Tirol


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TirolerInnen im KZ Ravensbrück
Widerstand im konservativ-katholischen Lager
Die Jenischen

TirolerInnen im KZ Ravensbrück
Die TirolerInnen stellen zahlenmäßig die zweitkleinste Gruppe dar. Nur aus Vorarlberg waren noch weniger Personen in Ravensbrück inhaftiert. Unter den österreichischen Häftlingen des KZ Ravensbrück befanden sich 41 TirolerInnen: 37 Frauen und 4 Männer.

Wie im Großteil der anderen Bundesländer ist auch in Tirol die Gruppe der politisch Verfolgten (45 Prozent) die größte. Ein Drittel der Tiroler Häftlinge war aus Glaubensgründen – sie waren ZeugInnen Jehovas – inhaftiert und jeweils fast 10 Prozent wurden gegen der Einstufung als „asozial“ bzw. wegen eines Verhältnisses mit einem Zwangsarbeiter (also wegen „verbotenem Umgang“) inhaftiert.

Von sechs der 41 TirolerInnen wissen wir, dass sie das Konzentrationslager nicht überlebten, 15 konnten nach Österreich zurückkehren. Besonders hoch war die Todesrate unter den Männer: drei der vier in Ravensbrück inhaftierten Tiroler kamen während der Verfolgung um.
Eine wichtige Rolle im Tiroler Widerstand spielte das konservativ-katholische Lager.

Widerstand im konservativ-katholischen Lager [1]

Schutzhaftbefehl gegen Carmella Flöck (Quelle: Privatarchiv Friedrich Stepanek)

Die Zentren des österreichischen Widerstands gegen die nationalsozialistische Herrschaft waren in Wien und in Tirol. Letzteres ist auf die geografische Lage, die Bedeutung der katholischen Kirche und auf den ausgeprägten Nationalstolz in Tirol zurückzuführen. [2] Das katholische Lager spielte hierbei eine besondere Rolle. Es bildeten sich verschiedene Gruppen heraus, wie etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, der „Junge Orden“, eine Jugendgruppe. Deren Triebfeder war der katholische Glaube, dessen grundlegende Werte die Jugendlichen durch die nationalsozialistische Ideologie gefährdet sahen. Im konservativ-katholischen Lager gab es viele überzeugte Monarchisten. Bereits ab 1940 versuchten einzelne Widerstandskämpfer (z.B. Fritz Würthle oder die Brüder Otto und Fritz Molden), diese Widerstandszellen zusammenzuführen und zu koordinieren. Die Gestapo erkannte schon sehr früh die Gefahr, die von diesen Gruppierungen ausging, und verfolgte sie daher mit aller Härte. [3] So heißt es etwa im Lagebericht des SD-Unterabschnittes Tirol an den SD-Führer des SS-Oberabschnittes Donau in Wien für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Juli 1939:
„Die Propaganda und die Tätigkeit dieser Kreise wird teilweise unter den Schutz der Kirche verlegt. Kirchliche Feiern, Beerdigungen usw. werden zu getarnten vaterländischen Demonstrationen aufgezogen. … Die Wirkung einer systematischen Gegnerarbeit läßt sich an vielen kleinen Dingen nachweisen. So sind die Parteisammlungen äußerst schwach besucht, der Deutsche Gruß wird weniger gebraucht, Abzeichen werden nicht getragen usw.“ [4]
Carmella Flöck erinnert sich in ihren Aufzeichnungen, wie wenige Wochen nach dem sogenannten Anschluss am 28. April 1938 zwei SA-Männer das Sekretariat des Katholischen Landesverbandes durchsuchten und schließlich auflösten.
„Alles wurde beschlagnahmt, d.h. in Körben abtransportiert. … Ich war keines Wortes fähig, am liebsten hätte ich geweint, wie ich zusehen mußte, wie man ein Stück nach dem andern in die Körbe warf und wegtrug. Arbeit von Jahrzehnten, Beweise vom harten Kampf mit den Sozialdemokraten, der nicht selten in Tätlichkeiten ausgeartet war. Viel Idealismus und harte Arbeit hatte es gekostet, diese starke katholische Arbeiterbewegung in Tirol aufzubauen.“ [5]
Diese erste Erfahrung mit der neuen Staatsmacht hielt Carmella Flöck jedoch nicht ab, in einer Widerstandsgruppe rund um August Skladal gegen das NS-Regime aktiv zu werden. Sie bemühte sich, Gleichgesinnte für die Gruppe anzuwerben. Hierfür nutzte sie ihre Kontakte aus der Zeit ihrer Berufstätigkeit im Katholischen Verbandssekretariat, konnte jedoch unter diesen keine MitstreiterInnen finden. Es gelang ihr aber, zwei ihrer Cousins für diese illegale Arbeit zu gewinnen, die wiederum eine eigene Widerstandsgruppe in Wattens bildeten. Carmella Flöcks Aufgabe bestand fortan darin, Nachrichten und Weisungen zwischen der Gruppe Skladal und jener in Wattens zu überbringen. Ziel war es, ausreichend Personen anzuwerben, die die Alliierten nach ihrer Landung in Tirol im Kampf gegen die Nationalsozialisten unterstützen sollten. Die Gruppe Skladal wurde jedoch bereits im September 1942 verraten, was zur Verhaftung ihrer Mitglieder, darunter auch Carmella Flöck, führte. [6]

Trotz der vielen Verhaftungen und aufgrund der überparteilichen Zusammenarbeit der Widerstandsgruppen gelang es schließlich, dass Innsbruck am 3. Mai 1945 der einrückenden US-Armee kampflos übergeben wurde. Blutvergießen und die Zerstörung wichtiger Infrastruktur wie etwa Straßen und Brücken wurden so verhindert. Auch kam es zu keiner weiteren Mobilisierung des Volkssturms, wie dies in anderen Teilen Österreichs der Fall war. [7]

Die Jenischen [8]
Der Lebensraum der Jenischen erstreckt sich über viele europäische Länder (Belgien, Frankreich, Irland, England, Niederlande, Österreich, Schweiz, Ungarn, Weißrussland), aber auch in die USA und Südamerika. In Österreich leben Angehörige der Jenischen Volksgruppe vorwiegend im Raum Tirol, Kärnten, Vorarlberg. Während des Nationalsozialismus wurden sie meist als „Asoziale“ verfolgt. Ein Teil dieser Bevölkerungsgruppe wanderte umher, sich mit verschiedensten Handwerkstätigkeiten, Handel und Musizieren den Lebensunterhalt verdienend. Die Diskriminierung der Volksgruppe begann aber schon lange vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Beispielsweise benötigte man für die Ausübung des Hausierhandels einen Gewerbeschein oder einen Hausierpass, die den Jenischen aber oft von den Behörden nicht ausgestellt wurden. Bittere Armut und Gesetzesverstöße waren die Folge. Die umherziehende Lebensweise wurde von den Nationalsozialisten mit Arbeitsscheue und Kriminalität gleichgesetzt, was weitreichende Folgen für die Jenischen hatte. Während der NS-Zeit erfolgten Kindeswegnahmen und Einweisungen in Heime, die Erwachsenen wurden in Arbeitslager oder Konzentrationslager deportiert. Auch wenn die Jenischen, wie Elisabeth Grosinger schreibt, noch nicht als Gruppe verfolgt und ermordet wurden, so war dies nur eine Frage der Zeit. Forderungen nach deren Auslöschung gab es bereits 1939:
„Der Kommandeur der Gendarmerie des Gaues Tirol-Vorarlberg, Josef Albert, schlägt im Mai 1939 vor, Roma, Sinti und Jenische ‚rücksichtslos in eigenen Arbeitslagern zu sammeln‘. Doch damit nicht genug fordert er noch Folgendes: ‚Alle Zigeuner und ähnliche wären, ihrer frühen Reife entsprechend, zeitgerecht unfruchtbar zu machen.“ [9]

Eine der nach Ravensbrück deportierten Jenischen war Theresia (Resi) Monz. Theresia Monz, geboren am 13. Juli 1916 im Tiroler Kirchbichl, wurde am 22. August 1941 in das KZ Ravensbrück deportiert. Wie der Votivtafel – angebracht in der Kirche auf der Hungerburg in Innsbruck – zu entnehmen ist, hatte Theresia nicht nur Ravensbrück, sondern auch das KZ Auschwitz überlebt. Ihr Glaube und die täglichen Gebete an die Namenspatronin gaben ihr die Kraft zu überleben.

Diskriminierung und Ausgrenzung gehörten zur alltäglichen Lebenserfahrung auch nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes. Nach dem Krieg – und teilweise bis heute – fehlte jegliches Unrechtsbewusstsein in Hinblick auf den Umgang mit den Jenischen und den als Zigeuner Verfolgten. Zwangseinweisungen in Erziehungsheime wurden bis in die 1970er-Jahre fortgesetzt. Verfolgung, Diskriminierung und Ausgrenzung haben tiefe Spuren hinterlassen, mitunter auch die Distanzierung zur eigenen Gruppe. Dem will der 2001 gegründete „Jenische Kulturverband Österreich“ mit Sitz in Tirol entgegenwirken.

Die Jenischen sind bis heute nicht als Volksgruppe anerkannt. 2011 bat der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter die Opfer von physischen und psychischen Übergriffen in den Kinderheimen um Verzeihung für das ihnen zugefügte Leid; nicht jedoch für die Kindeswegnahmen und Zwangsunterbringung von Jenischen in Kinderheimen während der NS-Zeit.


[1] Andreas Maislinger problematisiert in seinem Artikel über das katholisch-konservative Lager den Begriff, denn nicht alle Personen/Gruppen waren Katholiken und/oder konservativ. Der Begriff sei daher vielmehr in Abgrenzung zum sozialistischen und kommunistischen Widerstand/Lager zu sehen. Vgl. Andreas Maislinger, Das katholisch-konservative Lager, In: DÖW, Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934-1945 (Wien/München 1984) S. 384-461, hier S. 384. Weitere Quellen zum Nationalsozialismus in Tirol sind: Horst Schreiber, Nationalsozialismus und Faschismus in Tirol und Südtirol. Opfer. Täter. Gegner (Tiroler Studien zu Geschichte und Politik 8, Innsbruck 2008) und die 5-minütigen Rundfunksendungen: Freies Radio, Radiosendungen zu Widerstand und Verfolgung in Tirol (2008), inkl. Beiträge zu Frauen, die in Ravensbrück inhaftiert waren (Carmella Flöck, Adele Obermayr).
[2] Artikel 32: Widerstand in Tirol, http://www.artikel32.com/geschichte/1/widerstand-in-tirol.php, Zugriff am 13.03.2013
[3] Gisela Hormayr, Der Widerstand gegen das NS-Regime, (o.J.), S. 1f., Zugriff am 13.03.2013.
[4] Zitiert nach Maislinger, Das katholisch-konservative Lager, S. 422f.
[5] Carmella Flöck, … und träumte, ich wäre frei. Eine Tirolerin im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Erinnerungen an Widerstand und Haft 1938-1945 (Innsbruck/Wien 2012) S. 23.
[6] Friedrich Stepanek, Katholikin, Widerstandskämpferin, KZ-Überlebende. Eine biografische Annäherung an Carmella Flöck, In: Carmella Flöck, … und träumte, ich wäre frei. S. 179-240, hier: S.201f.
[7] Gisela Hormayr, Der Widerstand gegen das NS-Regime, (o.J.), S. 1f.
[8] Vgl. im Folgenden: Elisabeth Grosinger-Spiss, Jenische in Tirol. Rede zur Ausstellungseröffnung „Jenische in Tirol“ (2008); Jenischer Kulturverband Österreich (Hg.): „Les arts des voyageurs. Jenische Kunst und Geschichte“ (Informationsbroschüre, Oktober 2007); Elisabeth Grosinger, Pseudowissenschaftliche Forschungen über Jenische während und nach der NS-Zeit. In: Alexandra Weiss, Horst Schreiber, Monika Jarosch, Lisa Genslucker (Hg.): Am Rande der Utopie, Gaismair-Jahrbuch 2006, S. 102-112; Horst Schreiber, Nationalsozialismus, S. 236-244; Horst Schreiber, Eine jenische Kindheit in Tirol. In: Alexandra Weiss, Horst Schreiber, Monika Jarosch, Lisa Genslucker (Hg.): Zu wahr, um schön zu sein. Gaismair-Jahrbuch 2007, S. 206-216.
[9] Schreiber, Nationalsozialismus, S. 236f.

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