über. Bereits Mitte der 1930er-Jahre war er Leiter der kommunistischen Ortsgruppe Wampersdorf und hielt Kontakte nach Wien (unter anderem zu Anna Mayer). Im Jänner 1940 wurde er festgenommen.[26] Alfons wurde im Juni 1941 zu acht Jahren Zuchthaus und acht Jahren Ehrverlust verurteilt.[27]

Franz und Marie Dobrics mit ihrem Adoptivsohn Herbert, undatiert [34]
In der „Provinz“ befand sich auch Hübners Schwager Franz Drobics. In seinem Haus in Leobersdorf wurden ebenfalls Besprechungen abgehalten. Franz Drobics sorgte dafür, dass Cölestine Hübner nach ihrer Verhaftung monatlich Geld aus den Erträgen der Sammlungen der KP Leobersdorf bekam. Drobics wurde am 19. Oktober 1897 in Neuhaus geboren. Im Jahr 1924 trat er der SPÖ (damals: Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschösterreichs) bei, später dem Republikanischen Schutzbund und wiederum später betätigte er sich in der Kommunistischen Partei. Im Prozess wurden sieben Arbeiter der Enzesfelder Metallwerke, einer Munitionsfabrik, angeklagt, eine illegale Gruppe gebildet und als solche u.a. Flugschriften verbreitet zu haben. Die Flugschriften wurden laut Urteil erst von Bartonek, später von Anna Mayer aus Wien geliefert. Drobics wurde vorgeworfen, die Verbindung nach Wien gehalten zu haben, indem er sich mit Cölestine Hübner, Anna Mayer und anderen in Wien getroffen und seine Wohnung in Leobersdorf für Treffen mit den Wiener GenossInnen zur Verfügung gestellt hätte.[28] Franz Drobics wurde am 16. Juni 1941 vor dem Volksgerichtshof in Berlin zu 8 Jahren Zuchthaus und 8 Jahren Ehrverlust verurteilt.[29] Entgegen anderslautenden Informationen überlebte Dobrics die Haft in den Gefängnissen Moosbierbaum [30] und Stein an der Donau.[31] Er kehrte nach der Befreiung nach Kottingbrunn zurück und nahm seine Arbeitsstelle bei den Enzesfelder Metallwerken wieder auf. Er starb 1955 im Alter von 58 Jahren.[32] Über Franz Dobrics‘ Frau und Cölestines Halbschwester, Marie, ist in den Akten nichts zu finden. Sie konnte offensichtlich glaubhaft vermitteln, lediglich „unwissende Ehegattin“ zu sein. Ihre Nichte kann sich aber an Erzählungen der Tante erinnern, wie sie beispielsweise mitgeholfen habe, die Druckermaschine im Misthaufen zu verstecken. Ob Marie darüber hinaus politisch aktiv war und inwiefern sie die Aktivitäten ihres Mannes unterstützt hat, ist jedoch nicht bekannt.[33] Cölestine Hübner war selbst keine hochrangige kommunistische Funktionärin, stellte aber ihre Wohnung als Infrastruktur – als Anlaufstelle und Versammlungsort – zur Verfügung. Die Geschichte von Cölestine Hübner verdeutlicht die wichtige Rolle vieler Frauen als Netzwerkerinnen und Bereitstellerinnen von Infrastruktur im Widerstandskampf gegen den Nationalsozialismus.

Prozess
Am 17. Juli 1941 wurde Anklage gegen Cölestine Hübner wegen Vorbereitung zum Hochverrat erhoben. Am 30. September 1941 fand die Hauptverhandlung statt. Hübner bekannte sich als „nicht schuldig“ und leugnete jede Betätigung für die kommunistische Bewegung. Sie stellte in ihrer Verteidigungsstrategie alle ihre Beziehungen als ausschließlich freundschaftlich und unpolitisch dar:
„Ich habe mich wirklich nie mit Politik befasst. Bartonek hat mir auch nie erzählt, dass er sich mit Politik befasse, ich hätte sonst bestimmt mit ihm gebrochen. Ich habe keine Ahnung, was die Kommunisten sind. Ich wusste wohl, dass es welche gab – dass es Illegale gab, wusste ich nicht – und dass die kommunistische Partei verboten ist.“ [35]
Anna Mayer sei ihr von Bartonek als einsame, alleinstehende Frau vorgestellt worden. Daraufhin habe sie mit ihr Freundschaft geschlossen. Mayer habe öfter Personen in ihre Wohnung mitgebracht, sie selbst habe aber an diesen Zusammenkünften nicht teilgenommen und habe ihre Freundin Annerl auch gebeten, künftig keine Herren mehr mitzunehmen.[36]
Hübners Verteidigungsstrategie wurde im Prozess als unglaubhaft gewertet, da sie mit so vielen kommunistischen FunktionärInnen in Verbindung stand. Es konnte ihr im Lauf des Verfahrens aber weder die Ausübung einer politischen Tätigkeit, noch die Teilnahme an den in ihrer Wohnung stattgefundenen Besprechungen nachgewiesen werden. Ein „Tätervorsatz“ zur Vorbereitung zum Hochverrat galt somit als nicht erwiesen, festgestellt wurde jedoch ein „Gehilfenvorsatz“:
„[…] ihre Tätigkeit war nicht auf die gewollte Unterstützung und Förderung des Kommunismus gerichtet, sondern es geschah die Ueberlassung ihrer Wohnung für die Besprechungen kommunistischer Parteigänger und als Anlaufstelle für die kommunistische Funktionärin Anna Mayer in der Absicht, die verbotene Tätigkeit der kommunistischen Parteigänger zu unterstützen.“ [37]
Aufgrund der Aussagen von Rudolf Bartonek, Anna Mayer, Emmerich Ascher, Franz Drobics und Ludwig Schmidt, die Cölestine Hübners Aussagen zwar grundsätzlich stützten, aber selbst allesamt kommunistische FunktionärInnen waren, galt Hübner schließlich als „überführt“. Sie habe wissentlich die Arbeit der verbotenen kommunistischen Partei unterstützt und damit die hochverräterischen Ziele der illegalen KPÖ gefördert. Das Urteil gegen Cölestine Hübner wurde am 7. Oktober 1941 vom 7. Senat des Oberlandesgerichts Wien gesprochen. Als Strafmaß wurden zwei Jahre Zuchthaus und zwei Jahre Ehrverlust festgelegt. Ein Jahr und neun Monate der Untersuchungshaft wurden auf die erkannte Strafe angerechnet. Als erschwerend wurde gewertet, dass die Tathandlungen großteils während der Kriegszeit stattfanden, als mildernd sah der Gerichtshof den Umstand, dass „sie zweifellos unter dem Einfluss des Rudolf Bartonek gestanden ist“.[38]

Haft
Aus ihrer Haftzeit im KZ-Ravensbrück ist ein Schreiben mit der Gestattung eines Wäschepakets erhalten geblieben.[46]
Am 27. Dezember 1939 wurde Cölestine Hübner verhaftet und fortan in der Roßauer Lände festgehalten. Am 24. Juli 1940 [39] kam sie zur gerichtlichen Untersuchungshaft in das Landesgericht I. Am 16. April 1941 wurde sie in die Haftanstalt Krems überstellt [40], von wo sie am 7. Jänner 1942 wieder ins Polizeigefangenenhaus Wien (Roßauer Lände) [41] und nach abgebüßter Haftstrafe im März 1942 [42] ins Konzentrationslager Ravensbrück verbracht wurde.
Cölestine Hübner bekam während ihrer Haftzeit in Ravensbrück von der Lagerleitung mehrere Funktionen übertragen, darunter die der Blockältesten und als Funktionshäftling in der Kleider-
kammer.[43] In ihrer Zeugenaussage in der Strafsache gegen Marianne S. und Aloisia Plaichner erwähnte sie, dass sie insgesamt drei, vier Jahre lang Blockälteste auf Block 20 war.[44]
Für ihr anständiges und korrektes Verhalten im Konzentrationslager bürgte unter anderem Rosa Jochmann.[45]
Während ihrer Haftzeit in Ravensbrück schaffte Tini Hübner es, sich aus der Effektenkammer eine Gitarre zu organisieren. Hermine Jursa erinnerte sich später an das gemeinsame Musizieren:
„Wir haben in den Blocks Veranstaltungen gemacht am Sonntag. Wir haben Posten ausgesetzt, dass die SS uns nicht überraschen kann und haben den Menschen Musik, Lieder gebracht. Wir haben gespielt und gesungen. Unsere Tini Hübner und die Freiberger Mimi und ich teilweise auch mit, wir haben so schöne Wienerlieder gesungen und haben damit die Leute aufgerichtet. Also, das war auch ein Moment, wo wir wirklich den Leuten, also den Hoffnungslosen, wieder Hoffnung gebracht haben.“ [47]
Als die Alliierten schon nah waren, „evakuierte“ die SS die Häftlinge. Tini Hübner beschaffte sich allerdings gemeinsam mit ein paar anderen Frauen Lagerpolizei-Uniformen, um dem Evakuierungsmarsch zu entkommen.[48]
Insgesamt 64 Monate verbrachte Cölestine Hübner in Haft, ehe sie am 30. April 1945 frei kam.

Rückkehr

Grete Stabey und Cölestine Hübner auf ihrem Balkon in Wien 10, Buchengasse 7


Grete Stabey, 1957


Cölestine Hübner an der Gitarre, 1957 [57]
In einem auf den 20. Juli 1945 datierten Text beschreibt Cölestine Hübner ihre Rückkehr nach Wien. Gemeinsam mit dem „Rest von zermürbten, kranken Österreicherinnen aus einem berüchtigten KZ“ fuhr sie mit einem alten, ausgedienten Autobus in der Nacht in Wien ein:
„Welch ein Wiedersehen! Zum Zerspringen pochten unsere Herzen den ganzen langen mühseligen Weg, der mit vielen Schwierigkeiten überwunden werden musste, aber als es hieß, wir fahren in Wien ein (sehen konnten wir kaum etwas) stockte unser Atem und unsere Herzen drohten stille zu stehen, vor Freude, aber auch vor Schmerz. Wer könnte sowas nicht verstehen. Welch ein Wiedersehen nach 7 Jahren. Dunkelheit umfing uns und eine unheimliche Stille. – Kein Lebewesen war zu sehen. Ja, sind wir in einer toten Stadt?“ [49]
Ein Fensterflügel fiel auf den Autobus und traf mit Glück nicht den offenen Lastwagen, in dem die Schwerkranken liegend transportiert wurden. Im Angesicht der Trümmerhaufen stellt Hübner fest:
„Die Freude über unsere Heimkehr drang nicht mehr vor, und mit blutenden Herzen erkannten wir den Leidensweg den unser Wien gehen musste.“ [50]
Tini Hübner wohnte nach ihrer Rückkehr wieder in Wien-Favoriten, erst in der Buchengasse 7 III/I/4[51] , später in der Reisingerstraße 2 [52] und im Emil-Fucik-Hof, einem Gemeindebau in der Gudrunstraße 55-103/II/2 [53]. Ihre alte Wohnung, Möbel und alles Weitere hatte sie verloren, man stellte ihr im Gegenzug eine leere Wohnung zur Verfügung. Am 1. Dezember 1947 bat Cölestine Hübner daher um „Geschirr und Wäsche überhaupt etwas zum Anziehen […]“ [54] Eine Zeit lang lebte ihre Haftkollegin und enge Freundin Grete Stabay bei ihr.[55]
Die Gitarre, die sich Tini Hübner in Ravensbrück organisiert hatte, brachte sie mit nach Wien. Auf ihr spielte sie bei geselligen Anlässen. Heute befindet sich die Gitarre in der Dauerausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.[56]
Nicht nur die Gitarre nahm sie mit aus Ravensbrück. Sie gewann dort auch eine Freundin, Grete Stabey, mit der sie lange Zeit ihre Wohnung teilte. Von der tiefen Verbundenheit zeugt ebenfalls, dass Grete im Hübnerischen Familiengrab am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt wurde.[58] Auch zu anderen österreichischen Überlebenden des KZ Ravensbrück hielt Tini Kontakt, darunter etwa Elisabeth Werner [59] aus Tirol. Tini war außerdem in der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück aktiv. Ein Foto von der Gründungsfeier im alten Rathaus zeigt, dass sie seit den Anfängen mit dabei war. Zwischen 1973 und 1982 war sie zudem Mitglied des Erweiterten Ausschusses der Lagergemeinschaft.[60]
Aus ihrer Haftzeit hatte Cölestine Hübner gesundheitliche Folgeschäden: In einem Fragebogen nannte sie Nervenentzündungen auf beiden Händen [61], die Nichte erwähnt chronische Ischias-Probleme, die wiederholte Kuraufenthalte notwendig machten.[62]
Politisch wandte sich Cölestine Hübner nach ihrer Rückkehr – so wie viele andere „Ravensbrückerinnen“ auch – der SPÖ zu. Sie hatte dort zwar keine Funktionen inne, war aber über Jahrzehnte aktives Mitglied des SPÖ-nahen Arbeitersängerbund Favoriten (ASB). Auch nahm sie ihre Hilfsarbeitstätigkeit bei der Fa. Lourié & Co, einem mechanischen Holzverarbeitungsbetrieb [63] im 10. Wiener Gemeindebezirk, wieder auf.
Cölestine Hübner verstarb am 27. August 1982 als Trägerin des „Ehrenzeichens für Verdienste um die Befreiung Österreichs“ nach „langem, schweren Leiden“ im 77. Lebensjahr in Wien.[64]

© Elke Rajal

[1] Privatarchiv Anna Baumgartner.
[2] DÖW, Akt 8138, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes und Urteil des 7. Senates des Oberlandesgericht Wien gegen Hübner Cölestine.
[3] Das genaue Datum der Hochzeit konnte nicht eruiert werden.
[4] Die Information zu den Sterbedaten stammt von der Nichte Anna Baumgartner (Gespräch vom 15.02.2017). Die Altersangaben sind dem Gräberverzeichnis der Stadt Wien entnommen: https://www.friedhoefewien.at/grabsuche_de (15.02.2017).
[5] Privatarchiv Anna Baumgartner.
[6] DÖW, Akt 40392, Hauptverhandlungsprotokoll in der Strafsache gegen Cölestine Hübner.
[7] DÖW, Akt 8138, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes und Urteil des 7. Senates des Oberlandesgericht Wien gegen Hübner Cölestine.
[8] DÖW, Akt 8138, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes und Urteil des 7. Senates des Oberlandesgericht Wien gegen Hübner Cölestine.
[9] In der Anklageschrift (DÖW, Akt 8138) lautet die Schreibweise Drobicz. Laut Auskunft von Anna Baumgartner, der Nichte von Cölestine Hübner, ist die richtige Schreibweise Drobics.
[10] DÖW, Akt 8138, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes und Urteil des 7. Senates des Oberlandesgericht Wien gegen Hübner Cölestine.
[11] Geheime Staatspolizei.
[12] DÖW, Akt 8138, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes und Urteil des 7. Senates des Oberlandesgericht Wien gegen Hübner Cölestine.
[13] DÖW, Akt 50104/1, Fragebögen ausgefüllt von überlebenden Frauen des KZ Ravensbrück. 1947 bis 1949.
[14] IKF, Gespräch mit Anna Baumgartner vom 7.2.2017.
[15] DÖW, Akt 8138, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes und Urteil des 7. Senates des Oberlandesgericht Wien gegen Hübner Cölestine.
[16] Gieseke, Jens (2010): Rudolf Bartonek. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1, Berlin: Ch. Links.
[17] DÖW, Akt 8138, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes und Urteil des 7. Senates des Oberlandesgericht Wien gegen Hübner Cölestine.
[18] Hier differieren die Angaben zwischen dem DÖW-Akt 20000/h722 und dem DÖW-Akt 3297.
[19] DÖW, Akt 20000/h722.
[20] DÖW, Akt 20000/m226.
[21] DÖW, Akt 19793/193, VGH-Urteil vom 21.6.1941.
[22] Die Strafdivision 999 war ein im Oktober 1942 gebildeter Sonderverband der deutschen Wehrmacht, zusammengesetzt aus sogenannten Bewährungseinheiten, Personen, die bisher vom Dienst der Wehrmacht ausgeschlossen waren, etwa aufgrund einer Zuchthausstrafe.
[23] Personendatenbank „Opfer politischer Verfolgung“, www.doew.at (Stand: 22.12.2016).
[24] DÖW, Akt 3297, Anklageschrift beim Volksgerichtshof vom 31.1.1941 gegen Wehofer Wilhelm, Mayer Anna und Alfons Ludwig.
[25] http://www.klahrgesellschaft.at/KaempferInnen/Schmidt.html (Stand: 21.12.2016).
[26] DÖW, Akt 3297, Anklageschrift beim Volksgerichtshof vom 31.1.1941 gegen Wehofer Wilhelm, Mayer Anna und Alfons Ludwig.
[27] DÖW, Akt 19793/204, VGH-Urteil gegen Wilhelm Wehofer, Anna Mayer und Ludwig Alfons vom 14.06.1941.
[28] DÖW, Akt 11097, Anklageschrift des Oberreichanwaltes beim VGH gegen Gaubmann Friedrich, Lugger Josef, Granner Franz, Drobics Franz, Schagl Johann, Kölbl Franz und Wohoska Franz wegen Vorbereitung zum Hochverrat.
[29] DÖW, Akt 193793/43, VGH-Urteil vom 16.6.1941.
[30] Moosbierbaum gehört heute zur Gemeinde Atzenbrugg im Bezirk Tulln. Atzenbrugg war bis vor wenigen Jahrzehnten Gerichtsstandort. (https://de.wikipedia.org/wiki/Atzenbrugg, 16.2.2017)
[31] Personendatenbank „Opfer politischer Verfolgung“, www.doew.at (Stand: 21.12.2016).
[32] IKF, Gespräch mit Anna Baumgartner vom 7.2.2017.
[33] IKF, Gespräch mit Anna Baumgartner vom 7.2.2017.
[34] Privatarchiv Anna Baumgartner.
[35] DÖW, Akt 40292, Hauptverhandlungsprotokoll in der Strafsache gegen Cölestine Hübner.
[36] DÖW, Akt 40392, Hauptverhandlungsprotokoll in der Strafsache gegen Cölestine Hübner.
[37] DÖW, Akt 8138, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes und Urteil des 7. Senates des Oberlandesgericht Wien gegen Hübner Cölestine.
[38] DÖW, Akt 8138, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes und Urteil des 7. Senates des Oberlandesgericht Wien gegen Hübner Cölestine.
[39] Abweichend wird auch das Datum 16. Juli 1940 genannt (DÖW, Akt 20000/h722).
[40] DÖW, Akt 8138, Anklageschrift des Generalstaatsanwaltes und Urteil des 7. Senates des Oberlandesgericht Wien gegen Hübner Cölestine.
[41] DÖW, Akt 20000/h722.
[42] Im zuvor angeführten Akt 20000/h722 wird der Juli genannt, Cölestine Hübner selbst nennt in einem Fragebogen aber den März 1942, vgl. Akt 50104/1, Fragebögen ausgefüllt von überlebenden Frauen des KZ Ravensbrück. 1947 bis 1949.
[43] DÖW, Akt 5014/26, Eidessstattliche Erklärung von Cölestine Hübner über den Aufenthalt von Anna Find im KZ Ravensbrück.
[44] Zeugenaussage am 8.11.1948 (Vg 8Vr 6096/47).
[45] DÖW, Akt 50104/418, Eidesstattliche Erklärung KZ-Verband.
[46] DÖW, Akt 2090, Verschiedene Originaldokumente aus KZ Ravensbrück.
[47] IKF, Interview mit Hermine Jursa vom 10.11.1998.
[48] IKF, Interview mit Anna Borst vom 8.11.1998.
[49] Privatarchiv Anna Baumgartner, Cölestine Hübner, Bericht über Ankunft in Wien vom 20.07.1945.
[50] Ebd.
[51] DÖW, Akt 50104/1, Fragebögen ausgefüllt von überlebenden Frauen des KZ Ravensbrück. 1947 bis 1949.
[52] DÖW, Akt 1776, Unvollständige Namensliste von österreichischen Frauen, die im KZ-Ravensbrück inhaftiert waren.
[53] DÖW, Akt 50104/34A, Forschungsauftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung: „KZ-Haft und Störungen der Nachfolgegenerationen – eine Untersuchung an im KZ-Ravensbrück inhaftierten Frauen und deren Kindern“. In diesem Dokument ist eine falsche Hausnummer angeführt.
[54] DÖW, Akt 50104/1, Fragebögen ausgefüllt von überlebenden Frauen des KZ Ravensbrück. 1947 bis 1949.
[55] IKF, Gespräch mit Anna Baumgartner vom 2.5.2013. Grete Stabey, geboren am 8.7.1899 in Graz, wurde bereits im September 1938 wegen „Widerstand gegen Führer und Partei“ verhaftet, zunächst in das KZ Lichtenburg, dann in das KZ Ravensbrück verbracht, wo sie von 15.5.1939 bis zur Befreiung Ende April 1945 inhaftiert war.
[56] IKF, Gespräch mit Anna Baumgartner vom 3.4.2013.
[57] Privatarchiv Anna Baumgartner. Die Zweite rechts von Cölestine Hübner ist Grete Stabey. Auch die beiden oberhalb abgebildeten Fotos stammen aus dem Privatarchiv Anna Baumgartner.
[58] Gräberverzeichnis der Stadt Wien, entnommen: https://www.friedhoefewien.at/grabsuche_de (15.02.2017).
[59] Elisabeth Werner wurde am 2.3.1902 in Dortmund (Deutschland) geboren, lebte jedoch seit 1959 in Tirol, wo sie 1996 auch verstarb. Der Grund für ihre Verhaftung am 9.1.1941 und ihre Inhaftierung in Ravensbrück (2.3.1943-29.4.1945) konnte nicht mit Bestimmtheit eruiert werden. Der Verfolgungsweg legt jedoch eine politische Betätigung nahe.
[60] Amesberger, Helga und Lercher, Kerstin (2008): Lebendiges Gedächtnis. Die Geschichte der österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück. Wien: Mandelbaum Verlag, S. 117.
[61] DÖW, Akt 50104/1, Fragebögen ausgefüllt von überlebenden Frauen des KZ Ravensbrück. 1947 bis 1949.
[62] IKF, Gespräch mit Anna Baumgartner vom 7.2.2017.
[63] Die Firma Lourié & Co. wurde 1938 durch Eduard Pötzl arisiert und unter dem Namen „Pötzl & Weigensamer Wiener Holzwerke“ weiter geführt. Ende der fünfziger Jahre wurde die Firma Lourié & Co. an die Familie restituiert. (www.lostart.de)
[64] DÖW. Akt 50104/61B, Nachrufe für verstorbene ehemalige Häftlinge des Frauen KZ-Ravensbrück, mit kurzem Lebenslauf.