Widerstand


Inhalt

Widerstand im KZ
Widerstand der politischen Häftlinge
Österreicherinnen innerhalb des Internationalen Lagerkomitees
Im Namen Jehovas!
Widerstand der Nicht-Politischen

Widerstand im KZ

Mela Ernst (Quelle: VGA – Nachlass Rosa Jochmann)


Diese Miniaturtänzerin erhielt Hanna Sturm von einem Mithäftling; ausgestellt im österreichischen Gedenkraum der Gedenkstätte Ravensbrück.

Widerstand im KZ war immer lebensbedrohlich – und wurde dennoch in vielfältiger Form praktiziert. Da jede lebensbejahende Geste dem Unterwerfungs- und letztlich Vernichtungswillen der SS widersprach, lässt sich auch die kleinste solidarische Handlung als Widerstand bezeichnen, bis hin zum bewaffneten Kampf gegen das Wachpersonal.
Bernhard Strebel kategorisiert die Formen des Widerstandes im KZ folgendermaßen:
„Selbstbehauptung, im Sinne von Überleben unter grundlegender Wahrung der Selbstachtung, kameradschaftliche Hilfe innerhalb kleinerer Bezugsgruppen von drei bis fünf Häftlingen und organisierte Formen von Widerstand. Die Grenzen dieser Formen waren fließend, auf das engste miteinander verknüpft und bedingten sich gegenseitig. Ohne erfolgreiche Selbstbehauptung gab es keine Möglichkeit zur kameradschaftlichen Hilfe und gegenseitige Hilfe in kleinen Bezugsgruppen wiederum bildete den Ausgangspunkt für organisierte Formen des Widerstandes.“ [1]

Widerstand der politischen Häftlinge
Aufgrund ihrer Stellung innerhalb der Lagerhierarchie und der guten Vernetzung der österreichischen politischen Häftlinge war es innerhalb dieser Gruppe möglich, neben Selbstbehauptung und Solidarität in kleineren Gruppen auch organisierten Widerstand zu leisten und dadurch zahlreiche Leben zu retten. Eine der Geretteten war Mathilde Auferbauer:
„Mein großes Glück: Ich hab dort meine Freundin aus Leoben, die Anni getroffen. Sie war schon länger eingesperrt, sie hat mich gesucht und gefunden. Und mit allen übrigen bekannt gemacht, mit unseren Frauen aus dem Widerstand. Eine große Hilfe ist das für mich gewesen, das Gefühl, nicht allein zu sein. Das hat mir wieder Mut gegeben. Die Lauscher Bertl war da, Sternderl genannt, weil sie immer mit fröhlichem Gesicht unterwegs war, uns immer aufgebaut hat. Sie war es, die mich aufmerksam machte, wenn zusätzliche Gefahr im Verzug war. Man hat den Frauen ja Spritzen verpaßt, womöglich am Abend oder in der Nacht, um zu erkunden, wieviele überleben. Ich muß laut, ganz laut um Hilfe schreien, wenn ich einmal dazu ausgesucht werd. Diesen Rat hat mir die Bertl gegeben.“ [2]

Österreicherinnen innerhalb des Internationalen Lagerkomitees
Die politischen österreichischen Gefangenen vernetzten sich auch international im Lager. Dem Internationalen Lagerkomitee, das
ab 1944 unter der Leitung der Österreicherin Mela Ernst stand, gelang es durch gute Vernetzung, zahlreiche Leben zu retten.
„Aber bereits Weihnachten 1944 wurde auf Leitinitiative unserer Mela eine große Aktion im Lager für die Weihnachtsfeier der Kinder gemacht. Keine Aktion, kein Block der sich von dieser Aktion der Solidarität ausschloss. Alle sammelten, alle strickten, nähten, bastelten. Nur die, die selbst im Lager waren, können diese Schwierigkeiten verstehen. Jeder Faden, jedes Fleckchen musste der SS gewissermaßen gestohlen werden und für jeden organisierten Knopf konnte man in Bunker und Strafblock gehen. Und trotzdem waren alle Frauen einig in ihrem Bestreben, den jüdischen, den polnischen, den russischen Kindern und nicht zuletzt den vielen Zigeunerkindern, die wir im Lager hatten, eine Weihnachtsfeier zu bereiten. Das wichtigste dieser Aktion war aber vielleicht gar nicht die Tatsache, dass die Kinder wirklich einen Tag hatten, an dem sie sich etwas satt essen konnten, an dem sie mit freudigen Gesichtern das Kasperltheater sahen und die Geschenke nahmen. Das wichtigste daran war, in diesen 25.000 Frauen einen Gedanken, einen Massenwillen zu erwecken. Sie empor zu heben über ihr eigenes Elend, sie einmal vergessen zu lassen ihre eigene Not in ihrer Arbeit für die Kinder.“ [3]

Im Namen Jehovas!
Wenn Zeuginnen Jehovas im KZ getreu ihren Lehren leben wollten, waren sie gezwungen, offen in den Widerstand zu treten. Aufgrund ihrer friedlichen Glaubensgrundsätze lehnten sie es ab, mit Kriegsmaterial in Kontakt zu kommen – eine Haltung, die oft zu harten körperlichen Strafen führte und auch von den politischen Häftlingen gewürdigt wurde. Doch bereits ihre Anwesenheit im Lager war ein bemerkenswertes Zeichen des Widerstands. Denn wenn sie schriftlich von ihrem Glauben abgeschworen hätten, wären sie frei gekommen:
„Als ich das Schriftstück durchlas, stellte ich fest, was von mir verlangt wurde, nämlich mich vom christlichen Glauben loszusagen, und die Bibel als Irrlehren enthaltend künftig unbeachtet zu lassen. Hierauf erklärte ich ihm, dass ich so etwas nie unterschreiben würde, da ich erkannt hätte, dass die Bibel Gottes inspiriertes Wort wäre. Er meinte, ich hätte noch eine Woche Zeit um zu überlegen; würde ich mich negativ entscheiden, so würde ich vergast werden. Die darauffolgende Woche wurde ich zusammen mit 80 Glaubensschwestern und 20 Jüdinnen neben einigen politischen Häftlingen in eine Badehalle gebracht. Nachdem wir uns auf Befehl unserer Kleidung entledigt hatten, marschierten verschiedene Lagerführer herein, wahrscheinlich in der Annahme, Jehovas Zeugen würden angesichts des Todes das obenerwähnte Schriftstück unterzeichnen. Aber, Gott sei Dank, keine einzige von uns unterschrieb. […] Natürlich waren wir alle froh, lebend aus der Badehalle heraus zu kommen um dem Herren weiter treu zu dienen.“ [4]
Auch in verdeckter Form waren die Zeuginnen Jehovas für ihren Glauben aktiv. Sie verhielten sich solidarisch, beteten heimlich, missionierten und ließen sich heimlich taufen. Die Zeuginnen sahen das KZ als Prüfung, die ihnen Jehova auferlegt hatte.

Widerstand der Nicht-Politischen
Über den Widerstand der österreichischen „asozialen“ und „kriminellen“ Häftlinge existieren keine Selbstzeugnisse von Betroffenen. Hintergrund ihres Schweigens war die späte Anerkennung der „Asozialen“ als KZ-Opfer und ihre gesellschaftliche Diskriminierung auch in der Nachkriegszeit. Häftlinge, die als „kriminell“ inhaftiert wurden, gelten bis heute offiziell nicht als Opfer des Nationalsozialismus. Es ist jedoch nahliegend, dass auch unter diesen beiden Häftlingsgruppen Selbstbehauptung und Solidarität in kleineren Gruppen stattfand. Durch Aussagen von politischen Häftlingen wissen wir, dass sich diese Häftlingsgruppen vereinzelt auch an organisierten Widerstandsaktionen beteiligten. Die „Kriminelle“ Marianne S. widersetzte sich ihrer Pflicht, bei Diebstählen Meldungen an die SS zu erstatten. [5] Laut Aussagen von politischen Häftlingen soll S. auch den politischen Widerstand unterstützt haben. [6]

Ob jemand imstande war, Widerstand zu leisten, hing neben der politischen oder religiösen Motivation auch von der Position innerhalb der Häftlingshierarchie ab. An unterster Stelle standen Jüdinnen und als „Zigeunerinnen“ verfolgte Frauen. Aufgrund ihrer Stellung innerhalb des Lagers war es diesen in geringerem Ausmaß möglich, Widerstand zu leisten. Von den „Zigeunerinnen“ ist bekannt, dass sie sich vor allem für das Überleben ihrer Familienmitglieder eingesetzt haben. Den jüdischen Häftlingen – mit Ausnahme derer, die ihre jüdische Herkunft verbergen konnten – war es kaum möglich, Widerstand zu leisten.


[1] Bernhard Strebel, Das KZ Ravensbrück. Geschichte eines Lagerkomplexes (Paderborn 2003)
[2] Mathilde Auferbauer, Steh auf und geh. In: Karin Berger, Elisabeth Holzinger, Lotte Podgornik, Lisbeth Trallori (Hg.), Ich geb Dir einen Mantel, daß du ihn noch in Freiheit tragen kannst. Widerstand im KZ. Österreichische Frauen erzählen (Wien 1987) S. 207-210, hier S. 209.
[3] Anni Hand, Bericht über das KZ Ravensbrück (DÖW 50.118/12) S. 5
[4] Agnes Stryczek, Bericht von Schwester Agnes Stryczek (St. Pölten, 28.8.1956) S. 2. In: Jehovas Zeugen Österreich, Geschichtsarchiv, JZ-Ö/Ga 670.
[5] Christa Putz, Marianne Sch. (unveröffentlichte Biografie, Wien 2011) S. 10.
[6] Ebenda. S. 11.

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