Gewerkschafterinnen


Inhalt

Gewerkschafterinnen im Widerstand
Die Gewerkschafterinnen im Lager
Die Grenzen des Netzwerks

Insgesamt befinden sich neun Frauen mit dem Hinweis auf eine gewerkschaftliche Tätigkeit in der Datenbank: [1] Maria Berner, Amalie Brust, Mela Ernst, Rosa Jochmann, Therese Koch, Irene Kohn, Käthe Leichter, Emma Mayerhofer und Johanna Sturm. [2] Die meisten von ihnen waren Kommunistinnen, Käthe Leichter und Rosa Jochmann aber Sozialdemokratinnen. Von vier Frauen (Mela Ernst, Rosa Jochmann, Käthe Leichter, Johanna Sturm) wissen wir, dass sie bereits im Ständestaat aufgrund ihrer politischen Betätigung inhaftiert waren. Wahrscheinlich ist die Zahl der Frauen, die sich bereits vor dem Nationalsozialismus in Haft befanden, höher anzusetzen, es lagen jedoch nicht für alle Personen ausreichende Quellen vor. Die meisten Frauen stammten aus einfachen Verhältnissen und waren Arbeiterinnen, lediglich Käthe Leichter wuchs in einem bürgerlichen Elternhaus auf und war promovierte Soziologin.

Gewerkschafterinnen im Widerstand

Käthe Leichter mit ihren Kindern
Franz und Heinz (Quelle: DÖW)
In der Zwischenkriegszeit waren die kommunistischen und sozialdemokratischen Gewerkschafterinnen gemeinsam in den „Freien Gewerkschaften“ organisiert, diese wurden 1934 verboten und in den Untergrund gedrängt. [3] Während des Nationalsozialismus gab es keinen zentral organisierten Widerstand der Gewerkschaften. Die Frauen schlossen sich unterschiedlichen Widerstandsgruppen an, was schließlich zu ihrer Inhaftierung führte: Therese Koch verteilte kommunistische Flugschriften; Emma Mayerhofer half feindlichen Fallschirmspringern; Mela Ernst hatte als Krankenschwester die republikanischen Brigaden im Kampf gegen die Faschisten unterstützt, bei ihrem Versuch, von Spanien bzw. Frankreich wieder nach Österreich zurückzukehren, wurde sie verraten und verhaftet. [4] Käthe Leichter, Rosa Jochmann und Johanna Sturm waren den Behörden bereits als aktive Sozialistinnen/Kommunistinnen bekannt und daher inhaftiert worden. Lediglich von Maria Berner ist überliefert, dass ihre gewerkschaftliche Tätigkeit Anlass für ihre Verhaftung war. Sie war im Betrieb als Nazigegnerin bekannt:
“Es war auch für mich nicht schön, es waren Betriebsversammlungen, und da hat man gehört: ‚Heil Hitler‘. Und alle sind aufgestanden und haben ‚Heil Hitler‘ (gerufen), und ich bin gesessen und habe die Hände im Sack gehabt. Und das war für mich auch nicht schön, muss ich sagen. Das war kein gutes Gefühl. Und die Männer und alle haben auf mich geschaut: ‚Was macht denn die?‘ Ich war alleine. Na, hab ich mir gedacht, das dauert sowieso nicht lange, hat auch nicht mehr lange gedauert. Es war dann vielleicht 14 Tage, oder so was, habe ich mich schon durchgekämpft, ja, und alle haben mich bewundert, oder bemitleidet. Und ich habe mir gedacht, ihr seid alle so feige.” [5]
Maria Berner traf sich heimlich mit KommunistInnen – obwohl sie im Interview betonte, selbst keine gewesen zu sein –, um mit ihnen auf gewerkschaftlicher Basis zusammen zu arbeiten. Dabei wurde sie verhaftet.

Die Gewerkschafterinnen im Lager

Gefälschter Ausweis von Rosa
Jochmann aus 1938 (Quelle: DÖW)
Die Gewerkschafterinnen waren politische Häftlinge und bekamen den roten Winkel zugewiesen. Da ihnen – so wie Maria Berner und Rosa Jochmann – ein Ruf als politisch verlässliche Personen voraus eilte, waren sie gleich in das lebensrettende Netzwerk der politischen Häftlinge eingebunden. Rosa Jochmann wurde dadurch Blockälteste:
„Bei meiner Einlieferung schreibt die Milena in der Schreibstube meinen Namen auf und sagt so zwischen den Lippen: Du kommst auf den Block Eins als Blockälteste, alle freun [sic!] sich schon auf dich. – Warum sie mich dazu bestimmt haben? Wahrscheinlich weil sie mich politisch und als anständigen Menschen gekannt haben, weil sie wußten, was für eine Gegnerin der Nazis ich bin. Und weil ich illegal schon allerhand gearbeitet hab.” [6]
Die Gewerkschafterinnen waren Teil der Widerstandsorganisation im Lager. Die von ihnen gesammelten Erfahrungen im Widerstand vor ihrer Verhaftung erleichterten ihnen auch die Widerstandstätigkeit im KZ. Sie wussten Bescheid über die Regeln der Geheimhaltung, wussten über die Notwendigkeit von Netzwerken und die Bedeutung von Funktionen in der sogenannten Häftlingsselbstverwaltung. So konnten sie etwa durch das Manipulieren von Listen Leben retten. [7]
Nicht nur im organisierten Widerstand, sondern auch als moralische Stützen taten sich die Gewerkschafterinnen im Lager hervor. Ideologische Zugehörigkeit scheint dabei, im Gegensatz zum Männerlager, nur eine geringe Rolle gespielt zu haben. Wichtig war lediglich, dass man eine „Politische“ war. Rosa Jochmann war bei ihrer Ankunft in Ravensbrück fast 40 Jahre alt und konnte bereits Hafterfahrung im Ständestaat vorweisen. Sie stärkte die Frauen in ihrem Selbstbild als politische Häftlinge:
„Oft hab ich am Block die Häftlinge von der A-Seite und der B-Seite zusammenkommen lassen und ihnen einen Vortrag gehalten: Es gibt eine einzige Möglichkeit zum Überleben – wenn wir gegenseitig aufrichtig sind, wenn wir uns gegenseitig helfen, wenn wir Vertrauen zueinander haben. Ich hab ihnen gesagt, welche Haltung wir haben müssen. Jeder Politischen ist gesagt worden, was sie absolut einhalten muß, wenn sie mit uns sein will.” [8]
Die Bewahrung von Haltung war wichtig für die Aufrechterhaltung des Selbst im Lager. Käthe Leichter schrieb SS-kritische Gedichte und Theaterstücke, die heimlich im Lager aufgeführt wurden. [9] Jede Regime-kritische Äußerung im KZ war lebensbedrohlich.

Die Grenzen des Netzwerks
Das Netzwerk war für viele lebensrettend, gleichzeitig brachten sich die Gewerkschafterinnen durch ihren Einsatz für andere Häftlinge ständig in Lebensgefahr. Amalie Brust überquerte beim Versuch, für eine Mitgefangene Kleidung zu schmuggeln, bei Fliegeralarm die Lagerstraße und wurde dafür in den Strafblock gesperrt. [10] Dort steckte sie sich mit Typhus an und starb. Auch Käthe Leichter, die im Gegensatz zu den anderen Gewerkschafterinnen zusätzlich als Jüdin inhaftiert war, konnte nicht mehr gerettet werden. Johanna Sturm und Rosa Jochmann überlebten den Strafaufenthalt im Bunker nur knapp.


[1] Personen, die erst nach 1945 gewerkschaftlich tätig waren, wurden nicht berücksichtigt.
[2] Auch Franz Pflanzl und Franz Weber waren gewerkschaftlich aktiv, leider liegen über ihr Leben im Männerlager kaum Quellen vor, daher werden im Text nur die Gewerkschafterinnen behandelt.
[3] Vgl. Walter Göhring, Brigitte Pellar, Anpassung und Widerstand. Arbeiterkammern und Gewerkschaften im österreichischen Ständestaat (Wien 2001).
[4] Renée Lugschitz, Spanienkämpferinnen: ausländische Frauen im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939 (Wien 2012) S. 53.
[5] Maria Berner, IKF-Interview von Helga Amesberger (1998).
[6] Rosa Jochmann, Mit offenen Augen. In: Karin Berger, Elisabeth Holzinger, Lotte Podgornik, Lisbeth Trallori (Hg.): Ich geb Dir einen Mantel, daß du ihn noch in Freiheit tragen kannst. Widerstand im KZ. Österreichische Frauen erzählen (Wien 1987) S. 177-187, hier S. 178.
[7] Helga Amesberger, Brigitte Halbmayr, Vom Leben und Überleben – Wege nach Ravensbrück. Das Frauenkonzentrationslager in der Erinnerung, Band 1 (Wien 2001) S. 196f.
[8] Rosa Jochmann, Mit offenen Augen, S. 179f.
[9] Rosa Jochmann, Mit offenen Augen, S. 183.
[10] Hermine Jursa, IKF-Interview von Helga Amesberger (1998).

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