Steiermark


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SteirerInnen im KZ Ravensbrück
Sondertransporte aus Graz und Leoben nach Ravensbrück

SteirerInnen im KZ Ravensbrück

Skulptur von der Eisenerzerin und Ravensbrück-Überlebenden Cäcilia Muchitsch, übergeben von ihrer ehemaligen Mitgefangenen Käthe Sasso, 2011 aufgestellt am Mahnmal am Präbichl (nach der Paßhöhe), das an die Ermordung von über 200 ungarischen Jüdinnen und Juden beim Todesmarsch im April 1945 erinnert.


Die Tragende, Skulptur der Ravensbrück-Überlebenden Cäcilia Muchitsch am Präbichl.

Aus der Steiermark kamen – zieht man den Geburtsort als Kriterium heran – etwas mehr als 12% der österreichischen Häftlinge in Ravensbrück. [1]

Auch unter den SteirerInnen waren die Verfolgungsgründe vielfältig. 80% trugen im Lager den roten Winkel für „politische“ Häftlinge. Damit ist der Anteil der politisch Verfolgten – im Vergleich zu den „reichsdeutschen“ Häftlingen insgesamt – sehr hoch. Laut unserer Datenbank wurden 3,4% als „Zigeuner“ verfolgt, deren Anteil war aber vermutlich viel höher, da als „Zigeuner“ Verfolgte vielfach auch als „Asoziale“ kategorisiert wurden. Wegen des Vorwurfs der „Asozialität“ waren weitere 8% der SteirerInnen inhaftiert. Unter den steirischen Ravensbrück-Häftlingen befanden sich zudem 3% Jüdinnen, 10% „Kriminelle“ und 4% ZeugInnen Jehovas.

Bei den politisch Verfolgten handelte es sich in der Mehrzahl um Frauen, die im Widerstand im Raum Leoben, Bruck/Kapfenberg und Eisenerz aktiv waren. Sie hatten Partisanen unterstützt, Kurier- und Sanitätsdienste erledigt, bei der Herstellung und Verteilung von Flugblättern geholfen, Brüder und/oder Ehemänner versteckt oder sie wurden Opfer der Sippenhaftung. [2]

Sondertransporte aus Graz und Leoben nach Ravensbrück
Der Großteil der steirischen „Ravensbrückerinnen“ wurde in zwei so genannten Sondertransporten nach Ravensbrück deportiert. Im ersten Sondertransport aus Graz wurden insgesamt 59 Frauen nach Ravensbrück verschleppt. Zu den aus Graz Deportierten kamen noch die in Leoben inhaftierten Frauen dazu. Die aus dem Gefängnis in Leoben kommenden Frauen wurden am 29. September 1944 in einem Lastwagen nach Bruck/Mur gebracht, um dort in die aus Graz kommenden Viehwaggons umgeladen zu werden. Dieser Zug erreichte am 3. Oktober 1944 Ravensbrück. Mit dem zweiten Sondertransport aus Leoben, kamen weitere 35 Frauen (darunter waren zwei Kroatinnen, eine Ungarin und eine Jugoslawin) nach Ravensbrück. Dieser Zug verließ Leoben – nach übereinstimmenden Zeuginnenaussagen Mitte November 1944 – und kam am 21. November in Ravensbrück an. [3] Verängstigt und oftmals schon geschwächt von den vorangegangenen Torturen der Gestapohaft waren die Frauen am Transport ins Lager neuerlichen Schikanen ausgesetzt. Auflehnung gegen diese Zumutungen wurde hart bestraft, wie sich unter anderen Angela Prater [4] erinnert:
„Am Semmering ist der Zug in der Nacht gestanden, und ein paar Mädchen, jüngere waren das, Grazerinnen, haben zu den Aufsehern gesagt, sie müssen hinaus, sie sollen sie doch austreten lassen. Die sind aber abgehaut dann. Daraufhin hat der Transportleiter den Auftrag gegeben, niemand darf mehr austreten aus dem Waggon. […] In Dresden ist dann diese Kellnerin, die Mila [Zadkovič], so zornig geworden. Eine Mordsenergische ist das gewesen, wegen einem Ausländer war sie in Haft. […] Sie möchte den Transportleiter sprechen, sagt sie in Dresden dann. Die haben ihn geholt, so ein großer Mensch ist das gewesen, eine Zigarette hat er im Mund gehabt. Grad wie er aufs Trittbrettl steigt und sagt, was wollts oder was passt euch nicht, zieht die Mila die Hand auf und schmiert dem eine, dass die Zigaretten nur so geflogen ist. So gemein ist das, dass wir nicht austreten dürfen, hat sie geschrien. Sie hält das nimmermehr aus, gegen jede Rechtsordnung ist das! Die haben sie natürlich gleich hinaus, schrecklich gedroschen und gehaut ist sie worden, dann haben sie sie wieder reingeworfen in unsern Waggon. Die Mila war so zerschlagen, dass du kaum noch was sehn hast können von ihrem Gesicht. Angehängt haben sie sie wie ein Vieh, in Ketten, niemand hat hindürfen zu ihr. Dabei hat sie uns so leidgetan. In jeder größeren Station haben wir dann austreten dürfen, unter Bewachung halt, neben die Geleise. Das hat sie erreicht. [5]

37 der 183 (20%) in Ravensbrück inhaftierten SteirerInnen haben die Verfolgung nicht überlebt, 78 (43%) sind mit dem Leben davon gekommen. Über das weitere Schicksal der restlichen 68 SteirerInnen konnten wir nichts in Erfahrung bringen.


[1] Die im Folgenden angeführten Zahlen beziehen sich auf die quantitative Auswertung der vom IKF durchgeführten Namentlichen Erfassung von ÖsterreicherInnen im KZ Ravensbrück. Insgesamt konnten 2.713 Frauen und Männer recherchiert werden. Nicht zu allen Personen liegen sämtliche Daten vor; die statistischen Auswertungen betreffen daher oft eine kleinere Anzahl. Vgl. im Folgenden Helga Amesberger, Brigitte Halbmayr, ÖsterreicherInnen im KZ Ravensbrück. Quantitative Auswertung der Datenbank (unveröffentlichter Forschungsbericht, Wien 2012).
[2] Vgl. hierzu ausführlicher: Helga Amesberger, Steirerinnen und Steirer im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. In: Maria Cäsar, Heimo Halbrainer (Hg.): „Die im Dunkeln sieht man doch“. Frauen im Widerstand – Verfolgung von Frauen in der Steiermark (Clio – Historische und gesellschaftspolitische Schriften, Band 5, Graz 2007) S. 71-100.
[3] Max Muchitsch datiert diesen Sondertransport Nr. 121 mit 2. November 1944. Die Zeuginnenaussagen sowie die Registrierung der Häftlingsfrauen dieses Sondertransports (alle wurden am 21.11.1944 in Ravensbrück registriert) belegen, dass es sich bei dem von Muchitsch angeführten Datum um einen Druckfehler handeln muss. Max Muchitsch, Die Partisanengruppe Leoben-Donawitz (Wien-Frankfurt-Zürich 1966) S. 63f.
[4] Angela Prater, geborene Haberl, wurde im August 1944 wegen Partisanenunterstützung im Raum Leoben im Landesgericht Graz inhaftiert und von dort Ende September 1944 nach Ravensbrück deportiert. Die dreifache Mutter wurde unter der Häftlingsnummer 75080 registriert und musste in der Küche des Siemenslagers arbeiten. Die Befreiung erlebte Angela Prater während des Evakuierungsmarsches Ende April 1945. Im Juni 1945 traf sie wieder in Leoben ein, wo sie bis zu ihrem Tod 2004 auch lebte. Frau Prater war langjähriges Mitglied der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück.
[5] Cilli Muchitsch, Angela Prater, Marianne Krasovec, Wär doch gelacht. In: Karin Berger, Elisabeth Holzinger, Lotte Podgornik, Lisbeth N. Trallori (Hg.): Ich geb dir einen Mantel, daß Du ihn noch in Freiheit tragen kannst. Widerstehen im KZ. Österreichische Frauen erzählen (Wien 1987) S. 39-49 hier S. 43.

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