Charlotte Gelb

Aber man soll’s nicht glauben, wegen was Leute überhaupt eingesperrt werden. Schau, auch bei mir, wegen nichts und wieder nichts. Ich mein, von meiner Sicht aus. Weil so richtig politisch habe ich mich ja dazumal ja nicht betätigt. Also du bist eingesperrt worden, weil der Kindesvater praktisch zu Besuch gekommen ist. Ja. Ja. Nein, der hat nämlich eine Zeit bei mir gewohnt, nicht. Weil – er hat ja müssen Wohnung wechseln eben, weil er eben verfolgt war. Na, dann war er halt bei mir. Die löblichen Nachbarn haben’s halt angezeigt, nicht. Gut, er hat sich zu viel blicken lassen. Aber andererseits, wenn man den ganzen Tag im Zimmer sitzen muss, nicht. Also, man kann ihn auch verstehen. Und er hat flüchten, oder er hat sich verstecken müssen, weil… Nun, jüdischer Herkunft, nicht. Nein, er war ja, er war ja schon in einem KZ und da ist er geflüchtet, nicht. Ach, vom KZ ist er geflüchtet, mhm. Wann war denn das, im 43er-Jahr, das ist dann angezeigt worden, dass bei mir jemand wohnt, nicht dass er ein Jude ist, sondern dass bei mir jemand wohnt und nicht angezeigt [gemeldet] ist. Und aufgrund dessen bin ich auch ins KZ kommen. Da war, das war, dreimal habe ich Vorladungen kriegt. Da, weiß nicht, wo die Gestapo war. /Am Morzinplatz im Metropol./ Zweimal haben sie mich z’Haus gehen lassen, beim dritten Mal nimmermehr. Da war ich drei Monate in Untersuchungshaft, das war, ich weiß nicht, wie das war, auf der Rossauer Lände, da war ich drei Monate. Und dann, auf einmal bin ich halt auf Transport gekommen. Ich war nur sechs Monate, aber mir hat’s genügt. Ich war nämlich in einem Betrieb, und der Chef war ein Reichsdeutscher und hat irgendwie Einfluss gehabt, also er war halt ein Prominenter, also bei der Gestapo hat er durchgesetzt, weil er, es war ihm hauptsächlich um die Arbeitskraft auch. Und, sodass mir die Haftzeit verkürzt wird. Und die Entlassung, [da] bin ich dann nimmermehr auf Transport, sondern ich hab eine Karte, eine Fahrkarte kriegt, also dass ich selber z’Haus fahren kann. Also ich bin also zum Bahnhof hingeführt worden, dort hab ich mir die Karten gelöst, ist mir die Karte gelöst worden. Und bin dann die ganze Nacht durchgefahren. Naja, und in Wien hab ich mich auch müssen auf der Gestapo melden, weil ja, das haben’s mir wieder weggenommen und jetzt war halt der Fall erledigt, also, von meinem KZ, nicht. Nun, jetzt war ich dann acht Tage allein, also da war das Kind derweil bei meiner anderen Schwester. Nun, das war alles so kompliziert, das…. Und mein Mann ist, der ist vom, nein, das war dann schon, nein, der ist auch geflüchtet. Das war aber schon im 45er-Jahr, aber Anfang. Wenn ich ehrlich sagen will, es war für mich eine Zwangsehe. Ich wollte, dass das Kind einmal einen Namen hat, ja. Nur wegen dem Kind. Das andere ist, ich meine, gefühlsmäßig, naja, man kann nicht…. Andererseits, es ist immer meine Schwester dazwischengestanden, obwohl sie tot war, ja. Aber sie wäre ja die Richtige gewesen. Ich war ja eigentlich nur Ersatz, weil, weil ich das Kind gehabt hab von ihm. Also, damit der, der Sohn, der Bursche nicht… Ja, erstens, ja, weil er war irgendwie…. Naja, also, in der ersten Klasse, gell, er ist auch gehänselt worden: „Ja, dein Vater war ein Jude“. Und das alles, gell, er hat auch viel mitgemacht, nicht. Es ist schwer, wenn man solche Zeiten miterlebt. Nämlich wo andere Gesinnungen dann sind. Da kriegt man dann eine andere Einstellung zum Leben. Wie, wie meinst du das, dass man dann…? Naja, man, man fühlt das anders, ganz anders, gell, und wenn’s einem einmal ein bisschen besser geht, kann man das, naja, sieht man das wie einen Lottotreffer, nicht. Und manche, nicht, naja, es ist halt so, nicht, das Leben kann nicht anders sein. Aber wenn man schon schlechte Zeiten mitgemacht hat, dann erlebt man die guten wirklich. Nicht, aber es bleibt nicht immer so. Aber bitte, mir geht’s jetzt momentan… Ich kann leben, aber Riesensprünge kann ich halt auch nicht machen, nicht.

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