Hilde Mair

Hilde MAIR, geb. Horvath
Geboren am 11. März 1931 in Spitzzicken (Burgenland)
Verfolgungsgrund: „Zigeunerin“
Biografische Daten



Sittenzeugnis von Frau Hilde Mair (Quelle: Oberösterreichisches Landesarchiv, Opferfürsorgeakt)


Negative Auskunft der Gemeinde Spitzzicken zur Staatbürgerschaft von Frau Hilde Mair (Quelle: Oberösterreichisches Landesarchiv, Opferfürsorgeakt)


Bestätigung des Volksschulbesuches in Spitzzicken (Quelle: Oberösterreichisches Landesarchiv, Opferfürsorgeakt)

Das „Zigeunerfamilienlager“ in Auschwitz-Birkenau
Über das Leben von Hilde Mair vor der KZ-Haft ist nur bekannt, dass sie als Kind von Hermine und Anton Horvath am 11. März 1931 in Spitzzicken geboren wurde und mindestens drei Geschwister hatte. Im April 1943 verhaftete die Kripo Graz die Familie, da ihnen unterstellt wurde, Angehörige der „Zigeunerrasse“ zu sein. Die Horvaths wurden nach Auschwitz-Birkenau deportiert, und gemeinsam mit 22.000 anderen (darunter ca. 2.900 ÖsterreicherInnen) in das „Zigeunerfamilienlager“ gepfercht. Die Lebensbedingungen waren katastrophal. Kurze Zeit nach der Ankunft starben Hildes Brüder, einer erkrankte an Typhus, der zweite wurde erschlagen. Am 2. August 1944 löste die SS das „Zigeunerfamilienlager“ auf. Sie ließ die arbeitsunfähigen „Zigeuner“ vergasen und verteilte die noch Arbeitsfähigen auf verschiedene Konzentrationslager. Insgesamt überlebten nur 15 Prozent der im „Zigeunerfamilienlager“ Inhaftierten diese Zeit. Ungewiss ist, wie viele von diesen Überlebenden später in anderen Konzentrationslagern umkamen.

Zwischenstation KZ-Ravensbrück
Hilde kam mit ihrer Schwester und ihrer Mutter auf einen Transport nach Ravensbrück. Dort blieben die drei nur wenige Monate. Aufgrund der herannahenden Alliierten evakuierte die SS das Lager schrittweise. Am 2. März 1945 gingen die drei Frauen erneut auf Transport. Erst nach fünf Tagen erreichten sie das völlig überfüllte KZ Mauthausen; ca. 120 Frauen hatten die Fahrt nicht überlebt. In Mauthausen waren sie in der sogenannten „Zigeunerinnenbaracke“ untergebracht und mussten Zwangsarbeit im Straßenbau leisten. Am 5. Mai 1945 befreiten US-Truppen Mauthausen.

Nach der Befreiung
Wenige Tage nach der Befreiung starb Hildes Schwester an den Haftfolgen in einem Spital in Linz. Auch der Vater kehrte nicht mehr zurück. Laut dem Mauthausen Komitee Österreich kam er nur wenige Tage vor der Befreiung im KZ Gusen um. Überlebende des KZ Mauthausen warfen der Mutter 1947 vor, als „Stubendienst“ Häftlinge misshandelt zu haben. Die Zeuginnen gaben zwar an, sich bereits bei der Ankunft in Mauthausen in einem Deliriums-ähnlichen Zustand befunden zu haben, trotzdem wurde die Mutter auf Basis dieser Aussagen zu 18 Monaten Haft verurteilt. Wo sich die damals 16-jährige Hilde während der Haft ihrer Mutter befand, geht aus den Akten nicht hervor.

Kampf um Opferfürsorge
1949 suchte Hilde um die Ausstellung einer Amtsbescheinigung zwecks Opferfürsorge an. Der Antrag wurde abgelehnt, da die Staatsbürgerschaft ihres burgenländischen Vaters ungeklärt war. Er wurde 1905 in Szombathely in Ungarn geboren und zog mit seiner Mutter ins burgenländische Kemeten, das 1921 zu Österreich kam. Ab 1924 lebten Hildes Eltern im burgenländischen Spitzzicken. Die Mutter verlor durch die Heirat die Staatsbürgerschaft. Somit galt auch Hilde – die sich mit Ausnahme ihrer Jahre im KZ immer in Österreich aufhielt – als staatenlos. Das Amt stellte ihr daher 1949 keine Amtsbescheinigung aus, somit konnte Hilde weiterhin keine Opferfürsorge beantragen. Am 8. Mai 1950 heiratete Hilde Horvath Josef Mair, damit war sie nun auch auf dem Papier Österreicherin. Der Amtsarzt diagnostizierte bei ihr eine 40-prozentige Erwerbsunfähigkeit. Durch die Haft litt Hilde an einer geschlossenen aktiven Lungentuberkulose. Am 19. Mai 1950 gab der Linzer Bürgermeister dem Antrag auf Ausstellung einer Amtsbescheinigung statt. Die Landesregierung bestand aber weiterhin darauf, dass Hilde zum Zeitpunkt der Verhaftung nicht Österreicherin gewesen sei. Aufgrund ihres Geburtsjahres 1931 konnte sie auch keinen zehnjährigen Aufenthalt in Österreich bis 1938 vorweisen, womit sie Anspruch auf Opferfürsorge erlangt hätte.

Armut
Die Not der Familie war groß. Ihr Mann war arbeitslos und Hilde stand unter ständiger ärztlicher Behandlung. 1953 verschärfte sich die Situation und Hilde stellte ein neues Ansuchen:
„Ich bin daher [aufgrund des KZs] unfähig irgendeine Arbeit zu leisten und befinde mich daher in einer großen Notlage. Außerdem habe ich drei Kinder im Alter von 3-5 Jahren und auch mein Mann ist krank (Epileptiker), sodaß ich mich die meiste Zeit allein mit meinen Kindern befinde ohne das Notwendigste zum Essen, Kleindung usw. zu haben […]. Ich weiß, dass vielen anderen schon ein Vorschuß bewilligt wurde, nur dort, wo die Not wirklich groß ist, hat man bis heute noch nicht daran gedacht. Außerdem bin ich österreichische Staatsbürgerin und ich glaube doch das Recht auf eine Wiedergutmachung zu haben.“
Ihr Antrag wurde aufgrund der nicht nachgewiesen Staatsbürgerschaft vor 1938 abermals abgelehnt, ebenso der Antrag aus 1957. Aus diesem ging hervor, dass auch die Mutter Hermine nur über ein unregelmäßiges Einkommen verfügte und die sechsköpfige Familie auf engstem Raum in Linz zusammenleben musste. Am 18. Juni 1957 stellte die Landesregierung einen Antrag auf ein Nachsichtsverfahren. 1958 wurde dem Ansuchen stattgegeben. Für ihre Haftjahre erhielt sie Opferfürsorge. Kindern deren Eltern während der NS-Verfolgung umgekommen waren, wäre von Rechts wegen auch eine Haftentschädigung für den Elternteil zugestanden. Hilde bekam diesen jedoch nicht für ihren Vater, für ihn galt noch immer das Argument der Staatenlosigkeit.

Späte Nachwirkungen der NS-Verfolgung
Hilde war vom ab 1938 geltenden Schulverbot für „Zigeunerkinder“ betroffen, die Folgen davon spürte sie noch als Erwachsene. Die ersten Anträge auf Opferfürsorge unterzeichnete sie mit drei X. Analphabetismus dürfte die Annahme von nicht körperlichen beruflichen Tätigkeiten erschwert haben. Gleichzeitig konnte sie aufgrund ihrer Krankheit auch keine anstrengenden körperlichen Tätigkeiten ausüben; Arbeitslosigkeit und Armut waren daher vorprogrammiert. Die Anträge, die in den 1950er Jahren folgten, sind bereits mit einer Unterschrift gekennzeichnet, ob Hilde später lesen und schreiben lernte oder jemanden fand, der für sie unterschrieb, ist unklar.

Am 5. Mai 1979 – dem 34. Jahrestag ihrer Befreiung aus dem KZ Mauthausen – beging Hilde Selbstmord, indem sie sich mit Heizöl übergoss und anzündete.

Comments are closed.