AufseherInnen


Inhalt

KZ-Aufsicht als Karrierechance für Frauen
Gewalt durch Aufseherinnen
Sexualisierte Gewalt

KZ-Aufsicht als Karrierechance für Frauen

Maria Mandl als Angeklagte bei den Krakauer Auschwitzprozessen 1947 (Quelle: USHMM)

Viele Frauen nutzten die Chance, durch eine Tätigkeit als KZ-Aufseherin dem Elternhaus zu entfliehen und sozial aufzusteigen. Damit taten sich für viele neue Handlungsspielräume auf. Der überwiegende Teil der Aufseherinnen in Ravensbrück stammte aus der Unterschicht und war schlecht ausgebildet. [1] Neben zwangsverpflichteten Aufseherinnen traten Frauen auch freiwillig in den Dienst der SS, um Karriere zu machen. Eine von ihnen war die oberösterreichische Reinigungshilfe Maria Mandl. [2]
„So eine junge Aufseherin ist mir beigegeben worden, die war Österreicherin. […] Das war die Mandl. Die war schön, dass ich zu ihr gesagt habe: Frau Aufseherin, gehns heim, tuns net Aufseherin spielen. Sie sind zu schön, um Aufseherin zu spielen. – Nein, ich hab dem Führer einen Eid geschworen ich bleib da. […] Die hat dann einen Stern gekriegt, einen zweiten Stern und einen dritten. Jetzt ist sie Oberaufseherin in Lichtenburg worden, dann in Ravensbrück, und auch in Auschwitz hat sie Oberaufseherin gespielt. […] Und sie hat geglänzt, Stiefel, feine Uniform, sie war Oberaufseherin, hat befehlen können. Sie hat schlagen können, sie hat erschlagen können. Später war sie dann Geliebte des Kommandanten […]. Je mehr er sie gefördert hat, umso grauslicher ist sie geworden. […] Sie ist zur Bestie geworden.“ [3]
Andere Aufseherinnen schöpften ihren Handlungsspielraum nicht aus: „Bei den Aufseherinnen hast manchmal das Glück gehabt, dass du eine halbwegs Gute erwischt hast.“ [4]

Im KZ Ravensbrück verrichteten zwischen Mai 1939 und April 1945 insgesamt mindestens 4.000 Aufseherinnen ihren Dienst bzw. wurden dort ausgebildet. [5]

Gewalt durch Aufseherinnen

SS-Aufseherin und Häftlinge
(Quelle: DÖW/Ravensbrück-Archiv)


„Heute sehe ich es noch, wie wir marschiert sind und eine alte Frau ist zusammengebrochen. Die hat sie erschossen. Und dann hat die SS-Frau zu ihrer Freundin gesagt: „Hast gesehen? Das war ein Schuss! Dann haben sie gelacht.“ [6] „Die Aufseherinnen haben damit kokettiert, dass sie sich ebenso männlich benehmen und die Häftlinge halb tot schlagen können, sie wollten demonstrieren, was sie sozusagen für Burschen sind.“ [7]
Derartige Gewalt war generell Angst einflößend, aber besonders verstörend wirkte sie, wenn sie von Aufseherinnen, also Frauen, ausgeübt wurde. In den Augen der Überlebenden waren die Aufseherinnen oft brutaler als ihre männlichen Kollegen. [8] Ob die Aufseherinnen tatsächlich grausamer waren als die SS-Männer, ist strittig. Alle Taten, die der weiblichen Bewachung vorgeworfen wurden, konnten auch den Aufsehern nachgewiesen werden. Vermutlich haben die Aufseherinnen so gar nicht dem gängigen Frauenbild entsprochen und wurden daher im Vergleich zu den Männern als brutaler eingeschätzt. Diese Vorstellung von Frauen beinhaltete Eigenschaften wie Mütterlichkeit und Fürsorge. Mit ihrem brutalen Vorgehen enttäuschten die Aufseherinnen die Erwartungshaltung der Häftlinge. [9]

Sexualisierte Gewalt
Die weiblichen Häftlinge wurden nicht nur von Aufseherinnen bewacht, sondern auch von Männern. Dies stellte eine zusätzliche Gefährdung dar. Per Dienstordnung war der SS jeder persönliche Kontakt zu Häftlingen verboten. [10] Dennoch missbrauchten SS-Männer die Häftlingsfrauen:
„Mein Gott, der hat einmal eine Russin gehabt. Eine Russin. Ein fesches, junges Mädchen. Und wahrscheinlich, war sie auch verliebt in ihn, das weiß ich nicht, jedenfalls hat das Verhältnis wieder aufgehört. Und dann hat er sie, haben wir am Appellplatz einen großen Sandhaufen gehabt, hat er sie dort raufgestellt, nackert dann, und er hat sie verprügelt. Die hat gerauft mit ihm. Die hat sich gewehrt. Logisch, sie hat sterben müssen, das ist eh klar.“ [11]
Oftmals verachteten die Mithäftlinge diese Opfer der sexuellen Gewalt. [12]

Hinzu kam die Unmöglichkeit, sich den demütigenden Blicken der SS-Männer zu entziehen, etwa bei der Aufnahmeprozedur oder den Selektionen:
„Na, und dann hinein ins Bad. Da haben wir im Gänsemarsch hineingehen müssen. Das war alles abgeschlossen, dass man nicht rauskönnen hat. Die SS-Männer sind alle 5 Meter oder 10 Meter gestanden, und haben jede begutachtet, wie wir hineingegangen sind. Also, vor den Männern hat man doch viel Angst gehabt. Die haben auch zugeschlagen.“ [13]

Was von den Häftlingsfrauen als Demütigung und Erniedrigung empfunden wurde, war auf Seiten der SS ein Auskosten der Macht. [14]


[1] Annette Leo, Ravensbrück – Stammlager. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors (Geschichte der Nationalsozialistischen Konzentrationslager 4, München 2006) S. 473-520, hier S. 498.
[2] Vgl. Monika Müller, Die Oberaufseherin Maria Mandl. Werdegang, Dienstpraxis und Selbstdarstellung nach Kriegsende. In: Simone Erpel (Hg.): Im Gefolge der SS: Aufseherinnen des Frauen-KZ Ravensbrück. Begleitband zur Ausstellung (Berlin 2007) S. 48-59.
[3] Hanna Sturm, Die Lebensgeschichte einer Arbeiterin. Vom Burgenland nach Ravensbrück (Wien 1982) S. 136.
[4] Rosa Winter, IKF-Interview von Helga Amesberger (1998).
[5] Simone Erpel, Einführung. In: Simone Erpel (Hg.): Im Gefolge der SS: Aufseherinnen des Frauen-KZ Ravensbrück. Begleitband zur Ausstellung (Berlin 2007)
S. 15-36, hier S. 23.
[6] Gisela Samer, IKF-Interview von Hemma Mayrhofer (1998).
[7] Hilde Zimmermann, Wie auf Eis gelegt. In: Karin Berger, Elisabeth Holzinger, Lotte Podgornik, Lisbeth N. Trallori (Hg.): Ich geb dir einen Mantel, daß Du ihn noch in Freiheit tragen kannst. Widerstehen im KZ. Österreichische Frauen erzählen (Wien 1987) S. 15-23, hier S. 19.
[8] Vgl. bspw. Irith Dublon-Knebel, „Erinnern kann ich mich nur an eine Frau Danz…“. Die Aufseherin Luise Danz in der Erinnerung ihrer Opfer. In: Gisela Bock, Genozid und Geschlecht. Jüdische Frauen im nationalsozialistischen Lagersystem (Frankfurt/New York 2005), S. 66-84; Angelika Ebbinghaus, Opfer und Täterinnen (Frankfurt a.M. 1996).
[9] Helga Amesberger, Zur Produktion von Geschlecht in lebensgeschichtlichen Interviews. In: BIOS. Zeitschrift für Biografieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen (1/2009) S. 105-116.
[10] Vgl. Helga Amesberger, Katrin Auer, Brigitte Halbmayr, Sexualisierte Gewalt. Weibliche Erfahrungen in NS-Konzentrationslagern (Wien 2004).
[11] Marianne Krasovec, IKF-Interview von Helga Amesberger (1998).
[12] Amesberger, Auer, Halbmayr, Sexualisierte Gewalt, S. 144.
[13] Aloisia Schober, IKF-Interview von Helga Amesberger (1998).
[14] Amesberger, Auer, Halbmayr, Sexualisierte Gewalt, S. 70.

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