Geburten und Kinder


Inhalt

Geburten und Kinder im KZ
Geburten im KZ Ravensbrück
Kinder in Ravensbrück

Geburten und Kinder im KZ

Auszug aus dem Ravensbrücker Geburtenbuch (Quelle: MGR)


Die Puppe wurde von der Burgenländerin Theresia Christian angefertigt. Der Kasperlkopf ist das Werk von Theresia Auferbauer aus der Steiermark. Beide Spielsachen kamen im weihnachtlichen Kasperltheater im KZ zum Einsatz.
(Foto: Helga Amesberger)



Geburtsbestätigung, ausgestellt von der Häftlingsärztin Ilse Reibmayr in Ravensbrück am 8.7.1945
(Foto: Helga Amesberger)



Geburtsbestätigung 2, ausgestellt von der Häftlingsärztin Ilse Reibmayr in Ravensbrück am 8.7.1945
(Foto: Helga Amesberger)



Johanna Rainer mit ihrem im KZ geborenen Sohn Manfred
(Foto: Helga Amesberger)



Gedicht von Gratiana Pichler-Pamberger (Quelle: DÖW)

Zwischenmenschliche Beziehungen, Ehen und Familiengründung unterlagen im Nationalsozialismus der „Rassenpolitik“ und „Rassenpflege“. Dabei wurde eine strikte Unterscheidung zwischen so genannten Arierinnen und Nicht-Arierinnen vorgenommen. Die Wertschätzung der Mutterschaft durch die Nationalsozialisten bestand nur für jene Frauen, die sie nicht zu ihren „Feinden“ erklärt hatten. Das Gleiche galt für deren Kinder. Diese Politik wurde selbst im Konzentrationslager noch fortgeführt.

Geburten im KZ Ravensbrück
Obwohl die Deportation von schwangeren Frauen in ein Konzentrationslager verboten war, gab es in den Konzentrationslagern zahlreiche Geburten. [1] In einigen Fällen wurden die Frauen zur Entbindung in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht. Über das weitere Schicksal der Neugeborenen ist wenig bekannt. Weitaus seltener kam es zu Entlassungen aus dem KZ aufgrund von Schwangerschaft. Aber Häftlingsberichten zufolge fanden die ersten Entbindungen im Ravensbrücker Revier bereits 1942 statt. [2] Alleine zwischen September 1944 und April 1945 – in dieser Zeit wurde ein Geburtenbuch geführt – kamen 560 Kinder im KZ Ravensbrück zur Welt. Nur ein Bruchteil der Neugeborenen hat überlebt. Ilse Reibmayr, österreichische Häftlingsärztin in Ravensbrück, arbeitete am Geburtenblock und beschrieb später in einem Interview die Situation wie folgt:
„Und da sind dann die Kinder in einer Truhe gelegen, in einer langen Krippe, Kind an Kind, eng zusammengerückt. Und ich habe sie öfter besucht, weil ich ihnen ja noch weiter die Nahrung gekocht habe. Die ist dann hinüber gebracht worden, und dann musste ich mit Schaudern sehen, wie das Kind, jedes, jedes Kind jeden Tag wieder um ein bisschen weniger geworden ist. … Zu sehen, dass sie zum Schluss wirklich wie Mauseköpfchen zusammenschrumpfen. Dass nichts mehr da war. Winziges Skelett mit Haut überzogen (…).“ [3]
Auch neun Österreicherinnen brachten in Ravensbrück Kinder zur Welt. Zwei weitere Kinder von Ravensbrückerinnen wurden in Auschwitz-Birkenau bzw. im Ghetto Lodz geboren. [4] Erstaunlich ist, dass diese sieben Mädchen und vier Buben die Haft überlebten, denn ihre Mütter mussten bald wieder Zwangsarbeit verrichten und konnten sich daher nicht um sie kümmern. Dass sie überlebten, ist auf deren Geburt wenige Wochen oder Monate vor der Befreiung und die Solidarität unter den Häftlingen zurückzuführen.

Eines von den in Ravensbrück geborenen Kindern war Manfred Hubert Rainer. Seine Mutter brachte ihn am 13. April 1945, also zwei Wochen vor der Befreiung, dort zur Welt. Manfred war das dritte Kind von Johanna Rainer. Die beiden älteren Kinder musste sie bei der Verhaftung in der Steiermark zurücklassen.

Kinder in Ravensbrück
Die Kinder in Ravensbrück kamen aus über 18 Nationen. Deren genaue Anzahl wird man wohl nie genau erfahren; feststehen derzeit 881 Kinder im Alter von zwei bis 16 Jahren. [5] Die ersten Kinder waren jene 14- bis 16-jährigen Zigeunermädchen, die mit ihren Müttern aus dem Burgenland nach Ravensbrück deportiert wurden.
Insgesamt waren 99 österreichische Kinder im Alter von 0 bis 15 Jahren (inkl. der elf in Ravensbrück geborenen) im Frauenlager inhaftiert. Bei 90 Prozent dieser Kinder versah die SS den Eintrag in der Ravensbrücker Zugangsliste mit dem Vermerk Zigeuner. [6]
Ältere Kinder wurden zur Zwangsarbeit herangezogen, die über 12-jährigen Buben zudem von ihren Müttern getrennt. [7] Wie die Erwachsenen mussten die Kinder ebenso Appell stehen.Ceija Stojka, die im August 1944 als 11-Jährige mit ihrer Schwester und Mutter von Auschwitz-Birkenau nach Ravensbrück kam, erinnert sich im Interview:
„Dann wurden wir aussortiert und kamen in das Frauenlager Ravensbrück. Ich und meine Mama, und Kathi. Hansi und Karli [die Brüder] haben wir dann nicht mehr gesehen. Die sind wo anders hingekommen. Also wussten wir auch nichts davon. … Und wir hatten keine Schuhe, also, und wenn man welche gehabt hat, hat sie der andere gestohlen und man hat sie nie mehr gefunden. Ich hab meistens keine gehabt.“ [8]
Die Situation verbesserte sich auch im Winter nicht.
„Dann haben sie gezählt. Da war ein Meter Schnee und wir waren in dem Meter Schnee, sind wir dringestanden, barfuß, ein irrsinniger Wind, kalt. Wie viele sind da umgefallen? Wie viele sind erfroren? Wie viele wurden mit der Peitsche geknallt? Wie viele Hunde sind angesprochen [angesprungen] und wie oft sind die Tiere die Menschen angesprochen [angesprungen], weil sie zusammengesackt sind? (seufzt) Ja. Wer soll das vergessen? Ich hab’s erlebt. Ich hab Angst, dass es wiederkommen kann. Nicht um mich!“ [9]
Ceija arbeitete mit ihrer Schwester Kathi in der Waschküche. Von dieser Arbeit wurde ihre Kleidung nass. Beim Appellstehen im Winter vereiste dann das nasse Kleid, aber es gab kein anderes Gewand zum Wechseln. Sie erinnert sich im Interview auch an die von den Häftlingen organisierte Kinderweihnachtsfeier und dass sie etwas Süßes zu essen bekamen. Ceija glaubte aber jahrzehntelang, dass diese von der SS organisiert wurde. Wenige Wochen nach dieser Weihnachtsfeier wurden die Kinder – so auch Ceija mit der Mutter und ihrer Schwester – ins KZ Bergen-Belsen deportiert, wo die Zustände noch schlimmer waren als in Ravensbrück.


[1] Vgl. hierzu Helga Amesberger, Katrin Auer, Brigitte Halbmayr: Sexualisierte Gewalt. Weibliche Erfahrungen in NS-Konzentrationslagern (Wien 2004) S. 245-325.
[2] Britta Pawelke, Als Häftling geboren – Kinder in Ravensbrück. In: Claus Füllber-Stolberg, Martina Jung, Renate Riebe, Martina Scheitenberger (Hg.): Frauen in Konzentrationslagern. Bergen-Belsen – Ravensbrück (Bremen 1994) S. 157-165, hier S. 158.
[3] Ilse Reibmayr, Interview von Loretta Waltz (1995, S. 29f.).
[4] Die angeführten Zahlen beziehen sich auf die quantitative Auswertung der vom IKF durchgeführten Namentlichen Erfassung von ÖsterreicherInnen im KZ Ravensbrück. Vgl. im Folgenden Helga Amesberger, Brigitte Halbmayr, ÖsterreicherInnen im KZ Ravensbrück. Quantitative Auswertung der Datenbank (unveröffentlichter Forschungsbericht, Wien 2012).
[5] Pawelke, Als Häftling geboren, S. 161.
[6] Amesberger, Halbmayr, Quantitative Auswertung, S. 30f.
[7] Pawelke, Als Häftling geboren, S. 162.
[8] Ceija Stojka, IKF-Interview von Hemma Mayrhofer (1998).
[9] Ceija Stojka, IKF-Interview von Hemma Mayrhofer (1998).

Comments are closed.