Männerlager


Inhalt

Häftlingshierarchien entscheiden über Leben und Tod
Solidarität
Erinnerungen von Frauen an das Männerlager
Statistisches zu den männlichen Häftlingen


Otto Stiedl (Quelle: DÖW/Erkennungs-
dienstliche Kartei der Gestapo Wien)


Das vom Frauenlager abgegrenzte Männerlager wurde im April 1941 errichtet. Im Gegensatz zum Frauenlager gab es ins Männerlager keine Ersteinweisungen, d.h. alle männlichen Häftlinge waren zuvor bereits in einem anderen Konzentrationslager gefangen gehalten und von dort nach Ravensbrück überstellt worden. Die vorwiegende Zwangsarbeit der männlichen Häftlinge von Ravensbrück bestand darin, das Frauenkonzentrationslager weiter auszubauen und Produktionsstätten zu errichten.[1] Bis Ende April 1945 waren rund 20.000 Männer inhaftiert, darunter auch viele Österreicher, die aus verschiedensten Gründen verfolgt wurden.[2]

Häftlingshierarchien entscheiden über Leben und Tod
„Als zwei Russenhäftlinge den aussichtslosen Versuch machten zu fliehen, waren selbst die Abgehärteten unter uns erschüttert, als man uns nach vielen, vielen Stunden, die wir stehend am Appellplatz verbringen mussten, die von den Bluthunden gestellten und zerfleischten Leichen hinlegte. Einen Tag und eine Nacht und wieder einen Tag bis zum Nachmittag standen wir inzwischen an einer Stelle am Appellplatz unter Bewachung der Capos und der Lager-SS. Einige der körperlich schwächsten Häftlinge erlöste der Tod auf der Stelle. Selbst die Notdurft mussten wir an Ort und Stelle verrichten.“ [3]
In seinem vierseitigen Bericht „Männer in Ravensbrück“ schildert der wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ internierte Österreicher Otto Stiedl die Zustände im Männerlager. Otto Stiedl, zwischen Juli 1942 und Anfang November 1944 in Ravensbrück inhaftiert, erlebte jene Phase des Männerlagers, in der nur jeder zweite Häftling überlebte. Der Großteil des Stiedl-Berichts besteht aus Beschreibungen von Tod, Strafen und Misshandlungen von Häftlingen, vor allem an Juden, Polen und Russen. Diesen Häftlingsgruppen wurde bis Spätsommer 1942 jede medizinische Hilfe verwehrt. [4]

Solidarität

Friedrich Weissenbeck bei den Inter-
nationalen Brigaden in Spanien, 1938 (Quelle: DÖW/Spanienarchiv)


Manche Häftlinge halfen einander, um den Terror des Konzentrationslagers zu überstehen, und auch, um der von der SS beabsichtigten Entmenschlichung entgegenzuwirken. Otto Stiedl hebt die von einzelnen Häftlingen gelebte Solidarität positiv in seinen Erinnerungen hervor:
„Es gab im frühen Alltag einfache Unbekannte, die zu einer menschlichen und seelischen Größe emporwuchsen […]. Ohne Rücksicht auf sich selbst organisierten sie Aktionen, die lebensrettend für viele Kranke, Hilflose und zum Sterben entschlossene Kameraden waren. Ein heller Stern unter diesen Sternen der Güte war Fritz Weissenbeck. […] So oft er auch von den grünen Capos blutig geschlagen wurde, ließ er sich nie von seinem eigenen sittlichen Gebot der Nächstenliebe und Nächstenhilfe abhalten. Besonders als er, mangels an kriminellen Fachkräften, Capo der Weberei wurde. Da nahm er die Elendesten und Verzweifeltsten unter sein Kommando, und fütterte sie mit dem von den weiblichen Häftlingen erbettelten Brot und gab ihnen dabei den so unendlich wichtigen Glauben an das Leben zurück.“ [5]

Erinnerungen von Frauen an das Männerlager
In den Erinnerungen einiger Österreicherinnen an das Männerlager dominieren Erzählungen über das solidarische Handeln der Männer und deren furchtbare Lebensbedingungen im Lager. Frauen und Männer waren in Ravensbrück, wie in anderen Konzentrationslagern auch (ausgenommen Familienlager in Auschwitz-Birkenau), streng voneinander getrennt. Einige weibliche Häftlinge hatten jedoch aufgrund ihrer Funktion im Lager Kontakte zum Männerlager. Hanna Sturm vermutet, dass ihr durch den Kontakt mit Widerstandskämpfern aus dem Männerlager das Leben gerettet wurde. In den letzten Wochen vor der Befreiung wurde Sturm gerufen, ihre Entlassungspapiere abzuholen. Häftlinge aus dem Männerlager warnten sie, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Sie vermuteten darin eine Täuschung der SS:
„Da kommt der Theo vorüber, ein Wink mit den Augen und Hanna steht eine Sekunde später neben ihm. Du gehst nicht, alles andere später, verschwinde von hier. Hanna steht noch eine Weile, dann verschwindet sie zwischen den Blocks, zurück in die Werkstatt. […] Spät am Nachmittag kommt Theo und fragt, wo Hanna ist. […] Da kommt Hanna aus ihrem Versteck, jeden Augenblick bereit, wieder zu verschwinden, wenn Gefahr droht. Kurz, sagt Theo, in Stein in Österreich sind alle Politischen entlassen worden und beim Verlassen des Gefängnisses haben die SS-Leute Jagd auf sie gemacht und fast alle erschossen, auch die, die nicht draußen waren. Deshalb hat man mich verständigt, um dich zu warnen.“ [6]
Der traurige Anblick von geschundenen Häftlingen weckte bei manchen Frauen, deren Väter, Ehemänner oder Brüder ebenfalls inhaftiert waren, böse Vorahnungen:
„[Da kamen] Männerhäftlinge den Hügel herauf, da ist ein Weg gegangen. Hunderte Meter waren noch hin zum Tor, zu den Baracken, aber die sind umgeflogen auf dem Hügel, haben nicht weiter können. Die Capos und die SS haben furchtbar geschrien. Beim Fenster sind wir gestanden und haben geschaut, die Kupper Anitza und ich. Vielleicht ist unser Vater dabei, haben wir gedacht. Dass unsere Väter eingesperrt waren, haben wir ja gewusst.“ [7]

Statistisches zu den männlichen Häftlingen [8]
In der Datenbank befinden sich 267 Österreicher, die im Ravensbrücker Männerlager inhaftiert waren; von 157 wissen wir, in welchem Bundesland sie geboren wurden. Davon stammt der Großteil (33,1%) aus Wien, gefolgt vom Burgenland (24,2%), von Niederösterreich (17,2%), Steiermark (8,3%), Oberösterreich (5,7%), Kärnten (5,7%), Salzburg (3,2%) und Tirol (2,5%). Lediglich aus Vorarlberg stammt kein männlicher Häftling. Im Gegensatz zu den Österreicherinnen ist hier der Anteil an den im Ausland geborenen mit 23% wesentlich höher. Der überwiegende Teil von ihnen stammt aus Polen. Dies dürfte durch die Deportation der sogenannten “Praterjuden” zustande gekommen sein. Im Unterschied zu den Frauen stellten die Juden mit gut einem Viertel die größte Haftgruppe dar. Gefolgt von rund einem weiteren Viertel „Politische“ und „Zigeuner“. Ein weiterer Unterschied zwischen den Geschlechtern ist, dass der Anteil der als „kriminell“ Inhaftierten drei Mal und der unter dem Vorwurf der „Asozialität“ Verhafteten doppelt so hoch war wie bei den Frauen.


[1] Bernhard Strebel, Das KZ Ravensbrück. Geschichte eines Lagerkomplexes (Paderborn 2003) S. 291.
[2] Siehe letzter Absatz: „Statistisches zu den männlichen Häftlingen“.
[3] Otto Stiedl, Männer in Ravensbrück (unveröffentlichter Bericht, Wien 1968) S. 3, DÖW 6444.
[4] Bernhard Strebel, Das Männerlager, S. 172f.
[5] Stiedl, Männer in Ravensbrück, S. 3.
[6] Hanna Sturm, Die Lebensgeschichte einer Arbeiterin. Vom Burgenland nach Ravensbrück. 2. Aufl. (Wien 1982) S. 333.
[7] Katharina Pečnik, Slowenisch verboten. In: Karin Berger, Elisabeth Holzinger, Lotte Podgornik, Lisbeth N. Trallori (Hg.): Ich geb dir einen Mantel, daß
Du ihn noch in Freiheit tragen kannst. Widerstehen im KZ. Österreichische Frauen erzählen (Wien 1987) S. 23-29, hier S. 28.
[8] Helga Amesberger, Brigitte Halbmayr, ÖsterreicherInnen im KZ-Ravensbrück. Quantitative Auswertung der Datenbank (unveröffentlichter Forschungsbericht,
Wien 2012) S. 26.

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