Karla Glaubauf

Ja, also ich bin geboren am 18. September 1910 in Lüneburg. Meine Eltern sind damals nur dorthin gezogen, dass ich dort zur Welt komme. Weil wir waren dann in Hamburg. Dort waren wir also die ganze Zeit und da ist auch meine Schwester zur Welt gekommen. Wir waren vier Personen, mein Vater war Beamter und er hat auch während des Ersten Weltkrieges sehr viel verdient, weil er ist immer ins alte Land gefahren und hat dort die Lebensmittel gebracht, also wir haben überhaupt keinen Hunger gelitten. Und außerdem haben wir in einem Haus gewohnt, da war eine Bäckerei und da haben wir also auch alles gekriegt, was wir brauchten, Brot, et cetera. Also dann ist der Krieg zu Ende gewesen, da war ich 18 Jahre. Und ich bin in die Mittelschule gegangen bis zur Obersekunda-Reife und dann habe ich Handelsschule besucht, Hausfrauenschule und so weiter. Also meine Eltern haben nicht irgendwie Wert drauf gelegt, dass ich also bis zur Matura gehe. Ich habe keine Lust gehabt. Karlas zweiter Mann Moritz war Jude. Die Nationalsozialisten entzogen den Juden Schritt für Schritt ihre Lebensgrundlage. Moritz floh über Tschechien zu seiner Schwester nach Wien; Karla folgte ihm. Das war 1934/35. Ich habe immer gleich wieder einen Job gehabt. Ich habe verkauft den Alabastergips für die Zahnärzte und diese Abdruckmasse, und die Zahnärzte haben mich natürlich alle gefragt, weil ich habe ja damals auch sehr nach der Schrift gesprochen, wieso, warum, weshalb. Ich habe ihnen erzählt und sie haben gesagt: „Na, uns österreichischen Juden kann das nicht passieren.“ Habe ich ihnen immer gesagt: „Ihr Wort in Gottes Ohr. Ich glaube das nicht, im Gegenteil, lesen Sie einmal das Buch, da werden Sie sehen, ‚Mein Kampf‘, was alles sein wird“. Na, und so ist es dann wirklich gekommen. Also dann ist der Hitler gekommen, ‘38, und wir waren dann versteckt bei Freunden. Fünf Personen. Karla und ihr Mann Moritz mussten sich vor den Nazis verstecken. Sie fanden zunächst Unterschlupf in einer Werkstatt, dann eine Wohnung in Baden. Der Moritz hat dann einen Job gefunden bei einer Elektro-Firma. Also in seinem Fach. Und wir sind nach Baden gezogen. Und dort haben wir also gewohnt, bis wir eingesperrt worden sind, ‘43. — Ja, ja. — Es war sehr schwer. Man musste immer rechnen mit irgendwas. Na, in Baden an und für sich, die Zeit war nicht schlecht. Trotzdem wir reingekommen sind nach Baden, da war ein Transparent, ganz groß, “Baden ist die erste ostmärkische Stadt, die judenrein ist.” Und wir sind eingezogen. (lacht) Eingesperrt worden sind wir eigentlich deswegen: ich habe gearbeitet politisch, und ein Bruder vom Moritz ist aus Brünn gekommen, der hat illegal bei uns gewohnt. Weil damals waren auch die deutschen Nationalsozialisten auch schon in Brünn. Und er ist ins Kaffeehaus gegangen, wurde eines Tages, irgendwie sind sie draufgekommen, dass es irgendwie nicht normal ist, dass ein Mensch, 40 Jahre alt, dass er nicht arbeitet, und so weiter. Und dann sind sie dem nachgegangen, und dann sind wir dann alle verhaftet worden. Und die zwei Männer sind nach Auschwitz und sind „auf Nimmerwiedersehen“. Und ich bin dann also zuerst auf die Liesl, die Elisabethpromenade, und bin dann auf Transport gegangen nach Krems. Und nach einiger Zeit bin ich dann wieder geholt worden und auf Transport gegangen nach Ravensbrück. Und in Ravensbrück angekommen, mussten wir dann uns ausziehen, also es wurde uns alles weggenommen, nicht, an Ringen, was man noch gehabt hat, und am nächsten Tag ist man dann auf den Block gekommen. Und die Aufseherin hat gesagt, sie braucht jemanden für die Kartei zum Schreiben. Und die Freundin da ruft mich, also: „Die Karla, die Karla!“, nicht? Und die Aufseherin sagt: „Wer ist denn das?” Sagt sie: „Da, da steht sie ja!” Sagt sie: „Die ist das? Na, die reißt ja schon morgen ein Bankerl!” (lacht). Könnt ihr euch auch vorstellen, wie ich ausgeschaut habe. Aber es war niemand da, zu meinem Glück, und ich habe das, ich habe die Sachen bekommen. Ich habe dort im Büro gearbeitet, habe die Kartei geführt für die Anzüge, also für alles, was ausgeliefert worden ist, für das Militär, nicht? Die Hosen, die Jacken, die Kappen, das ist alles ja dort genäht worden, und das wurde dann zusammengepackt, immer so 10-Stück-weise, und die Kartei musste ich dort führen. Und eines Tages ist sie dann gekommen, da hat sie gesagt: “Ja, wir brauchen dich da oben im Büro“. Und da bin ich in die Kommandantur gekommen und habe dort gearbeitet bei einem SS-Mann. Dann: jeden Tag in der Früh mussten wir Appell stehen. Das Appellstehen hat ungefähr zwei bis drei Stunden gedauert, je nachdem. Hat jemand gefehlt, hat’s noch länger gedauert. Bei Regen, bei Schnee, bei Kälte, das war egal. Wir haben ja nur so Schlapfen gehabt, nicht, dann ein Kleid, und sonst nichts. Jacken, Wolljacken, so was haben wir nicht gehabt, das durften wir gar nicht anziehen zum Appellstehen. Ich habe ja Glück gehabt, also zuerst am Zugangsblock, und dann nachher am Block 3. Das waren also Block 1, 2, 3, das waren die Blocks, wo die gearbeitet haben, die also entweder in der Küche, oder in der Schneiderei oder in der Kommandantur, in der Schreibstube oder in der Krankenpflege, alle die Leute, die dort gearbeitet haben, also wo auch irgendwie die SS damit zusammengekommen ist, die haben auf Block 1, 2 und 3 gewohnt. Und die waren natürlich besser, die drei Blocks waren besser, es war sauberer und ordentlicher, aber an und für sich war kein Unterschied, nicht, wir haben genauso wenig zu essen bekommen, wie die. Und Pakete hat man erst die letzten anderthalb Jahre haben können von zu Hause, ja. Und meine Hausfrau, die hat mir dann auch Pakete geschickt. Die war sehr anständig. Und zwar hat sie mir geschickt: Brot, Schmalz, Zwiebel und Knoblauch. Na, und der Rosa Jochmann verdanken wir ja sehr viel. Die Rosa Jochmann war ja auch zweimal im Bunker, und zwar immer dann, wenn sie irgendwie jemandem mehr geholfen hat, als eigentlich erlaubt war, nicht, dann wurde sie eingesperrt. Und die hat auch, die ist am Boden gelegen das letzte Mal, kalt, nichts. Eine Woche war sie das letzte Mal, vorher war sie länger. Dann hat man sie wieder raus gelassen. Aber sie war, zu uns war sie einmalig. Innerhalb des Konzentrationslagers wurden die Häftlinge von SS-Aufseherinnen bewacht. Eine von ihnen war Oberaufseherin Binz. Karla Glaubauf erinnert sich. Ja, ja, ja. Na, die ist immer am Pferd gesessen, nicht, und wenn man dann also herausmarschiert ist aus dem Lager, zu seinem Arbeitsplatz, dann hat sie immer geschaut. Und wenn jemand irgendwie das Gesicht verzogen hat, dann hat sie schon mit der Peitsche zugeschlagen. Ja, ja, die hat da nichts gekannt. — Man musste sehr aufpassen dort beim Rausgehen, dass man nicht irgendwie, man hat nicht reden dürfen oder das Gesicht verziehen, nicht umdrehen, gar nichts. Geradeaus rausgehen, und aus. — Ja. Ja, da fragt man sich wirklich, wozu ein Mensch imstande ist. Eine Frau, zum Beispiel. — Weil Männer bitte sind brutaler oft, oder weniger, aber eine Frau, so brutal, wie die war, ist schon ganz entsetzlich. An Polinnen wurden im Krankenrevier grausame Versuche durchgeführt. Naja, und dann haben sie ja auch im Krankenrevier, da haben sie zum Beispiel bei den Polinnen, nicht, da haben sie da aufgeschnitten, die Sehnen rausgenommen. Die haben heute noch, also die, die noch leben, die haben solche langen Narben. Irgendwelche Versuche haben sie da machen wollen, was weiß ich, fürchterlich. Na, na, das war schon schiach, in jeder Beziehung. Wenn man am Krankenblock war, hat man eh schauen müssen, dass man bald wieder vom Block kommt. Weil wenn man zu lang geblieben ist, ist man dann auf Transport gegangen auf Nimmerwiedersehen. Hat einem auch passieren können. Ja, ja. Waren die Zustände in den einzelnen Baracken, waren die ähnlich, oder -? Nein, die waren sicher sehr unterschiedlich. Also die unteren Baracken, 1, 2, 3 und auch, glaub’ ich, bis 5, 6, 4, 5, 6, die waren OK und sauber, nicht. Aber die anderen waren wahrscheinlich -. Und dann ist es ja so: in den anderen Baracken sind sie schon anstatt zu zweit, zu viert und zu fünft gelegen, nicht. Weil es sind immer zwei Betten zusammengestanden. Und im dritten Stock hoch. Und natürlich, wie das immer voller geworden ist, immer mehr Leute gekommen sind, war’s immer schwieriger. Sind immer mehr Leute auf die verschiedenen [Blocks] aufgeteilt worden, und war natürlich fürchterlich. Bei uns war’s weniger, weil wir ja dort vorne gearbeitet haben, in der Kommandantur. Deswegen haben wir nicht so viele Zugänge bekommen. Ich meine, die Zugänge sind immer auf die hinteren Blocks gekommen. Weil nachdem wir ja dort überall gearbeitet haben, wollten sie natürlich nicht, dass wir mit den verschiedenen zusammenkommen, weil sie auch Angst gehabt haben wegen Flöhen, Läusen, etc., nicht. Sie waren ja sehr auf sich bedacht, die SS-Leute. Die Frauen wie die Männer, gleich. Gegenseitige Hilfe war oft überlebenswichtig, im Großen wie im Kleinen. Auch im KZ Ravensbrück bildeten Frauen illegal ein internationales Lagerkomitee, um strategischen Widerstand leisten zu können. Ich war zum Beispiel in einer Gruppe mit fünf. Und wir haben uns alles untereinander geteilt, was wir zusätzlich bekommen haben. Ob es jetzt von der Küche aus war, nicht. Weil manche Kameradinnen haben ja in der Küche gearbeitet. Und die haben uns auch manchmal was gebracht: ein Stückl Fleisch, oder irgendwas anderes. Und das haben wir natürlich unter den anderen aufgeteilt, nicht. So viel war’s nicht, aber vier, fünf, für fünf ist es sich immer ausgegangen, nicht. Kannst du uns ein Beispiel sagen, was ihr da gemacht habt? Als Hilfe? Naja, wir haben gesprochen, was wir machen werden, wenn wir nach Hause kommen, nicht. Wie wir arbeiten werden, ob wir Möglichkeit haben, für die Partei zu arbeiten und was wir dann alles unternehmen können, damit, irgendwie [wenn] der Hitler da in weiter Ferne ist, und dass wir eine ordentliche Zivilisation zusammenbringen und ein ordentliches Leben. Haben wir gehofft. War das auch wichtig zum Überleben, sage ich einmal? Ja sicher! Denn, dass man ja in die Zukunft schaut und schaut, was man in der Zukunft machen wird, hat sicher viel zum Überleben dazugehört, nicht. Weil die Leute, die also so total fertig waren, die sind dann auch eingegangen mit der Zeit, nicht. Erstens einmal hat’s ja auch sehr viele Frauen gegeben an den verschiedenen Blocks, die also außer dem, was man so bekommen hat, nichts gehabt haben. Die haben ja oft, wenn jemand die Suppe ausgeschüttet hat, das vom Boden weggegessen, nicht, der Rest. Die waren sehr Arme, ja. Überhaupt zum Schluss, nicht. Weil so viele waren schon im Lager, das war ja wahnsinnig überfüllt. Dabei hat’s zwei Baracken gegeben, die waren so in der Größe wie diese zwei Stiegen. Bis oben hinaus voll mit Rotes Kreuz-Paketen aus der Schweiz und aus Schweden. Haben sie uns nichts gegeben davon, nein. In den letzten Apriltagen 1945 wurde das Lager geräumt. Die SS trieb die Frauen auf die Straße Richtung Nordwesten. Und wie wir dort weiter also marschieren mussten, haben sie uns jedem ein Paket gegeben. Also wir sind dann =. Die Kranken, die durften im Block bleiben. Wir sind dann marschiert den ganzen Tag, und am Abend mussten wir uns niederlegen. Und sie haben uns dann schon angedroht: also in der Früh, wenn sie pfeifen, müssen wir sofort aufstehen. Also in der Früh sind wir dann aufgestanden, und wir haben dann beim Anstehen schon gehört, dass da schon deutsche Soldaten kommen, und die deutschen Soldaten, die SS ist zu den deutschen Soldaten gegangen fragen: wie, wo, was. In der Zeit haben drei von uns und ich – also wir waren vier – versucht zu fliehen, und das ist uns gelungen. Wir sind den Berg hinauf, und oben sind wir weitergelaufen, noch und noch. Und haben uns dann erst gerührt, als wir gehört haben, die sind schon weg. Sie haben uns nicht vermisst, aber später haben das auch welche versucht. Dreißig, vierzig, und noch [mehr], die haben sie alle erschossen. Die mussten sich so eine Grube graben, reinstellen, sie haben sie erschossen und dann haben sie sie zugeschüttet. Und da sind natürlich sehr wenige noch bis ans Ende gekommen, nicht? Also wir sind dann zurück Richtung Lager und da ist dann ein Offizier gekommen, ein russischer, der uns natürlich an der Kleidung sofort erkannt hatte, nicht. Und hat dann gesagt, dort ist ein Bauernhaus, und dieses Bauernhaus ist leer, es sind nur so Bettgestelle drin, und wir sollen dort hineingehen, er bringt uns zu Essen, und warten bis nächsten Tag in der Früh, dann wird er uns sagen, was wir machen sollen. Also er hat uns eine Ordonnanz vor die Tür gestellt, hat uns zu Essen bringen lassen. Am nächsten Tag ist er in der Früh gekommen und hat gesagt, also es ist folgendes: es sind im Lager sehr viele Kranke, sie haben aber Ärzte, sie haben Schwestern, sie haben die Kranken in das Jugendlager gelegt, da sind die Betten gepflegter, und so weiter. Und ob wir nicht bereit sind, den Schwestern zu helfen. Haben wir gesagt: „Natürlich“. Und wir sind dann zurückgegangen, er hat uns eine Ordonnanz zur Seite gestellt, und wir sind dann ins Lager zurück, ins Jugendlager, und haben da mit der Roten Armee den ersten Mai gefeiert, und wir haben aber…. Am Anfang war der Koch, hat er uns solche Berge bringen wollen, haben wir gesagt: „Nichts, nur eine Suppe, ein Brot“, bis wir langsam uns ans Essen gewöhnt haben, und dann kann er uns mehr bringen. Also dann, zum Schluss haben wir dann schon alles essen können. Und dann, die Rosa Jochmann, die war auch schon in Wien, und die hat dann in Wien organisiert einen Bus und einen LKW, und mit dem sind wir dann zurück nach Wien gefahren. Und dieser Bus, da waren alle drin, also die so einigermaßen sitzen konnten. Und mich hat sie dann ersucht, ich soll am LKW bleiben, bei den Kranken, also die gelegen sind, nicht? Und wir haben also die Pakete gehabt, wir haben ihnen Essen geben können und wir sind dann nach Wien. Und in Wien haben wir dann, bei der Votivkirche sind wir angekommen alle. Der Bus und LKW, und da war der Vizebürgermeister Steiner damals, und der hat uns begrüßt. Und alle, die also kein Zuhause mehr gehabt haben, da habe auch ich dazugehört, die sind dann auf den Wilhelminenberg. Und dort war schon hergerichtet, da haben alle die gewohnt, die aus dem Lager und KZ gekommen sind und keine Wohnung gehabt haben. Und so war ich dann sieben Jahre bei der Volksstimme. Und dann war ich noch beim Zentralen Kulturreferat, und dann, ach ja, im Jahr 1955 war das dann aus, nicht? Da, wie der Staatsvertrag war und die Russen weg sind, war das Zentrale Kulturreferat aus. Also im Zentralen Kulturreferat haben wir die Vorbereitungen gemacht für die Referenten, für die Kulturreferenten, für die SMV und USIA-Betriebe, nicht? Die haben ja so Programme bekommen, was sie also mit ihren Leuten, was sie ihnen zeigen und was sie ihnen bieten können. Was man machen kann, und so weiter. Und das Material dazu, das haben wir im Zentralen Kulturreferat zusammengestellt mit Hilfe der Russen. Die Russen waren sehr nett, alle, also wir können uns überhaupt nicht beklagen. Das waren ja lauter Offiziere und noch mehr, nicht, die da das Ganze geleitet haben, und die sind ja dann alle weg, wieder zurück nach Russland, die sind ja nicht dageblieben. Naja, und dann, nachdem das aus war, habe ich dann versucht, einen Job zu bekommen. Ich war erst arbeitslos, aber ich habe dann doch was gefunden, weil die Beamtin beim Arbeitsamt, die hat mich ununterbrochen forciert, sie hat-. Aber die Leute damals waren schon irgendwie-, ich war ja damals schon 47 Jahre, und die wollten alle junge Leute. Und damals war so ein Trend nur für Junge. Aber dann ist doch eine Frau, eine Geschäftsfrau gewesen, die hat gesagt: „Nein, nein, schicken Sie sie mir, mir ist das wurscht, wie alt die Frau ist.“ Na, und ich bin dann dort hin, und bei ihr bin ich dann eigentlich geblieben. Sie hat dann einen Nachfolger gekriegt und ich war dann bei der Firma Grün bis zu meiner Pensionierung. Mit 62 Jahren bin ich dann in Pension gegangen, war also bis zum Schluss bei der Firma Grün, Agrü, und aja, inzwischen habe ich ja auch zwei Kinder gekriegt. (lacht) So nebenbei. (lacht) ’47 und ’49. Meine Tochter ist ’47 geboren und mein Sohn ’49. Aber ich bin immer gleich wieder arbeiten gegangen, weil ich habe ja keine Milch gehabt. Und sie sind auch groß geworden ohne Milch. (lacht) Und jetzt haben sie beide einen guten Job. Also leider ist mein Mann schon vor 20 Jahren gestorben. Ach so, – das habe ich gar nicht erzählt, ich habe ja dann geheiratet wieder, nicht? Den habe ich in der Volksstimme kennengelernt, meinen Mann, und wir haben geheiratet und haben die zwei Kinder. 1948 sagte Karla in einem der Ravensbrück-Prozesse in Hamburg gegen SS-Aufseher Arthur Conrad aus. In der Erzählung dazu zog sie Parallelen zum Krieg im Kosovo 1998/1999. Ja, ja, ja, der Conrad. Der ist verurteilt. Also da war eine Gerichtsverhandlung. Und mich haben sie als Zeugin vorgeladen, die Engländer, und sie haben mir auch das alles gezahlt. Hinflug, Rückflug und dort das Wohnen, ein, zwei Tage. — Und dann haben sie also, sie haben natürlich alles in Englisch, nicht, und ich habe auch immer gleich in Englisch dazwischen=, der hat immer gesagt, ich soll ruhig sein. Es ist eh schon alles gesagt worden. Er ist dann zum Tode verurteilt worden, ja, und eine Aufseherin auch, und da hätten sie mich auch hinwollen. Auf alle Fälle hat sie ihre Strafe gekriegt, die Frau Aufseherin Binz, schrecklich. Ich sag Ihnen, manche Frauen oder Männer, da fragt man sich wirklich, was die imstande sind. Sie sehen’s ja heute auch wieder. Was die aufführen dort unten jetzt, die erschießen sie, graben sie ein und schneiden ihnen noch Hals und Kopf ab, oder was weiß ich. Das ist doch furchtbar, dass ein Mensch das machen kann, überhaupt. Besuch in Baden bei der ehemaligen Vermieterin Und wie ich dann die Kinder gehabt habe, bin ich dann auch mit meiner Tochter und meinem Sohn zu ihr gegangen und habe ihr die Kinder vorgestellt, nicht? Und mit dem Hans war ich, da war er vielleicht drei, vier Jahre, — und wir sind dann immer noch in die Konditorei gegangen, da hat es diese guten Zuckerl gegeben, die haben die Kinder so gern gegessen, und am Rückweg übern Ring gehen wir in Baden, und da kommen zwei Frauen daher, und die eine dreht sich herum und sagt: „Das darf doch nicht wahr sein, jetzt sind die Juden schon wieder da!” Auch nach der Pensionierung war Karla Glaubauf politisch aktiv. Sie arbeitete im Herzverband und im KZ-Verband Wien-Favoriten. Herzverband, — der österreichische Herzverband.. Und der ist mich dann angegangen, hat er gesagt: „Hörst, wir brauchen eh eine Mitarbeiterin, komm zu uns“. Naja, ich habe gesagt: „Ja, ich habe eh keinen Job, bin ja schon in Pension“. Er war auch schon in Pension. Und so habe ich eigentlich über 20 Jahre im Herzverband gearbeitet, über 10 Jahre, und jetzt komme ich noch oft mit denen zusammen vom Herzverband. Aber ich bin die einzige Überlebende von den ersten. Die sind alle schon gestorben. Naja, und dann arbeite ich ja weiter im KZ-Verband, ich bin dort Obmann, und wir haben jeden Monat, also ausgenommen Juli, August und Jänner, haben wir also Zusammenkünfte, und da organisieren wir immer irgendetwas, ein Programm. Also da haben wir Vorträge oder Lichtbilder, oder so Diskussionen. Sagen Sie, und Ihre Kinder wissen von Ihrer Vergangenheit? Alles wissen sie. Alles, bis ins letzte Detail. Das gibt es bei mir nicht. Es gibt nämlich welche, ja, die haben ihren Verwandten nicht einmal gesagt, dass sie im Lager waren. Weil ich kann mich erinnern, die Irma, die hat mir einmal erzählt, sie war bei einer, die auch im Lager war, und da hat sie mit der Schwester gesprochen, und die hat sie gefragt, wieso, warum. Hat sie gesagt: „Was? Sie war im Lager? Das weiß ich ja gar nicht!“ Ja, ja, das gibt’s auch. Ja, ja. Ja, ja, nein, die wissen alles. Im Gegenteil, ich erzähle ihnen das in den schwärzeren Farben, damit sie sehen, was wirklich war. Weil das ist sehr wichtig. Wenn du so auf dein Leben zurückblickst, hast du das Gefühl, hat dich die KZ-Haft und das alles rundherum, hat dich das persönlich verändert? Nein. Nicht. Nein, weil was soll mich das verändern? Ich war immer ein aufrechter Kerl, ich habe nie jemanden angschwindelt, nicht angelogen, und ich habe auch nicht getratscht. Und das habe ich vorher nicht gemacht und nachher nicht gemacht. Dass ich ein paarmal krank war, und so weiter, das passiert wahrscheinlich jedem, mehr oder weniger, nicht.

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