![]() | Theresia HOCHLEITNER, geb. Eder, verw. Kössner Geboren am 18. November 1921 Verfolgungsgrund: Unterstützung von Wehrmachtsdeserteuren und Kriegsdienstverweigerern Biografische Daten |
Am 18. November 1921 wurde in Eschenau, einer kleinen Ortschaft im Salzburger Pinzgau, Theresia Eder geboren. Mit ihren sieben Geschwistern wuchs sie auf dem Oberwartbichlhof auf, den ihre Eltern Christian und Theresia Eder bewirtschafteten.
1941 heiratete Theresia Eder den um zwei Jahre älteren Georg Kössner. Dessen Vater, Georg Kössner senior, war in der Gemeinde Weng Bauer und Wirt im Trog, mit 60 Hektar Grund einer der größten Höfe der Gegend. Von 1922 bis 1931 war Kössner senior christlich-sozialer Bürgermeister von Weng und bis zum Einmarsch der Nazis im März 1938 Funktionär der Vaterländischen Front gewesen. 1943 übernahm Georg Kössner junior von seinen Eltern den Hof Trog.
Zum 1. Jänner 1939 war die bis dahin eigenständige Gemeinde Weng dem größeren Nachbarort Goldegg einverleibt worden.
Ehemann verweigert Kriegsdienst
1943 erhält Georg Kössner junior den ersten Einberufungsbefehl zur Deutschen Wehrmacht. Mit ein Grund für die Einberufung des jungen Hofbesitzers dürfte seine – auch öffentlich geäußerte – antinazistische Haltung gewesen sein. Georg Kössner senior, der seinen einzigen Sohn nicht durch den Fronteinsatz verlieren will, fügt ihm mit einem Beil eine schwere Beinverletzung zu. Nach der Genesung von dieser Verletzung wird Georg Kössner junior für den 23. Mai 1944 neuerlich zur Wehrmacht einberufen. Daraufhin taucht Kössner unter und schließt sich einigen einheimischen Männern an, die sich zum Teil bereits seit Monaten – unterstützt von der lokalen Bevölkerung – in der abgelegenen Gegend versteckt hielten.
Verhaftung
In der Nacht auf den 2. Juli 1944 führte die Salzburger Gestapo zusammen mit einem in Hallein stationierten SS-Bataillon im Gemeindegebiet von Goldegg-Weng eine großangelegte Razzia durch. Ziel dieser Razzia war es, sieben untergetauchte Männer zu finden. Zwei dieser Männer waren Regimegegner, vier waren Wehrmachtsdeserteure, Georg Kössner junior war Kriegsdienstverweigerer. Bei dieser Razzia am 2. Juli 1944 konnten fünf der Gesuchten entkommen, unter ihnen auch Georg Kössner junior. Gestapo und SS verhafteten jedoch an diesem Tag etwa 50 Männer und Frauen, die beschuldigt wurden, die gesuchten Widerständler unterstützt zu haben.[1] Unter den Verhafteten waren auch Theresia Kössner und ihre Schwiegereltern. Sie wurden zunächst auf den Gendarmerieposten Lend gebracht und von dort in das Polizeigefängnis Salzburg eingeliefert. Dort wurden die Verhafteten von der Gestapo verhört, viele wurden misshandelt oder gefoltert.
Auszug aus der Sondertransportliste von Leipzig nach Ravensbrück am 27.8.1944
KZ Ravensbrück
Am 13. August 1944 wurden 15 der verhafteten Frauen, darunter auch Theresia Kössner, ohne Gerichtsverfahren in das KZ Ravensbrück deportiert. Eine der Frauen, Maria Hagenhofer, starb bereits in Prag während des Transports. Drei weitere Frauen, Theresia Buder, Theresia Bürgler und Alma Netthoevel kamen im KZ ums Leben.
Theresia Kössner trug im KZ Ravensbrück die Häftlingsnummer 61.367. Sie war bei der Einlieferung ins KZ schwanger und wurde am 4. Oktober 1944, zusammen mit der ebenfalls schwangeren Maria Hölzl, zurück in das Polizeigefängnis Salzburg überstellt. Von dort wurde Theresia Kössner am 24. Oktober 1944 nach Hause entlassen.
Hinrichtung von Georg Kössner
Ihr Mann, Georg Kössner junior, dem es am 2. Juli 1944 gelungen war, dem Großaufgebot von SS und Gestapo zu entkommen, wurde am 15. Juli 1944 festgenommen. Das Kriegsgericht der Division 418 in Salzburg verurteilte Georg Kössner junior am 30. Oktober 1944 zum Tode. Auf der Hinrichtungsstätte Glanegg bei Salzburg erschoss am 8. März 1945 ein Erschießungskommando der Wehrmacht Georg Kössner junior sowie zwei weitere zum Tod verurteilte Fahnenflüchtige. Einen Tag vor der Hinrichtung hatte Georg Kössners Frau Theresia das vierte gemeinsame Kind zur Welt gebracht.
Keine Anerkennung als NS-Opfer
1948 stellte Theresia Kössner beim Amt der Salzburger Landesregierung einen Antrag auf Anerkennung nach dem Opferfürsorgegesetz. Der Antrag wurde abgewiesen, da, so hieß es im Bescheid,
Theresia Hochleitner mit Ehemann und Kindern, 1950er-Jahre, © screenshot aus Film „Trog“
Opferausweis von Theresia Hochleitner; Quelle: Privatarchiv
„Das Drama von Goldegg“, Volksstimme, 1. März 1964
brachte Theresia zwölf weitere Kinder zur Welt.
Späte Haftentschädigung
20 Jahre nach ihrem ersten Antrag auf Entschädigung nach dem Opferfürsorgegesetz unternahm Theresia Hochleitner einen zweiten Versuch, amtliche Anerkennung für ihren Unterstützungswiderstand zu bekommen. Am 10. Oktober 1969 wurde sie beim Amt der Salzburger Landesregierung vorstellig.
Stolperstein für Theresia Kössner-Hochleitner vor dem Schloss Goldegg
Würdigung durch Stolperstein 2024
47 Jahre nach Theresia Hochleitners Tod und 80 Jahre nach den tragischen Ereignissen in Goldegg-Weng wurden am 8. Juli 2024 beim Eingang zum Schloss Goldegg Stolpersteine für vier vom NS-Staat verfolgte Frauen verlegt. Einer der Steine erinnert an Theresia Kössner.
© Esche Schörghofer
[1] Auf der Website „Die Goldegger Wehrmachtsdeserteure“ (www.goldeggerdeserteure.at) finden sich Biografien zu den verfolgten Deserteuren und deren UnterstützerInnen, darunter auch zahlreiche Frauen, die im KZ Ravensbrück inhaftiert waren.
Eine erste historische Aufarbeitung rund um den Widerstand und die nationalszialistische Verfolgung in Goldegg erfolgte durch: Robert Stadler, Michael Mooslechner, St. Johann/Pg 1938-1945. Das nationalsozialistische „Markt Pongau“. Der „2. Juli 1944“ in Goldegg: Widerstand und Verfolgung (Salzburg 1986).
Literarisch hat sich Hanna Sukare in Schwedenreiter (Otto Müller Verlag 2018) mit dieser Geschichte auseinandergesetzt.
[2] Zitiert nach: Trog. Eine österreichische Familiengeschichte. Dokumentarfilm von Ella Hochleitner 2023.
[3] Zitiert nach: Trog. Eine österreichische Familiengeschichte. Dokumentarfilm von Ella Hochleitner 2023.
[4] Zitiert nach: Trog. Eine österreichische Familiengeschichte. Dokumentarfilm von Ella Hochleitner 2023.
[5] Zitiert nach: Trog. Eine österreichische Familiengeschichte. Dokumentarfilm von Ella Hochleitner 2023.
[6] Zitiert nach: Trog. Eine österreichische Familiengeschichte. Dokumentarfilm von Ella Hochleitner 2023.
[7] Zu erwähnen sind hier insbesondere die Aktivitäten des Vereins Goldegger Deserteure. Plattform für regionale Erinnerungskultur (www.goldeggerdeserteure.at) und die Filme von Ella Hochleitner, einer Nichte von Theresia Kössner und ihrem zweiten Ehemann Johann Hochleitner. Ella Hochleitner hat mit Trog ihren zweiten Dokumentarfilm vorgelegt, der mit den tragischen Ereignissen in Goldegg-Weng im Juli 1944 zu tun hat. Im Mittelpunkt des Films Trog steht das Schicksal von Theresia Kössner.

Auszug aus der Sondertransportliste von Leipzig nach Ravensbrück am 27.8.1944
„bei der Genannten die Voraussetzungen des Paragraph 1 Absatz 2 über die Fürsorge der Opfer des Kampfes für ein freies und demokratisches Österreich nicht vorliegen. Begründung: eine Fluchtbegünstigung ist dann als Einsatz im Sinne einer Feindbegünstigung zu erachten, wenn diese Soldaten nicht dem Verwandtschaftskreis oder Freundschaftskreis des sie Begünstigenden angehörten. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weshalb der Antrag abzuweisen war.“ [2]In ihrer Berufung schrieb Theresia Kössner:
„… die angegebene Begründung stimmt, dass ich meinen Gatten unterstützt habe und wie ich sehe, dies nicht als Feindbegünstigung zu erachten ist. Ich muss darauf hinweisen, dass ich auch einen anderen Fahnenflüchtigen, der in keinem Verwandtschaftsverhältnis oder Freundschaftskreis zu mir gestanden ist, unterstützt habe, namens Franz Unterkirchner. Es kann jederzeit eine Bestätigung erbracht werden, dass dies der Wahrheit entspricht. Es werden mir Schwierigkeiten gemacht bei der Übernahme der Wirtschaft, um leichter durchdringen zu können, würde ich die Amtsbescheinigung sehr notwendig benötigen. Falls mein Gatte nochmals nach Hause gekommen wäre, hätte ich mich ohnedies scheiden lassen, weil er während der Verehelichung mit einer anderen ein Verhältnis gehabt hat.“ [3]Mit der Begründung „gegen den Bescheid kann aus den Gründen des angefochtenen Bescheids keine Folge gegeben werden“ (sic)[4], verweigerte das Amt der Salzburger Landesregierung Theresia Kössner weiterhin die Anerkennung als Opfer des NS-Unrechtsstaates. Am 30. Juni 1949 heiratete Theresia Kössner ein zweites Mal. In dieser Ehe mit Johann Hochleitner

Theresia Hochleitner mit Ehemann und Kindern, 1950er-Jahre, © screenshot aus Film „Trog“

Opferausweis von Theresia Hochleitner; Quelle: Privatarchiv

„Das Drama von Goldegg“, Volksstimme, 1. März 1964
„Unvorgeladen erscheint die oben Genannte auf dem Hohen Amt und gibt folgendes zu Protokoll: Mein erster Ehemann Georg Kössner wurde durch die Nazis aus politischen Gründen hingerichtet. Ich selbst befand mich aus denselben Gründen in Haft und zwar in Salzburg und dem KZ Ravensbrück. Ich stelle daher den höflichen Antrag auf Ausstellung eines Opferausweises und auf Gewährung der Haftentschädigung für die Dauer meiner Haft.“ [5]Zu diesem Zeitpunkt war nach dem mittlerweile novellierten Opferfürsorgegesetz die Voraussetzung gegeben:
„dem Antrag auf Ausstellung eines Opferausweises war Folge zu geben. Eine Haftentschädigung laut Opferfürsorgegesetz von 3.440 Schilling wurde ausbezahlt.“ [6]Am 16. Juni 1977 starb Theresia Hochleitner im Alter von 56 Jahren in Goldegg-Weng an einem Gehirnschlag. Die Wenger Wehrmachtsdeserteure und ihre UnterstützerInnen wurden jahrzehntelang nicht als Widerstandskämpferinnen für ein freies Österreich anerkannt. Auch in der Gemeinde Goldegg trafen die ehemals Verfolgten auf Abwertung und Stigmatisierung. Davon zeugt auch ein Bericht von Berta Lauscher über einen Besuch bei Theresia Hochleitner im August 1963 in der kommunistischen Tageszeitung Volksstimme. Während die Opfer nur hinter vorgehaltener Hand über ihre Erlebnisse sprechen können, leben die ehemaligen Nazis ganz unbehelligt im Ort. Dieser Artikel war der erste Medienbericht über eines der grausamen Verbrechen des Naziregimes im Land Salzburg. Die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen in Goldegg-Weng sind bis heute umkämpft. Nur engagierten BürgerInnen und Verwandten der Opfer[7] ist es zu verdanken, dass die Taten und Leiden der Verfolgten heute gewürdigt und anerkannt werden.

Stolperstein für Theresia Kössner-Hochleitner vor dem Schloss Goldegg